SPD-Arbeitsgruppe betreibt die Zerschlagung und Privatisierung unserer Bahn
Grob fahrlässig

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Am Montag, 31.3.2008, hat sich eine SPD-Arbeitsgruppe Bahn konstituiert. Sie soll eine Entscheidung zur „Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG“ herbeiführen und damit grünes Licht für die Zerschlagung und Teilprivatisierung der Deutschen Bahn geben. Jetzt droht – noch im April 2008 – eine Weichenstellung, die für EisenbahnerInnen, Allgemeinheit und Umwelt erhebliche Nachteile bringt.

Nach dem „Holding-Modell“ von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sollen bis zu 49 Prozent der Aktien der bereits gegründeten neuen Finanzholding DB Mobility and Logistics AG, in der die Personen- und Güterverkehrssparte zusammengefasst ist, zügig an Private veräußert werden. Dies soll im Aufsichtsrat der DB AG und möglichst ohne großes Aufsehen geschehen, obwohl die meisten EisenbahnerInnen, SPD-Mitglieder und über 70 Prozent der Bevölkerung dagegen sind. Auch der Bundestag als direkt gewähltes Parlament hat keinen Einfluss darauf. Der Ausverkauf soll noch im Herbst 2008 beginnen.

Rendite über alles

Sobald private Investoren mit im Boot sind, wird der Jagd nach maximaler Rendite alles untergeordnet. Privates Renditestreben ist mit dem Ziel einer einheitlichen und flächendeckenden Bahn unvereinbar und fördert Lohn- und Sozialdumping. Jede Leistung, jeder Arbeitsplatz, jeder Betriebsteil, der nicht genügend Rendite abwirft, wird dann abgestoßen. Dass selbst hochprofitable Konzerne unter Renditedruck keine sicheren Arbeitsplätze bieten, zeigen viele aktuelle Beispiele wie BMW, Nokia, Siemens, AEG oder Deutsche Telekom.

Einen Vorgeschmack auf das Lohndumping durch Kapitalprivatisierung bekommen EisenbahnerInnen schon jetzt zu spüren, weil die Bahn-Manager im vorauseilenden Gehorsam gegenüber privaten Renditejägern handeln. Lokführer sollen nur noch bei Leiharbeitsfirmen mit 20% weniger Einkommen beschäftigt werden. Bei Ausschreibungen im Regionalverkehr setzt die DB zunehmend Tochterfirmen ohne Tarifvertrag ein. Im grenzüberschreitenden Güterverkehr wollen die Manager mit ausländischen Töchtern geltende Tarifverträge unterlaufen. Außerdem gibt es hier Pläne, den Rangierdienst auf Servicegesellschaften auszugliedern.

„Nur 49 Prozent?“ 

Auch wenn die DB Mobility and Logistics AG – wie man uns verspricht – zunächst noch zu 51 Prozent im Bundesbesitz bleiben sollte, wäre dies kein Grund zur Beruhigung. Denn schon seit Jahren verkaufen die DB-Manager profitable Tochtergesellschaften wie die Deutsche Eisenbahnreklame, Deutsche Touring oder Scandlines zu 100 Prozent an Private. Dass auch Minderheitsaktionäre mit nur fünf Prozent der Aktien die Unternehmenspolitik entscheidend bestimmen und die Zerschlagung eines Konzerns vorantreiben können, sehen wir derzeit bei der Deutschen Telekom oder beim Reise- und Schifffahrtskonzern TUI  „Großinvestoren drohen mit Zerschlagung der Post“, meldeten Medien im Februar 2008.

