Vor neuen
GDL-Streiks: |
Zurück zur Startseite | ||
Beides hängt
miteinander zusammen und beides wird schwere Folgen haben. Doch auf den aktuellen
Internetseiten und in den Publikationen der deutschen Bahngewerkschaften ist von diesen
Beschlüssen und ihrer Tragweite überhaupt nicht oder nur beiläufig die Rede. Mit der
Liberalisierung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenfernverkehrs ab 2010 drohen bei
bisher staatlichen Bahnen Lohn- und Sozialdumping, Arbeitsplatzverlust und
Privatisierungsdruck. Dass Liberalisierung kein Naturereignis ist, das man einfach über
sich ergehen lassen muss, wissen Europas Hafenarbeiter sehr gut. Von Hamburg bis Palermo
haben sie und ihre zuständigen Gewerkschaften in den letzten Jahren erfolgreich gegen die
Versuche der EU-Kommission, das sogenannte Port Package II durchzusetzen, mobilisiert,
demonstriert und gestreikt. Unter diesem Druck wagten es auch viele konservative und
bürgerliche Europaabgeordnete nicht, dem Port Package II zuzustimmen. Nun warnen auch
französische und britische Bahngewerkschaften vor dem Dritten EU-Eisenbahnpaket und
drängen auf EU-weite Aktionen. Doch die deutschen Gewerkschaften bleiben still und stumm. Der Vorstand der
größten Bahngewerkschaft Transnet stützt die größenwahnsinnige Absicht von DB-Chef
Mehdorn, die DB mit Privatkapital zum Global Player der Logistik zu machen, der Bahnen in
ganz Europa aufkauft und die Meere und Lüfte beherrscht. Die im Dritten Eisenbahnpaket
vorgegebene weitere Öffnung und Liberalisierung dient dabei als willkommener Vorwand, um
den DB-Konzern zu privatisieren und mit angeblich frischem Kapital europaweit
auf Einkaufstour zu gehen und dabei vor allem der französischen Staatsbahn SNCF Paroli zu
bieten. Ein gigantischer Konkurrenzkampf zwischen DB und SNCF auf dem Rücken der
Beschäftigten zeichnet sich ab, in dem es viele Verlierer geben wird. Keiner soll sich
einbilden, Arbeitsplätze, Löhne und Sozialleistungen in Deutschland seien sicher, wenn
das Mehdorn-Management wie verrückt die S-Bahnen in Prag und Lyon, osteuropäische
Bahnen, die britische Güterbahn EWS, Speditionen, Schiffahrts- und Fluggesellschaften in
aller Welt aufkauft. Die für die Einkaufspläne erforderlichen (nach Insiderangaben) rund
60 Milliarden Euro wird der Bahnvorstand vor allem durch Auspressen der Arbeitskraft und
durch Verkauf von Töchterunternehmen und Teilbetrieben auftreiben und nur zu einem
geringen Teil durch den Verkauf von Aktien. Denn seriöse Schätzungen gehen davon aus,
dass 49% der DB-Aktien weit weniger als 10 Milliarden Euro Erlös einbringen werden,
wenngleich Infrastruktur, Immobilien und Rollmaterial der Deutschen Bahn AG weit über 150
Milliarden Euro wert sind. Eine gigantische Verschleuderung von öffentlichem Vermögen. Einen Vorgeschmack
bietet der erst kürzlich beschlossene Verkauf des Ostseefährbetreibers Scandlines und
der DB-Immobilientochter Aurelis. Offensichtlich hat der DB-Aufsichtsrat auch mit den
Stimmen der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter wie auch der Vertreter der
Bundesregierung diesen Verkäufen zugestimmt, obwohl sie alle immer wieder versprechen,
dass der einheitliche Bahnkonzern nicht zerschlagen werden dürfe und obwohl
sie zusammen eine Mehrheit im DB-Aufsichtsrat hätten und durch ein beherzter Nein
eine solche Zerschlagung verhindern könnten. So drohen auch anderen Belegschaften von
DB-Töchtern, die sich jetzt im DB-Konzern gut aufgehoben und sicher wähnen,
