BenQ ist überall
Privatisierung der Deutschen Bahn -  die Zerschlagung hat längst begonnen

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Die Führung der Eisenbahnergewerkschaft Transnet will bei der Wahl eines Großaktionärs an der Deutschen Bahn AG mitreden und dabei verhindern, dass ein „allein renditeorientierter Anleger“ zum Zuge kommt. Wie der Gewerkschaftsvorsitzende Norbert Hansen  zum Jahreswechsel in einem Presseinterview forderte, solle der Bund einen Geldgeber suchen, der sein Kapital „langfristig und sicher anlegen“ wolle und der an der strategischen Entwicklung des Unternehmens interessiert sei. Geeignet dafür wären etwa große Pensionsfonds oder Konzerne aus den Bereichen Transport, Logistik oder Dienstleistungen. „Ein reiner Finanzinvestor, der pro Jahr 15 Prozent Rendite sehen will und kein Interesse an einer Weiterentwicklung der Bahn hat, kommt nicht in Frage“, erklärte Hansen.

Mit dieser Aussage bekräftigte Hansen seine Bereitschaft, weiter zusammen mit der Bundesregierung und DB-Chef Mehdorn den Weg der Privatisierung zu beschreiten, obwohl er dazu weder von einem Gewerkschaftstag noch von einer breiten Befragung seiner Basis ermächtigt wurde. Ob Hansen, dem manche Eisenbahner Ambitionen auf einen künftigen DB-Management-Posten nachsagen, mit seiner Warnung vor „reinen Finanzinvestoren“ und der Differenzierung zwischen „guten“ und „allein renditeorientierten“ Kapitalbesitzern die Zweifel seiner Basis am Sinn an einer Privatisierung entkräften konnte, ist fraglich. Nach wie vor wächst das Unbehagen von Eisenbahnern, die auf sich ähnliche Probleme zukommen sehen wie die Beschäftigten bei Post, Telekom und BenQ.

Hansens Warnung vor den Folgen einer Renditeorientierung kommt zudem reichlich spät. Als der Delegierte und Privatisierungskritiker Alfred Lange beim Gewerkschaftstag 2004 warnte, dass US-amerikanische Investmentfonds als mögliche Anleger keinesfalls Bahnaktien kaufen würden, weil ihnen an umweltfreundlichem Verkehr oder sicheren Eisenbahnerarbeitsplätzen in Mitteleuropa gelegen sei, widersprach ihm niemand in der Sache, auch Hansen nicht. Lange musste sich vielmehr belehren lassen, dass die Bahn ohne „frisches Kapital“ nicht zukunftsfähig sei und schon ganze Staaten an privatisierungskritischem „Dogmatismus“ untergegangen seien.

Heuschrecken von innen

Befürworter einer Teilprivatisierung der DB wie Hansen und der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel wollen Kritiker mit dem Hinweis beruhigen, dass bei einem Börsengang der DB die Aktienmehrheit in Bundesbesitz verbleibe. Doch ihre Warnungen vor einem „falschen“ Investor zeigen, dass auch schon nach einer Teilprivatisierung von bis zu 49 Prozent der Aktien keine „heile Welt“ mehr angesagt ist. Denn was Privatisierung und Zerschlagung entgegen anfänglicher Versprechungen bewirkt und wie auch „Heuschrecken von innen“ zuschlagen können, das haben (ehemalige) DB-Beschäftigte schon längst am eigenen Leib erfahren. So gliederte das Mehdorn-Management 2001 das profitable und mit vollen Auftragsbüchern operierende Bahn-Fernmeldewerk München-Aubing als GmbH aus dem DB-Konzern aus und verkaufte 49% der Aktien für 100.000 Euro an zwei Gesellschafter, darunter den damaligen Werksleiter Ronald Kossatz, einen beurlaubten Bahnbeamten. DB-Beschäftigten, die nicht in die GmbH überwechseln wollten, wurde nach Belegschaftsangaben mit Kündigung gedroht. Bis Ende 2002 gab der DB-Konzern dann hinter dem Rücken der Belegschaft die restlichen Anteile aus der Hand und machte Kossatz zum Alleinherrscher. Dieser entzog dem – in „Repaircenter Fürstenfeldbruck“ umbenannten – Betrieb nach Belegschaftsangaben Schritt für Schritt zweistellige Millionenbeträge, ohne Rücklagen für Investitionen zu bilden oder die Kritik von Betriebsrat und Belegschaft ernst zu nehmen. Jetzt droht den über 100 verbliebenen Beschäftigten ab Februar 2007 als Folge der Insolvenz von RCF die Arbeitslosigkeit. „BenQ ist überall“, heißt es in einem Hilferuf der Belegschaft.

Nicht viel besser erging es zuvor schon den Beschäftigten im ehemaligen DB-Ausbesserungswerk Weiden (Oberpfalz), das in den 90er Jahren zunächst als „Joint Venture“-Unternehmen PFA (Partner für Fahrzeugausstattungen GmbH) mit 51prozentiger Anteilmehrheit der DB höchst erfolgreich Interregio-Waggons aufmöbelte und schließlich in den Besitz der „Alpha-Bravo-Investment“ auf den niederländischen Antillen geriet, die durch massive Geldentnahmen die Firma in den Konkurs trieb. Hatte die PFA einst über 1000 Beschäftigte in Weiden, so sind es derzeit nur rund 80, die hier für das schweizerische Waggonbau-Unternehmen Stadler arbeiten.

Hans-Gerd Öfinger

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