Börsengang nicht mehr auf der Tagesordnung“
Tiefensees Kurswechsel – was steckt dahinter?

Startseite


Mit seiner demonstrativen Distanzierung von DB-Chef Hartmut Mehdorn und seinem „plötzlichen Sinneswandel“ in der Frage eines Bahn-Börsengangs verfolgt Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mehrere Ziele. Wir berichtet hatte der Minister in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am Wochenende in mehreren Punkten heftige Kritik am Verhalten und Kurs des Bahnchefs geäußert und das Ziel einer Kapitalprivatisierung der noch zu 100% bundeseigenen DB AG in weite Ferne gerückt: „Aus meiner Sicht steht ein Börsengang nicht mehr auf der Agenda.“

Mit dieser Aussage dürfte Tiefensee die überwiegende Stimmung an der SPD-Basis erfasst haben. Für den außerordentlichen SPD-Bundesparteitag im Juni, der die Partei auf die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs einstimmen und das Wahlprogramm verabschieden soll, bereiten Untergliederungen der Partei dem Vernehmen nach bereits massenhaft Anträge vor, die einen Verzicht auf jede Form der Kapitalprivatisierung verlangen. In diesem Sinne haben sich bereits der Landesverband Baden-Württemberg und der nordhessische Bezirksvorsitzende Manfred Schaub positioniert. Beim letzten ordentlichen Bundesparteitag im Oktober 2007 hatte die Regie nur mit Müh und Not eine klare einschlägige Beschlussfassung verhindert, obwohl die meisten Delegierten überhaupt keine Privatisierung wolten. Dabei war der seinerzeitige Vorsitzende des Bahngewerkschaft TRANSNET, Norbert Hansen, in der Debatte als Kronzeuge für die Privatisierung aufgetreten. Hansen, der ein halbes Jahr später in den Bahnvorstand überwechselte, ist inzwischen in weiten Teilen der SPD-Basis diskreditiert.

Tiefensee hatte als Verfechter des Börsengangs bei den Parteitagsdelegierten wenig Anklang gefunden und war erst im zweiten Wahlgang mit Ach und Krach in den Parteivorstand gewählt worden. Wenn er jetzt schon Monate vor dem Parteitag in dieser für etliche SPD-Mitglieder sensiblen und schicksalshaften Frage sich klar positioniert und den Börsengang für die kommende Legislaturperiode aussschließt, dann ist dies auch seinem politischen Selbsterhaltungstrieb geschuldet, zumal sein Ministersessel in den letzten Monaten und Jahren mehrfach gewackelt hat. Nachdem Mehdorn mit seinen jüngsten Ausfällen gegen die als Aufklärer in der aktuellen Bahn-Schnüffelaffäre tätigen Anwälte und früheren Bundesminister Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin Unverständnis und Empörung ausgelöst hat, will sich Tiefensee nun rechtzeitig von Mehdorn absetzen, um nicht mit ihm vielleicht doch bald in den Abgrund gerissen zu werden.

Zudem ist die SPD kurz vor der Wahl wieder dringend auf der Suche nach Profil, mit dem sie sich von den Bürgerlichen und von ihrer eigenen Regierungspolitk absetzen und Stimmen fangen kann. Ausgerechnet ein eingefleischter Neoliberaler wie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück kann sich nun zugute halten, dass er quasi im Alleingang Mitte Oktober per SMS an Mehdorn den Börsengang abgeblasen hat. Er hat einen Riecher und ahnte damals, was für einen politischen Flurschaden das von Mehdorn fanatisch betriebene Verscherbeln von Bahnaktien auf Teufel komm raus vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise angerichtet hätte.

Tiefensee, der bis vor kurzem die Beteiligung von privatem Kapital geradezu als Schicksalsfrage für das Überleben des „Global Players“ Deutsche Bahn dargestellt hatte, stellt nun lakonisch fest,, dass der Börsengang „nie Selbstzweck“, sondern lediglich „ein Instrument“ gewesen sei, um fünf Milliarden aufzubringen. Dieser Betrag, so der Minister, werde „nun anders“ erreicht: „Wir werden aller Voraussicht nach der Bahn eine Eigenkapitalspritze aus dem eigenen Gewinn geben können, und werden aus dem Konjunkturpaket 1500 kleine und mittlere Bahnhöfe sanieren und den Lärmschutz verbessern. Diese Ziele sind also weitgehend erreicht.“ So einfach geht das. Warum denn nicht gleich, wird sich da ein lesender Eisenbahner fragen? Warum erst hunderte Millionen Euro für Umstrukturierungen und Nebenkosten des Börsengangs, für Anwälte, Berater und Konsortialbanken in den Sand setzen und dann feststellen, dass die ganze Veranstaltung „unnötig“ ist?

Hans-Gerd Öfinger, 18.3.2009

Startseite