Zwar hat das jüngste Winterchaos bei den deutschen Bahnen die Idee einer Privatisierung der Deutschen Bahn AG (DB) in der Öffentlichkeit weiter diskreditiert. Quer durch die Bank kritisieren Politiker die Renditeorientierung des Bahnmanagements. Doch hinter den Kulissen arbeiten maßgebliche Akteure weiter an den Vorbereitungen einer Teilprivatisierung.
So ließ kürzlich ein Bericht der Mainzer AZ (Allgemeine Zeitung) aufhorchen, der sich auf die Deutsche Presseagentur (dpa) beruft und auf Gedankenspiele über einen separaten Börsengang der DB-Güterverkehrssparte DB Schenker verweist. Das Blatt zitiert das für Transport und Logistik zuständige Vorstandsmitglied der DB Mobility Logistics AG, Karl-Friedrich Rausch. Dieser äußert sich in dem Bericht positiv über die wirtschaftliche Erholung der Güterbahn nach dem Einbruch von 2009 und stellt dann im O-Ton fest: „Wenn wir das Niveau vor der Krise wieder erreicht haben, dann werden wir auch börsenfähig sein.“ Die DB Mobility & Logistics AG (DB ML AG) war Mitte 2008 eigens für den Börsengang als neue Tochter und Holding für die Transport- und Servicegesellschaften unter dem Dach der noch bundeseigenen Deutschen Bahn AG (DB) gegründet worden. Den vom Bundestag im Mai 2008 beschlossenen und für Oktober 2008 vorgesehenen Börsengang hatte damals Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nach dem Einbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise kurzfristig abgeblasen. Dieser Beschluss ist allerdings noch nicht aufgehoben und gilt nach wie vor als Handlungsauftrag an das DB-Management.
Ein separater Börsengang der Güterverkehrssparte DB Schenker, die gut die Hälfte des Gesamtumsatzes der DB einfährt und europaweit Güterbahnen sowie weltweit Lkw-Flotten und Logistikunternehmen umfasst, läge hingegen durchaus im Interesse der Regierungsparteien CDU, CSU und FDP. Denn diese favorisieren seit vielen Jahren eine Aufspaltung und Filetierung der DB AG und eine grundlegende Trennung von Netz und Betrieb, von Schieneninfrastruktur und Transportgesellschaften nach britischem Vorbild. Dem Vernehmen nach sympathisieren auch die Grünen im Bundestag mit einem Separatverkauf von DB Schenker. Ein solcher Schritt wäre – je nach wirtschaftlicher Lage – noch in der laufenden, 2013 endenden Legislaturperiode vorstellbar. Als Vorwand hierfür könnte auch das Drängen der EU-Kommission auf eine rigorose Aufspaltung der bestehenden nationalen Eisenbahnverkehrsunternehmen und noch mehr Liberalisierung in der Schienenverkehrsbranche dienen. Ebenso liegt es in der Logik des ungebremsten weltweiten Expansionsstrebens der DB-Manager, den Aufkauf von Transportgesellschaften in aller Welt auch durch den Verkauf einzelner Töchter und Teilprivatisierungen – mit oder ohne Börsengang – zu finanzieren, zumal die 1994 schuldenfrei aus der Taufe gehobene DB AG inzwischen wieder Schulden von über 15 Milliarden Euro angehäuft hat.
Alarm ausgelöst haben die von Rausch möglicherweise als Versuchsballon gestarteten Äußerungen über eine „Börsenfähigkeit“ bei betroffenen Betriebsräten und Gewerkschaftern. „Hände weg von DB Schenker!“ heißt es in einem Aushang der Bahngewerkschaft EVG für die Betriebe. Eine Privatisierung schade den DB-Schenker-Beschäftigten und entziehe ihnen den Schutz durch den Tarifvertrag über eine Beschäftigungssicherung (BeSiTV), heißt es in dem Blatt. Dieses Vertragswerk bewahrt Eisenbahner beim Verlust ihres Arbeitsplatzes bisher vor dem Gang zur Arbeitsagentur und Übergang in Hartz IV. Zudem „würde die Abspaltung einer einzelnen Sparte einer Zerlegung des Konzerns Tür und Tor öffnen“, warnt die Gewerkschaft. Ebenso würde dies unter den Beschäftigten für massive Verunsicherung sorgen. „Denn jeder fragt sich: Wer ist als nächstes dran?“
Bei diesem (Papier-)Protest unserer Gewerkschaft darf es nicht stehen bleiben. Ein separater Börsengang von DB Schenker wäre ein Riesenschritt zur endgültigen Zerschlagung der Bahn. Eine auf maximale Rendite orientierte Güterbahn wird sich noch mehr auf die lukrativen nationalen und internationalen Fernstrecken konzentrieren und Nebenstrecken aufgeben. Dies wäre für Mensch und Umwelt eine Katastrophe.
Was nun?
- Die EVG muss Hand in Hand mit dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften und Privatisierungsgegnern im Aktionsbündnis „Bahn für Alle“ den Druck auf die Politik verstärken.
- Der Bund muss 100-prozentiger Eigentümer der Deutschen Bahn bleiben.
- Rücknahme des Bundestagsbeschlusses vom Mai 2008, mit dem grünes Licht für einen Börsengang gegeben wurde.
- Auflösung der DB ML AG und volle Wiedereingliederung in den Konzern DB AG!
- Alle Schritte zur Zerschlagung und Privatisierung unserer Bahn und mit dem Ziel der Börsenfähigkeit vorgenommenen Umstrukturierungen müssen rückgängig gemacht werden.
- Kein separater Teilverkauf von Transport- und Servicegesellschaften der Bahn!
- Kein Aktientausch zwischen der DB AG und anderen Eisenbahngesellschaften, insbesondere der russischen RZD!
- Rückführung der Deutschen Bahn AG in öffentlich-rechtliche Trägerschaft und demokratische Kontrolle der Unternehmensleitung!