Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ihr habt unseren Offenen Brief an die Vorsitzenden unserer Gewerkschaften EVG und GDL erhalten. Eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen der EVG und GDL haben ihn mit unterschrieben. Unabhängig davon, dass in der unmittelbaren Situation des Streiks unsere volle Solidarität den Lokführern gehörte, sind wir der Meinung, dass gerade in dieser harten Tarifauseinandersetzung ein gemeinsames Handeln unserer beiden Gewerkschaften für die Durchsetzung unserer gemeinsamen Forderungen notwendig ist, um den Tarifkampf erfolgreich führen zu können.
Bisher hat nur Kollege Alexander Kirchner als Vorsitzender der EVG auf unseren Brief geantwortet. In seinem Brief weist er auf die Resolutionen zum Tarifeinheitsgesetz hin, die auf dem Kleinen Gewerkschaftstag der EVG am 4. November verabschiedet wurden. Diese Resolutionen möchten wir zum Anlass nehmen, um uns erneut an Euch zu wenden.
Ihr erinnert Euch sicher noch an die Hetzkampagne und Verunglimpfungen, die von Seiten der Regierung, der Großen Koalition gegen den Streik der Lokführer und des Zugpersonals. Unterstützt wurden sie auch von den Medien. Der SPD-Wirtschaftsminister und Parteivorsitzende Sigmar Gabriel tönte: ”Was derzeit passiert, ist ein Missbrauch des Streikrechts.” Somit wurde die Notwendigkeit eines Gesetzes zur Tarifeinheit begründet.
In den Resolutionen des Kleinen Gewerkschaftstages der EVG heißt es zum Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes, dass die EVG den in der jetzigen Form vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung ablehnt. Doch wird so nicht auch signalisiert, dass die EVG nicht grundsätzlich gegen ein staatliches Eingreifen in die Tarifautonomie ist?
Deshalb möchten wir folgende Überlegungen in unseren Gewerkschaften zur Diskussion stellen:
1. Wir meinen, dass die Gewerkschaften grundsätzlich jeden Versuch eines staatlichen Eingriffs in die Tarifautonomie klar zurückweisen müssen.
2. Über eine Tarifeinheit im Betrieb haben allein die KollegInnen und ihre Gewerkschaften zu bestimmen.
In Bezug auf das Streikrecht teilen wir die Einschätzung der Gewerkschaften ver.di, GEW und NGG. Mit dem Gesetzentwurf ist das Streikrecht der Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG bedroht. Es ist damit ein Angriff auf die Koalitionsfreiheit, auf die Tarifverhandlungs- und Vertragsfreiheit.
Wir glauben, dieses Tarifeinheitsgesetz ist nicht nur ein Angriff auf das Streikrecht von Minderheitsgewerkschaften im Betrieb und in einer Berufs- und Beschäftigungsgruppe. Es fördert betriebliche Tarifverhandlungen und Tarifverträge zum Schaden der Zersplitterung des Flächentarifvertrags, wovon wir bei der Deutschen Bahn mit ihren hunderten Betrieben zweifellos hart betroffen sein werden.
Im Namen der Verhältnismäßigkeit zur Wahrung des allgemeinen Interesses greift das Gesetz das Streikrecht aller Gewerkschaften und Kollegen an.
Es ist die Bundesregierung, die mit ihrer Kaputtsparpolitik die Verantwortung dafür hat. Die Beschäftigten werden in den Streik gezwungen. Wie bei der Bahn so auch in den kommenden Tarifkämpfen beispielsweise im Öffentlichen Dienst. Mit dem Gesetz gibt sich die Regierung das Mittel, im Namen der Wahrung des allgemeinen und öffentlichen Interesses, d.h. der Schuldenbremse und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, einen Streik zu verbieten.
Wir meinen, dass diese Fragen dringend in unseren Gewerkschaften diskutiert werden müssen.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Ablehnung des Tarifeinheitsgesetzes durch die GDL, wie auch die Stellungnahme des stellvertretenden Vorsitzenden der EVG, des Kollegen Klaus-Dieter Hommel, der sich dem Focus gegenüber deutlich gegen die entsprechenden Regelungen ausgesprochen hat: Finger weg von jeder Regelung, die die Tarifautonomie einschränkt Wir wollen nicht, dass das Streikrecht berührt wird.
Gleichzeitig wenden wir uns an alle Kolleginnen und Kollegen, die diesen staatlichen Angriff auf das Streikrecht, auf die Koalitionsfreiheit, auf die Tarifverhandlungs- und Vertragsfreiheit, zurückweisen wollen, die Unterschriftensammlung von ver.di
zu unterstützen.
Bitte unterschreibt auf der Homepage von ver.di unter folgendem Link:
www.verdi.de/themen/geld-tarif/tarifeinheit
Kerstin Fürst und Marcel Prange, Berlin