Integrierter Bahnkonzern adé

Bisher stehen alle Bereiche der Bahn unter der einheitlichen Leitung der DB-Holding. Das „Holding-Modell“ besiegelt das Ende des integrierten Bahnkonzerns, weil dann die Tochterfirmen auf zwei Holdings – nämlich Infrastruktur und Transport – aufgeteilt werden. Die privatisierte DB Mobility and Logistics AG würde zu einer eigenständigen, teilprivatisierten Managementholding ausgebaut, die allein die Entwicklung der Transportgesellschaften bestimmt. Bei dieser Zerschlagung des Bahnkonzerns ist noch nicht abzusehen, wo künftig Werke, DB Services, DB Systel, Bildung, Gastronomie, Sicherheit, Fuhrpark und ProjektBau landen werden oder ob sie gar stückweise verkauft werden.

Selbst die besten Privatisierungsverträge, Absichtserklärungen und Tarifverträge würden den Bestand des heutigen integrierten Bahnkonzerns nicht sichern und auch nicht verhindern können, dass das Management der DB Mobility and Logistics AG ihre Tochtergesellschaften ganz oder teilweise verkauft. Dem heutigen Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag (BeSiTV) und konzernweiten Arbeitsmarkt wäre mit der Aufspaltung in zwei Holdings über kurz oder lang die Grundlage entzogen. Denn der bis 2010 vereinbarte Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen auch bei Wegfall des Arbeitsplatzes behält nur seine Gültigkeit, wenn Netz und Betrieb als gemeinsames Ganzes erhalten bleiben. Diese Geschäftsgrundlage entfällt bei dem jetzt angestrebten Holdingmodell. Dies belegt auch ein juristisches Gutachten, dessen Inhalt den meisten TRANSNET-Funktionären bekannt ist.

Nicht in unserem Namen

Mitglied der SPD-Arbeitgruppe Bahn ist auch der TRANSNET-Vorsitzende Norbert Hansen. Aber anstatt dort gegen den Ausverkauf an privates Kapital einzutreten, forderte er Ende März die SPD auf, die Teilprivatisierung nicht zu blockieren. „Eine Absage der Bahn-Reform“ aus parteiinternen Gründen wäre für das Unternehmen Deutsche Bahn „tödlich“, warnte Norbert Hansen in einem Reuters-Interview. „Wenn wir jetzt nicht sofort privatisieren, dann werden CDU/CSU und FDP, wenn sie 2009 die Wahl gewinnen, die Bahn komplett zerschlagen“, so seine Logik. Dies können wir nicht nachvollziehen. Denn die Zerschlagung der Bahn hat mit der Gründung von über 200 Tochtergesellschaften schon längst begonnen. Jetzt die Privatisierung fordern – das ist fast schon Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Dem Vernehmen nach ist Norbert Hansen bereits in den Aufsichtsrat der DB Mobility and Logistics AG berufen. Wir wissen allerdings nicht, welche Interessen er im Blick hat und ob er über seine künftigen Tantiemen als Aufsichtsratsmitglied hinaus denkt. Jedenfalls vertritt er damit weder die Interessen der TRANSNET-Mitglieder und EisenbahnerInnen noch die Beschlusslage unserer Gewerkschaft.

Denn am 13. November 2007 hat der TRANSNET-Beirat gemeinsam mit dem GDBA-Bundeshauptvorstand den „Plan B“ beschlossen und damit gefordert „dass der Bund Eigentümer der DB AG sein und bleiben muss und dass er dafür sorgen muss, dass der Konzern seine bisherige erfolgreiche Strategie fortsetzen kann.“ Dieser „Plan B“-Beschluss sollte gerade das damals von der Politik aus dem Hut gezauberte „Holdingmodell“ verhindern, weil dieses den Einstieg in die endgültige Zerschlagung der Bahn bringt.

