Gut eine Woche nach dem Abschluss eines Branchentarifvertrags für Unternehmen des Schienenpersonennahverkehrs hat sich die Bahngewerkschaft EVG am Dienstag mit dem Vorstand der Deutschen Bahn AG (DB) auf eine mehrstufige maßvolle Lohnerhöhung geeinigt.
Der Tarifabschluss gilt für 135.000 Beschäftigte in DB-Tochterfirmen. Nach der bereits Ende 2010 erfolgten Einmalzahlung in Höhe von 500 Euro für alle werden die Einkommen ab 1. März 2011 um 1,8 Prozent und ab 1. Januar 2012 um weitere zwei Prozent angehoben. Im Umfang dieser Lohnerhöhungen soll nun auch das Urlaubsgeld angepasst werden. Die Laufzeit des Vertrags endet am 31. Dezember 2012 und ist mit insgesamt 29 Monaten vergleichsweise lang – zu lang. Der auch von Wirtschaftswissenschaftlern geforderte kräftige Schluck aus der Pulle - das heißt kräftige Lohnerhöhungen und Reallohnsteigerungen – sieht anders aus.
Darüber hinaus vereinbarten beide Seiten, dass die DB mindestens bis Ende 2012 einen Betrag von 50 Millionen Euro zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge einsetzt. Zu dem Tarifpaket gehören nach Gewerkschaftsangaben auch eine Erhöhung der Schichtzulagen für den Arbeitseinsatz zu sozial ungünstigen Zeiten sowie strukturelle Verbesserungen in einzelnen Berufsgruppen. EVG-Tarifexperte Heinz Fuhrmann bezifferte das vereinbarte Volumen auf insgesamt fünf Prozent. Dies sei angesichts der ursprünglichen Forderung von sechs Prozent ein „toller Erfolg“ für Beschäftigte und EVG. Über gewerkschaftliche Forderungen etwa nach einer Verdoppelung der Ausbildungsquote soll weiter verhandelt werden.
Zügig wollen EVG und DB eine neue Regelung für den im Jahre 2005 vereinbarten und bis Ende 2011 auslaufenden Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeSiTV) finden. Zentrales Element dieses Vertragswerks ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. So blieb DB-Beschäftigten bislang der direkte Weg in ALG I und Hartz IV erspart. Dafür hatten die Gewerkschaften damals allerdings im Gegenzug auf einen Urlaubstag verzichtet. Wer sein bisheriges Einkommen halten wollte, der musste im Rahmen des BeSiTV auf jeden Fall von der tarifvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit von 38 Stunden abkehren und 40 Stunden arbeiten.
Beschäftigte, deren Arbeitsplatz entfällt, wechseln zur Tochterfirma DB Job Service, eine Art bahninterne Arbeitsagentur, die ihnen 80 bzw. 85 Prozent ihres bisherigen Einkommens bezahlt. Von dort aus können sie in aller Regel befristet und prekär über die DB Zeitarbeit für Projekte eingesetzt werden und erhalten auch bei einer Wiederbeschäftigung nicht die vollen 100 Prozent ihres bisherigen Tarifeinkommens.
Dies geschehe oftmals „mit der Pistole an der Schläfe“, erklärt ein Betroffener. Obwohl der Tarifvertrag einen „wohnortnahen“ Einsatz vorsehe, sähen sich viele genötigt, einen bundesweiten Einsatz und große Entfernungen vom Heimatort in Kauf zu nehmen. Etliche hätten daher „entnervt einen Auflösungsvertrag mit schlechten Konditionen unterschrieben“, so der Eisenbahner: „Die im Job-Service werden krank, weil sie ausrangiert werden, und die anderen ersticken in Arbeit, weil so viele Stellen abgebaut wurden.“
Hans-Gerd Öfinger