noch unangenehme Überraschungen. Aufregung über den
GDL-Streik Jetzt herrscht wieder
Aufregung in Deutschland, weil die Lokführergewerkschaft GDL (ein Ableger des Deutschen
Beamtenbunds) für den kommenden Freitag, 5. Oktober 2007, zu einem neuen Streik für die
Durchsetzung eines separaten Spartentarifvertrags für das Fahrpersonal und kräftige
Lohnerhöhungen aufruft. Schon im Sommer hatte das DB-Management vielfach Gerichte
bemüht, um der GDL den Streik zu untersagen. Dieser Angriff auf das Streikrecht hatte
weit über die GDL-Mitgliedschaft hinaus auch bei kritischen Arbeitsrechtlern und im DGB
zu Recht Empörung ausgelöst. Kein Gewerkschafter darf still mit ansehen, wie sich ein
Gericht erdreistet, einen Arbeitskampf zu verbieten, weil dieser wirtschaftlichen Schaden anrichtet;
schließlich ist es Sinn und Zweck jedes (ökonomischen) Arbeitskampfes, durch das
Druckmittel wirtschaftlichen Schadens handfeste Verbesserungen für abhängig
Beschäftigte zu erreichen. Bei einer
Pressekonferenz am Montag kritisierte der GDL-Bundesvorsitzende Manfred Schell, dass
DB-Chef Hartmut Mehdorn rasch an die Börse und gleichzeitig den Exitus der GDL
herbeiführen wolle. Auf die Frage, ob die GDL den angekündigten Streik denn nicht auch
als eine Demonstration gegen die Privatisierung aufziehen, also die Publicity eines
Streiks nutzen wolle, um die Bevölkerung gegen die Privatisierung aufzurütteln, winkte
Schell indes ab: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Dies ist extrem
kurzsichtig, denn die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für alle Eisenbahner
nicht nur für die Lokführer in den letzten 10 Jahren hat sehr wohl etwas mit
Mehdorns Börsenwahn und mit der Liberalisierung zu tun. Bei genauerer Betrachtung hat die
GDL indes schon im Juli und August die große Chance verpasst, ihre Mitglieder als
Bannerträger gegen die Privatisierung einzusetzen und über die vielen auf sie
gerichteten Kameras und Mikrofone eine Botschaft gegen die Privatisierung an die Republik
zu senden und die Bevölkerung aufzuklären. Aber so ist das, wenn man nicht über den
Tellerrand einer einzelnen Berufsgruppe hinausblickt und sich gar einredet, die GDL werde
Gewinner der Privatisierung sein (GDL-Organ VORAUS Mai 2007) und hätte nichts
von einem Börsengang der DB zu befürchten, nur weil derzeit ein Mangel an ausgebildeten
Lokführern besteht und man durch Druck den Wert der Arbeitskraft erhöhen könne. Ein GDL-Vollstreik in
Verbindung mit massiver Aufklärung der Öffentlichkeit über die schädlichen Folgen der
Bahnprivatisierung für EisenbahnerInnen, NutzerInnen und Allgemeinheit könnte Mehdorns
Börsenpläne und den Privatisierungsprozess stark abbremsen. Doch die GDL-Führung, die
sich mit der Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag selbst unter Zugzwang
gesetzt hat, will vor allem mit Mehdorn auf gleicher Augenhöhe verhandeln und diesen
daher offensichtlich durch Privatisierungskritik nicht allzu sehr erzürnen. Zeigt uns das
Land, wo das funktioniert, was ihr immer propagiert, fragen wir die Befürworter der
Bahnprivatisierung. Dieses Land gibt es nicht. Nirgendwo auf der Welt sehen wir positive
Vorbilder für eine Bahnprivatisierung. Dafür aber viele abschreckende Beispiele
von Großbritannien über Estland, Neuseeland bis Argentinien. Es ist 5 Sekunden vor
12. Nur geschlossenes Handeln aller Bahngewerkschaften, das alles Trennende beiseite
schiebt, kann Liberalisierung und Privatisierung stoppen. Hans-Gerd Öfinger |