Schockiert und tief betrübt haben wir erfahren, dass unser Freund und Kollege Uwe Larsen Röver gestorben ist. Uwe war ein aufrichtiger, kompetenter und konsequenter Kollege, mit dem wir über zwei Jahrzehnte zusammen arbeiteten. Er wohnte seit seiner Geburt in Halle (Saale), war seit 1990 bei der Deutschen Reichsbahn (DR) und seit 1994 bei der Deutschen Bahn AG (DB) beschäftigt, die meiste Zeit davon als Zugbegleiter/Kundenbetreuer im Nahverkehr.
Als sich 2000 unsere Initiative „Bahn von unten“ bildete und vor dem angestrebten Börsengang der DB und einer zunehmenden Zerschlagung warnte, war bald auch Uwe dabei und brachte Erfahrung, Kompetenz und Engagement ein. Er formulierte Flugblätter und Veröffentlichungen und bereicherte die Diskussion enorm. In jenen Jahren war es in der damaligen Gewerkschaft Transnet nicht einfach, gegen den Börsengang einzutreten. Eine Troika aus dem Transnet-Vorsitzenden Norbert Hansen, DB-Chef Hartmut Mehdorn und Bundeskanzler Gerhard Schröder propagierte unentwegt die Privatisierung durch Börsengang als „alternativlos“ und rein finanztechnische Maßnahme, um der DB „frisches Kapital“ für die Sanierung der Infrastrktur zu beschaffen. Starken Applaus erhielt Schröder 2004 beim Transnet-Gewerkschaftstag, als er seine Rede mit den Worten beendete: „Norbert und ich haben früher die Revolution geplant, die wir heute gemeinsam verhindern müssen.“
Kritikern dieses Kurses machte der Gewerkschaftsapparat das Leben schwer. Ihnen wurde wahrheitswidrig vorgeworfen, den einheitlichen Bahnkonzern zu gefährden. Im Mai 2008 wurde Hansen mit dem Posten eines DB-Personalvorstands „belohnt“. Auch wenn der für Oktober 2008 anvisierte Börsengang nach dem Ausbruch der damaligen Weltwirtschaftskrise in letzter Sekunde abgeblasen wurde: Die Folgen dieser Orientierung auf einen Börsengang und Fixierung auf eine „positive Börsenstory“ zum Anlocken privater Investoren müssen die Kolleginnen und Kollegen bis zum heutigen Tage ausbaden.
Zunehmend erlebte Uwe im Alltag, dass die Privatisierung und Zerschlagung der Bahn im Gewande der „Regionalisierung“ und des zunehmenden Ausschreibungswettbewerbs voranschritt – zum Nachteil der Kolleginnen und Kollegen und der Kundschaft. Er gehörte 2002 zu den schärfsten Kritikern eines Ergänzungstarifvertrags für DB Regio, der vom „Wettbewerb“ diktiert war. Der vereinbarte Vertrag sah weniger Einkommen, längere Arbeitszeiten und weniger Urlaub vor und löste starke Proteste aus.
Die Arbeit in Wechselschicht und die zunehmende Verdrängung der DB Regio im Ausschreibungswettbewerb machten auch Uwe zu schaffen. In den letzten Jahren sprach er zunehmend davon, dass er sich angesichts einer angeschlagenen Gesundheit auf die vorzeitige Verrentung freue. Dies hätte er auch mehr als verdient. Nun wurde er mit gerade einmal 59 Jahren jäh aus dem Leben gerissen. Dies erinnert uns daran, wie hohl das bürgerliche Geschwätz ist, dass „wir alle länger leben“ und deshalb länger arbeiten müssten. Ein Drittel erreicht das Rentenalter gar nicht, ein Drittel erreicht es krank, und nur ein Drittel erfreut sich beim Renteneintritt noch einer relativ guten Gesundheit.
Uwe war bei seinen Abstechern in den Westen bei uns in Wiesbaden ein regelmäßiger und sehr gern gesehener Gast. Bei einer Flasche Saale-Unstrut-Wein unterhielten wir uns stets angeregt und detailliert über den betrieblichen Alltag, aber auch über die politische Lage und über „Gott und die Welt“. Er war in der Erinnerung vieler Kolleginnen und Kollegen ein engagierter Betriebsrat und ein ruhiger, hilfsbereiter, herzlicher und überzeugender Mensch, hatte Charisma und viel Lebensfreude. Er wird uns sehr fehlen.
Unser aufrichtiges Beileid gilt allen Angehörigen und Hinterbliebenen. Wir werden uns von ihm nach dem Ende des Corona-Ausnahmezustands in würdiger Form verabschieden, in seinem Sinne weiter kämpfen und ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.
“Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich.“ (Bertolt Brecht)