Protest
gegen Streichung der Nachtzugverbindung Hamburg-Paris
„Wir
wollen nach Paris und nicht an die Börse“
Wenn am heutigen Freitag am 20.24 Uhr der internationale Nachtzug CityNightLine (CNL) 236 zum letzten Mal vom Hamburger Hauptbahnhof in Richtung Brüssel und Paris abfährt, dann geht ein jahrzehntelanges Kapitel direkter Schlafwagenverbindungen zwischen der Elbe und Seine zu Ende. Hamburg verliert mit dem Fahrplanwechsel zudem auch andere direkte Nachtzugverbindungen in alpine Wintersportgebiete.
Diese Streichungen haben in Hamburg Proteste ausgelöst und dürften am heutigen Freitag auch einige Hamburger Eisenbahnfreunde, Nachtzug-Fans und ehemalige Mitarbeiter dazu veranlassen, dem CNL 236 sein letztes Geleit zu geben und vom ihm gebührend Abschied zu nehmen. Dabei dürfte es auch ein starkes mediales Interesse geben. „Dieser sehr beliebte Zug war eine Institution: er fuhr jeden Abend von der norddeutschen Metropole Hamburg über Bremen, Osnabrück und Brüssel in die französische Hauptstadt Paris und gehörte damit jahrzehntelang unumstritten in den Hamburger Fahrplan!“, heißt es in einem Flugblatt kritischer Hamburger Eisenbahner, das in Hamburg die Runde macht: „Aber die Betreiber – die DB Autozug GmbH – meinen, er lohne sich wirtschaftlich nicht, obwohl der Zug immer gut besucht war“, geben die Eisenbahner zu bedenken, die über viele Jahre auf dem Nachtzug im Einsatz waren.
Zwar können Nachtreisende von Hamburg nach Paris laut DB-Fahrplanauskunft künftig bis Hannover reisen und dort in einen Schlafwagenzug nach Paris umsteigen. Doch abgesehen von dem Komfortverlust, den jedes Umsteigen mit sich bringt, lässt die neue Nachtverbindung von Berlin über Hannover nach Paris künftig die belgische und Europa-Metropole Brüssel rechts liegen und fährt stattdessen die Unterwegsbahnhöfe Saarbrücken und Metz an. Viele in europäischen Institutionen oder sonstwo in Brüssel tätige Menschen und Wochenendpendler aus Norddeutschland hatten nach Angaben des Bordpersonals diese Nachtverbindung bis Brüssel genutzt und haben nun das Nachsehen.
Die
Nachtzugmitarbeiter protestieren im Vorfeld des Fahrplanwechsels
gegen den mit der Streichung einer bequemen und umweltschonenden
Reiseverbindung verbundenen
Abbau von Arbeitsplätzen. Sie bemängeln bei den Managern
der DB
Autozug GmbH ein „kurzfristiges,
rein betriebswirtschaftliches Denken, das zur Ausdünnung der
Strecken“ verleite. Dies erfolge „ganz offensichtlich nur
deshalb, um potentiellen Investoren einer künftigen Börsenbahn
nur hochlukrative Strecken anbieten zu können und somit zu mehr
Rendite zu
verhelfen.“ Der Citynightline nach Paris sei damit „als
Opfer des geplanten Börsengangs der Bahn
zu verstehen!“ Daraus leiten die protestierenden Bahner die
Parole ab: „Wir wollen nach Paris und nicht an die
Börse!“
Während sich die Trauernden vom CNL 236
verabschieden, feiert das offizielle Hamburg an diesem Wochenende
groß die neu erbaute Eisenbahn-Direktanbindung des
internationalen Flughafens Hamburg-Fuhlsbüttel. Dadurch können
Flugreisende ab sofort umsteigefrei in rund 25 Minuten mit der S-Bahn
vom Hamburger Hauptbahnhof bis zur Station Hamburg Airport
durchfahren. Dies passt in das seit Jahren von DB-Chef Hartmut
Mehdorn verfolgte Konzept von der Deutschen Bahn als bequemem
Zubringer für den Luftverkehr. Es dürfte mit dazu
beitragen, dass Reisende aus Nordeutschland, die bisher den Nachtzug
nach Brüssel oder Paris benutzt haben, künftig noch eher
auf das Flugzeug umsteigen und der Bahn als Kunden im internationalen
Fernverkehr verloren gehen.
Hans-Gerd Öfinger, 12. Dezember 2008