„Eine Trennung aber lehnen wir ab. Das würde den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung und die soziale Sicherheit der Beschäftigten gefährden. Unsere Befürchtungen beziehen sich auch auf das aktuell diskutierte Modell einer so genannten Finanzholding. Auch dieser Vorschlag könnte den Einstieg in eine schleichende Zerschlagung der DB AG bedeuten. TRANSNET und GDBA haben auch klargestellt, dass wir uns gegen eine Zerschlagung mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen werden. Das kann unter Umständen auch Streiks bedeuten.“ (O-Ton inform Telegramm Nr. 50/14. November 2007)

Die Basis denkt anders

Kurzum: Einen Auftrag der Basis zur aktiven und vorsätzlichen Mitwirkung an einer Zerschlagung und Privatisierung unserer Bahn haben weder Norbert Hansen noch die anderen ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat der DB AG. In den letzten Wochen haben sich die Bezirkskonferenzen der TRANSNET-Bezirke Saar-Mosel-Westpfalz, Thüringen und Nord-Ost gegen jede Form der Bahnprivatisierung ausgesprochen. Die Bezirkskonferenz Nord-Ost fordert, „dass sich die Gewerkschaft TRANSNET mit all ihren Gremien aktiv gegen jede Form der Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG einsetzt. Dazu zählen sowohl ein entsprechendes Auftreten in den Aufsichtsräten, als auch das Zugehen auf politische Entscheidungsträger“. Dieser Antrag wurde von den Delegierten einstimmig angenommen und an den Gewerkschaftstag und Beirat weitergeleitet.

In der Ablehnung der Privatisierung haben wir die Stimmung in der Bevölkerung, den DGB und Beschlüsse aus 11 von 16 SPD-Landesverbänden auf unserer Seite. Gegen den aktiven Widerstand der Gewerkschaften wäre eine Zustimmung der SPD zur Privatisierung unvorstellbar. Darum ist es umso fahrlässiger, wenn Norbert Hansen jetzt eine rasche Teilprivatisierung über das „Holding-Modell“ fordert.

Wer nicht kämpft, der hat schon verloren

Bahnprivatisierung war weltweit ein Fehlschlag. Sie nützt nur einigen wenigen und schadet uns allen. Auch eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES-Kurzberichte Nr.4/2008) bringt unter Verweis auf Weltbank-Untersuchungen die Bilanz erfolgter Bahnprivatisierungen in Lateinamerika und Afrika auf den Punkt. In allen Fällen, so das Papier, kam es zu massivem Arbeitsplatzabbau, einem Rückgang der Personenbeförderung und des flächendeckenden Güterverkehrs sowie einer Reduzierung der Investitionen in den Schienenverkehr: „Generell stellt Privatisierung keine zukunftsträchtige Alternative dar“, so das Fazit.

Solche Warnungen lassen die Macher der Privatisierung, allen voran die Bundesminister Steinbrück und Tiefensee, nicht gelten. Sie wissen, dass ihr Mega-Projekt in dieser Legislaturperiode nur durchzusetzen ist, wenn alles vor der Sommerpause glatt über die Bühne geht. Im aktuellen Machtkampf in der SPD wollen sie zudem zeigen, dass sie ihren Willen auch gegen die Basis durchsetzen können. Kurt Beck hatte der Basis in der Bahndebatte auf dem Hamburger SPD-Parteitag „sein Wort“ gegeben hat, dass nichts gegen ihren Willen läuft. Offenbar will Kurt Beck jetzt unter dem Druck von Steinbrück und Steinmeier zeigen, dass er bei der Privatisierung „Führungsstärke“ hat und gegen Privatisierungskritik „immun“ ist. In der SPD-Arbeitsgruppe Bahn haben die PrivatisierungsbefürworterInnen offensichtlich die Mehrheit. Dementsprechend wird das Ergebnis sein.

Der SPD-Parteirat, der dann darüber entscheiden soll, ist gut beraten, wenn er keiner Empfehlung zu einer irgendwie gearteten weiteren Zerschlagung und Teilprivatisierung folgt und diesen Wahnsinn stoppt. Hütet Euch vor falschen Propheten, die behaupten, eine Privatisierung läge im Interesse der Beschäftigten! Wehrt Euch gemeinsam mit unserer Initiative „Bahn von unten“ im Bündnis „Bahn für Alle“ gegen jede Form der Privatisierung und Zerschlagung unserer Bahn!

www.bahnvonunten.de
4. April 2008