„Das ist die Überheblichkeit der Parteielite gegenüber den Mitgliedern“
Notfalls mit SPD-Sonderparteitag die Privatisierung stoppen

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Interview mit Detlev von Larcher, MdB von 1990 bis 2002, Mitinitiator der Unterschriftenkampagne „Sozialdemokraten gegen Bahnprivatisierung“, langjähriger Koordinator der Parteilinken und Mitglied des Koordinierungskreises von Attac Deutschland.

Sie sind grundsätzlicher Kritiker einer Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB) und Mitinitiator der Unterschriftenkampagne „Sozialdemokraten gegen Bahnprivatisierung“. Sind Sie mit dem Echo zufrieden? Wie repräsentativ ist diese Unterschriftenkampagne für die SPD-Mitgliedschaft?

Mit dem Echo bin ich hoch zufrieden. Wenn weit über 2000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in so kurzer Zeit unterschreiben, obwohl die Werbung dafür „von Hand gemacht“ war, dann zeigt das den großen Widerstand an der Basis der SPD gegen die Bahnprivatisierung. Es haben einfache Mitglieder, Orts- und Kreisvorstände, Bürgermeister, Mitglieder von Kommunalparlamenten, Landtags- und Bundestagsabgeordnete unterschrieben. Repräsentativ war die Kampagne nicht im statistischen Sinn, sondern inhaltlich. Aber auch Umfragen unter SPD-Mitgliedern haben gezeigt, dass nahe 70 % die Privatisierung ablehnen. Das zeigt ja auch der Beschluß des Parteitages, obwohl die Parteispitze klare Anträge mal wieder aufweichen konnte.

Der SPD-Bundesparteitag in Hamburg Ende Oktober 2007 hat sich gegen eine Zerschlagung der DB ausgesprochen und gefordert, Bahnaktien nur als stimmrechtslose Vorzugaktien bzw. „Volksaktien“ zu verkaufen. Damit soll eine Einflussnahme privater Finanzinvestoren verhindert werden. War dies nicht schon ein unnötiges Zugeständnis an die Privatisierungslobby?

Ja, ich hätte es, wie mein ehemaliger Kollege Peter Conradi auch, besser gefunden, der Antrag Nr. 19 aus Berlin mit seiner klaren Ablehnung jedweder Privatisierung der Bahn wäre beschlossen worden. Und seine Warnungen vor dem verabschiedeten Antrag waren, wie sich schnell zeigte, richtig. Aber der Parteivorstand wollte keine klare Ablehnung, sondern eine Erlaubnis für Verhandlungen mit der CDU und dem Bahnvorstand und einem sich anschließenden Prüfungsverfahren. Leider ist er damit durchgekommen.

Nun deuten aktuelle Meldungen darauf hin, dass das DB-Management mit der Rückendeckung durch die SPD-Minister Wolfgang Tiefensee und Peer Steinbrück im Hauruckverfahren eine Teilprivatisierung des Transportbereichs durchdrücken will und „Volksaktien“ nicht mehr vorgesehen sind. Dies wäre ein glatter Bruch des Parteitagsbeschlusses. Wird sich die SPD-Basis dies gefallen lassen?

Ich finde es eine Unverschämtheit und eine Missachtung des Parteitages, wie die beiden Minister vorgehen. Das ist die Überheblichkeit der Parteielite gegenüber den Mitgliedern, die Gerhard Schröder in Perfektion gezeigt hat. Ich hoffe, die Basis wird sich das nicht gefallen lassen. Es regt sich ja schon massiv Widerstand.

Steinbrücks Holding-Modell bedeutet zudem eine Ausschaltung des Parlaments. Ist dies überhaupt zulässig?

Ob es juristisch zulässig ist, ist sehr umstritten. Politisch ist es überhaupt nicht zulässig. Und das Parlament täte sich und der parlamentarischen Demokratie einen Bärendienst, wenn es sich das gefallen ließe.

Im aktuellen Wahlkampf in Hamburg hat sich der SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann den Kampf gegen die Privatisierung von landeseigenen Unternehmen auf die Fahnen geschrieben. Warum opponiert er nicht auch gegen die Mega-Privatisierung des Jahrhunderts – die Bahnprivatisierung?

Das ist eine gute Frage, die ihm die Hamburger auch stellen sollten. Ich  könnte da nur spekulieren, das will ich nicht tun. Aber klar ist: im Wahlkampf liegt Michael Naumann natürlich das landeseigene Hemd näher als der Bundesrock.

Nun blicken viele privatisierungskritische Sozialdemokraten auf die nächste Sitzung des Parteirats am 3. März. Welche Beschlüsse erwarten Sie im Zusammenhang mit der Bahnprivatisierung von diesem Gremium? Wie werden Sie persönlich Druck ausüben?

Ich erwarte eine massive Kritik am Vorgehen der beiden Minister und eine klare Ablehnung der Pläne, wie wir sie jetzt kennen. Ich erwarte eine klare Bestätigung des Parteitagsbeschlusses. Sollte das nicht ausreichen, muss die Parteilinke dafür sorgen, dass der anvisierte Sonderparteitag stattfindet. Ich selbst werde mich an die Parteiratsmitglieder wenden und mit dem Bündnis Bahn für alle den Druck verstärken, indem wir erneut zur Verteidigung der öffentlichen Bahn aufrufen.

DB-Chef Mehdorn und Minister Tiefensee behaupten, ohne „frisches Kapital“ könne sich der Bahnkonzern international nicht behaupten. Können Sie dies nachvollziehen?

Die Bahn braucht in der Tat frisches Geld für die notwendigen Renovierungsarbeiten am und den weiteren Ausbau des Schienennetzes und des Fuhrparks. Ich sehe die primäre Aufgabe der Bahn hier in Deutschland in Kooperation mit den europäischen Eisenbahnen. Das Geld könnte am einfachsten durch eine verzinsliche Anleihe besorgt werden, dazu brauch es keinen Verkauf von Aktien. Geld für die Global-Player-Fantasien Hartmut Mehdorns darf es nicht geben.

Interview: Hans-Gerd Öfinger, 13.2.2008

Detlev von Larcher, Sozialdemokraten gegen Bahnprivatisierung