Bricht TRANSNET mit dem DGB?

Zurück zur Startseite

Im Dezember 2006 feierte die DGB-Bahngewerkschaft Transnet ihr 110-jähriges Bestehen und erinnerte aus diesem Anlaß im Mitgliedermagazin inform an die schweren Anfänge des 1896 gegründeten Verbands der Eisenbahner Deutschlands im preußischen Obrigkeitsstaat. Der Verband schloss sich damals sogleich der Generalkommission der vereinigten Freien Gewerkschaften an, einer Vorläuferorganisation des Dachverbands ADGB und späteren DGB.

Das 111. Jahr ihrer Geschichte könnte der Organisation, die sich seit 2000 nicht mehr „Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands“, sondern „Transnet“ nennt, eine Weichenstellung weg vom DGB bringen. Während einzelne führende Transnet-Funktionäre betont sachlich einen möglichen Austritt der Organisation aus dem DGB erörtern, sind andere langjährige Transnet-Aktivisten über solche Gedankenspiele höchst beunruhigt und schlagen Alarm. Bislang finden solche Debatten weder in der Öffentlichkeit noch in den gewerkschaftseigenen Medien statt. Eine Klärung dieser Frage könnte ein außerordnetlicher Gewerkschaftstag im Sommer 2007 bringen.

Die Frage einer Zugehörigkeit zum DGB stellt sich aus der angedachten Vereinigung von Transnet und der Verkehrsgewerkschaft GDBA, die bislang dem Deutschen Beamtenbund (DBB) angehört. Beide Apparate wollen zusammengehen und damit eine lange gewerkschaftliche Konkurrenzsituation überwinden. Beide ziehen schon seit Jahren in den Bereichen Tarifpolitik und Öffentlicharbeit an einem Strang.

Viele überzeugte Einheitsgewerkschafter sehen darin – wie bei der Verschmelzung der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) mit vier DGB-Gewerkschaften zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Jahre 2001 – grundsätzlich einen positiven Ansatz. Der Haken dabei: Die DAG gehörte – anders als die GDBA – keinem mit dem DGB konkurrierenden Dachverband an, von dem sie sich hätte loslösen müssen. Und weil sich dies offenbar als sehr kompliziert erweist, entwarfen die Vereinigungsstrategen der beiden Bahngewerkschaften vorsorglich verschiedene Szenarien, bei denen eine mögliche Trennung von DGB ausdrücklich in Betracht gezogen wurde. Schon bei der Bundesbetriebsrätekonferenz seiner Organisation in Karlsruhe 2004 hatte der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen gedroht, seine Organisation werde notfalls ihren Weg auch ohne den DGB unbeirrt fortsetzen. Dies war auch ein Seitenhieb auf ver.di, denn beide DGB-Gewerkschaften zanken sich nach wie vor heftig um Mitglieder im Bereich der DB-Regionalbusgesellschaften.

Unruhe an der Basis

Solche Gedankenspiele beunruhigen die Basis. So kritisiert ein Positionspapier der Transnet-Bezirksjugendleitung Nord-Ost: „So können wir es nicht verstehen, dass jene Führungsvertreter bisweilen ganz offen über einen Austritt aus dem DGB nachdenken. Solch ein drastischer Schritt würde bei der Basis – also auch bei uns – sicherlich auf wenig Verständnis stoßen und wohl nicht ganz ohne Folgen bleiben.“ Auch Transnet-Senioren gehören zu den entschiedensten Kritikern eines Bruchs mit dem DGB.

„Lasst die Auflösung der Transnet nicht zu“, fordern gewerkschaftliche Vertrauenspersonen bei der Berliner S-Bahn einer aktuellen Resolution. Sie sehen einen Zusammenhang zwischen einem möglichen Austritt aus dem DGB und der unverhohlenen Zustimmung des Gewerkschaftsvorstands zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG stellen und laufen gegen beides Sturm: „Bekämpft mit uns in unserer gemeinsamen Gewerkschaft Transnet alle Privatisierungsbestrebungen und Ausgründungsvorhaben sowie die Trennung von Netz und Betrieb!“ Nur in der Einheitsgewerkschaft sei eine Verteidigung der Bahn gegen ihre Zerschlagung möglich.

Führende Transnet-Funktionäre verspüren hingegen wenig Bindung an den DGB. Anfang November war kein Vertreter von Transnet bei der Sitzung des DGB-Bundesvorstands anwesend. So kam die Verabschiedung einer Resolution gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn nur deshalb nicht zustande, weil die kleineren Gewerkschaften dies nicht ohne Transnet tun wollten. Die Vorsitzenden von DGB, ver.di und IG Metall wären zu einer klaren Positionierung gegen den Ausverkauf der Bahn bereit gewesen, die Transnet-Führung hingegen begrüßt die Richtungsentscheidung eines Koalitionsausschusses pro Privatisierung. Zwar hatten noch Ende Mai 2006 die Gewerkschaftsvorsitzenden Norbert Hansen (Transnet) und Frank Bsirske (ver.di) in einer gemeinsamen Erklärung festgestellt: „Die DB AG soll als integriertes Unternehmen im Staatseigentum erhalten bleiben und darf nicht zerschlagen werden.“ Doch solche Lippenbekenntnisse spielen für die Transnet-Führung jetzt keine Rolle mehr. Dass sich im November 2006 der DGB-Bundesjugendausschuss einstimmig gegen jede Form der Privatisierung der Bahn ausgesprochen hat und Ende Oktober auch der Deutsche Bundesjugendring einen ähnlichen Beschluss gefasst hat, blieb in den Transnet-Medien unerwähnt.

 

Hans-Gerd Öfinger

Zurück zur Startseite

www.bahnvonunten.de