Börsengang verschoben, aber:
Es besteht weiter Verschleudergefahr!


Mit der Verschiebung des für den 27. Oktober vorgesehenen Börsengangs der Bahn-Transportsparte DB Mobility Logistics AG hat der Lenkungsausschuss der Bundesregierung am Donnerstag, 9. Oktober 2008, in letzter Minute die Notbremse gezogen. Bei dem schon seit längerem vereinbarten Gesprächstermin wollten die Vertreter von Bundesregierung, Bahnmanagement und Banken eigentlich routinemäßig Details des Gangs aufs Parkett in zweieinhalb Wochen besprechen. Nun kam es anders als gedacht.

Der Druck, unter dem sich der Lenkungsausschuss nun zu einer Verschiebung des Vorhabens genötigt sah, hatte sich in den vergangenen Tagen systematisch aufgebaut. So hatten Politiker aller Parteien, darunter auch Unionspolitiker wie die Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt und Hessen, Daehre und Rhiel, vor zu geringen Erlösen aus dem Aktienverkauf gewarnt und sich zumindest für eine vorübergehende Aussetzung des Börsengangs ausgesprochen. CDU/CSU-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich hatte noch am Mittwoch versucht, mit dem Vorschlag eines Börsengangs light, also der Veräußerung von weniger als den vorgesehenen 24,9% der DB ML-Aktien, wenigstens den Einstieg in die Teilprivatisierung zu retten. Auch DB-Chef Mehdorn, der nun offenbar von Finanzminister Steinbrück fürs Erste ausgebremst wurde, hatte bis zuletzt „Business as usual“ verfochten und scheinbar unbekümmert den Börsenkurs verfochten. Er war offensichtlich bereit, die Aktien um fast jeden Preis zu verkaufen und zum Ende seiner Karriere seinen Lebenstraum ohne Rücksicht auf Verluste durchzudrücken und so privaten Anlegern neue „sichere“ Anlagemöglichkeiten zu öffnen.

Es gäbe „kein Geld zu verschenken“, hieß es gestern hingegen im Umfeld des Lenkungsausschusses. Die Angst, sich im Wahljahr für ein Verhökern von öffentlichem Eigentum verantworten zu müssen, steckt auch privatisierungsfreundlichen Koalitionspolitikern in den Knochen. „Staatseigentum darf man nicht verschleudern“, so der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer. Die Wähler würden dann „zu Recht kritisch nachfragen“, warnte der Sozialdemokrat. „Wir wollen den Börsengang in diesem Jahr, wir dürfen die Bahn aber nicht verscherbeln“, gab auch der Unions-Haushaltsexperte Steffen Kampeter zu Bedenken.

Auch die Tatsache, dass das Mainzer Solarunternehmen Schott Solar seinen Börsengang kurzfristig absagte, hat den Druck auf Mehdorn erhöht. Selbst die russische Staatsbahn RZD, die seit längerem als Kaufinteressent für deutsche Bahnaktien im Gespräch ist und für Bahnchef Mehdorn als ein willkommener und wichtiger potenzieller „strategischer Partner“ gilt, hatte laut Medienberichten erst vor kurzem den eigenen Börsengang verschoben. So wurde RZD-Chef Wladimir Jakunin unlängst in der Financial Times Deutschland mit der Aussage zitiert: „Ich werde wertvolle Güter nicht unter Preis verkaufen. Wir sind nicht unter Druck. Ich warte, bis die Märkte besser dastehen.“

Unterdessen wies das Anti-Privatisierungsbündnis „Bahn für Alle“ darauf hin, dass auch bei einem möglichen Verkaufserlös von über 5 Milliarden Euro „Verschleudergefahr“ für die Bahn bestünde. Denn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beziffere in seiner von der Bundesregierung herausgegebenen Statistik das Bruttoanlagevermögen der Bahn-Transportsparte für 2006 mit 56 Milliarden Euro. Das für den Börsengang vorgesehene Viertel sei demnach 14 Milliarden Euro wert. Daher sei eine Verschiebung des Börsengangs auf frühestens November „vollkommen halbherzig“, heißt es in einer aktuellen Erklärung des Bündnisses (siehe unten).

Jetzt erst recht: 
Weitermachen im Widerstand gegen den Börsenwahn! 
Börsengang jetzt nicht und überhaupt nicht!

Von Hans-Gerd Öfinger, 9. Oktober 2008



Pressemitteilung
"Bahn für Alle"
Hamburg, 09. Oktober 2008

* Bündnis Bahn für Alle feiert  Aussetzen des Börsenganges der Bahn
* Nach Aufgeschoben muss Aufgehoben kommen

Der Börsengang der Bahn wird verschoben. Dazu Winfried Wolf für das 
Bündnis "Bahn für Alle": "Das ist  wirklich ein Grund zu feiern!" Bahn 
für Alle begrüßt, dass die die Bahn, zentrales Element der 
Daseinsvorsorge, zunächst nicht auch noch in den Börsenstrudel geworfen 
wird. Dazu Wolf: "Das ist bei allem Schlimmen, was diese Finanzkrise mit 
sich bringt und vermutlich noch bringen wird, für die Bürger eine gute 
Meldung."

Nach Meinung des Bündnisses "Bahn für Alle" ist eine Verschiebung etwa 
auf November halbherzig. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 
beziffert das Bruttoanlagevermögen der Bahn-Transportsparte für 2006 mit 
56 Milliarden Euro. Das für den Börsengang vorgesehene Viertel ist 
demnach 14 Milliarden Euro wert. Wenn im November aufgrund einer kurzen 
Pause im Sturm fünf Milliarden Euro an Investorengeldern zusammenkommen 
anstelle der jetzt befürchteten vier, so stellt das nach wie vor eine 
beispiellose Verschleuderung von Steuergeldern dar.

Bahn für Alle meint: Die Bahn ist das Rückgrat eines öffentlichen 
Verkehrssystems. Sie muss gegenüber den anderen Verkehrsträgern massiv 
gefördert werden und nicht an der Börse verhökert - weder jetzt noch in 
Zukunft.

Bahn für Alle fordert: Der Bahnbörsengang muss ganz ausgesetzt werden, 
seine Grundlagen müssen öffentlich neu debattiert werden. Dazu Carl 
Waßmuth, attac-Vertreter im Bündnis Bahn für Alle:  "Wer behauptet, der 
Bahnbörsengang dürfe nicht im Wahlkampf zerrieben werden, der gräbt vor 
aller Augen an den Grundfesten unserer Demokratie." Bahn für Alle 
fordert die Politik auf, sich der Frage des öffentlichen Verkehrs und 
der dafür sinnvollen Struktur im Wahlkampf zu stellen.


"Bahn für Alle" setzt sich seit drei Jahren ein für eine bessere Bahn in 
öffentlicher Hand.Entstanden als ein Bündnis von 16 Organisationen aus 
Globalisierungskritik, Umweltorganisationen, politischen Jugendverbänden 
und  Gewerkschaften, arbeitet "Bahn für Alle" heute als Zusammenschluss 
von Organisationen und lokalen Gruppen. Die Mitgliedsorganisationen 
sind: Attac, "Bahn von unten", BUND, Bundesverband Bürgerinitiativen 
Umweltschutz, Bürgerbahn statt Börsenbahn, die Grüne Jugend, die Grüne 
Liga, die IG Metall, Jusos in der SPD, Linksjugend Solid, NaturFreunde 
Deutschlands, Robin Wood, Sozialistische Jugend Deutschlands - Die 
Falken, Umkehr, VCD Brandenburg und Verdi.


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