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Zu einer Informations- und
Diskussionsveranstaltung über die drohende Privatisierung der Deutschen Bahn AG hatten
das Aktionsbündnis "Bahn für alle", Attac, Bahn von unten, AUF Kastel, Linke
Liste Wiesbaden und Linskpartei eingeladen. Eine hervorragende Grundlage für die
Diskussion bot der Vortrag von Alfred Lange, Betriebsrat in der DB-Güterverkehrssparte
Railion, der neben einer allgemeinen Kritik der Privatisierung aus der Sicht von Mensch
und Umwelt insbesondere auch die negativen Folgen der Privatisierung für den
Schienen-Güterverkehr aufzeigte. Alfred Lange, ehemaliges Hauptvorstandsmitglied
der DGB-Gewerkschaft TRANSNET, bemängelte,
dass die TRANSNET-Führung mittlerweile die angedachte Privatisierung unterstütze, obwohl
eine Beschlussfassung des Gewerkschaftstags vom November 2000 gegen jede Form der
Privatisierung und für den Erhalt einer bundeseigenen und einheitlichen Deutschen Bahn AG
nicht aufgehoben und daher nach wie vor gültig sei. Die Erfahrungen mit der
Privatisierung ehemaliger Bundesunternehmen wier Post und Telekom seien eine deutliche
Warnung; so habe Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke jüngst den Hut nehmen müssen, weil den
Aktionären die zu erwartende Rendite nicht hoch genug erschienen sei. Während der
TRANSNET-Vorstand immer wieder einen "Plan B" (Bahn bleibt beim Bund) in die
Diskussion gebracht habe, hätten die Bahnmanager und Strategen in Erwartung eines
"Börsengangs" schon längst einen Plan Z (Zerschlagung) ausgearbeitet. Bei
Railion sei eine solche Aufteilung voll im Gange - etwa durch die Ausgliederung von
Berteichen wie Kombinierter Verkehr, Container- und Shuttleverkehr, Montangüter (Kohle,
Erze, Stahl) und Chemie. Damit würden Tortenstückchen und Filetstücke
geschaffen, die sich ohne weiteres leicht verkaufen ließen. Gleichzeitig werde somit der
(personalintensive und wenige renditeträchtige) Einzelwagenverkehr abgehängt, der dann
als erstes Opfer eines Börsengangs auf der Strecke zu bleiben drohe. Hier sei auch die
Zahl der Arbeitsplätze seit dem Beginn des Privatisierungsprozesses 1994 von 5500 auf
derzeit 3700 Stellen zurückgegangen. Für eine Quersubventionierung im einem
flächendeckenden Verbund der Güterbahn sei dann kein Platz mehr. Somit sei ein weiterer Rückzug des
Schienengüterverkehrs aus der Fläche vorprogrammiert, wie er sich schon seit Jahren
durch die Kappung von Industriegleisen im Rahmen des Programms MORA C
abzeichne. Auf der Jagd nach Kostensenkung und
Börsenfähigkeit habe das Management wild entschlossen beim Abbau des Personals wie auch
des Bestands an Loks und Waggons derart übers Ziel hinausgeschossen, dass Railion die
aktuelle Nachfragesteigerung nach Güterverkehrsleistungen gar nicht bewältigen könne.
Lokomotiven seien inzwischen knapp geworden und würden jetzt eiligst von Ost nach West
verlegt oder von Privatfirmen geleast. Die Reparatur- und Ausbesserungswerkstätten seien
schon längst ein begehrtes Objekt der Begierde für potenzielle Investoren und drohten
bei einem Börsengang in die Hände von privaten Industriekonzernen der Branche zu
geraten. Unter dem Diktat der Kostensenkung werde derzeit das Material auf Verschleiß
gefahren; nicht zuletzt die Anwohner belebter Güterverkehrsstrecken könnten ein Lied
davon singen, dass dies auch verstärkte Lärmbelästigung zur Folge habe. Wer also die
weitere Privatisierung des Schienengüterverkehrs betreibe, der raube damit auch den
Anwohnern des Mittelrheintals den Schlaf. Mit der zunehmenden Privatisierung und
Zerschlagung und dem Aufkommen privater Güterbahnen, die sich überwiegend um die
profitablen Großaufträge rissen und zunehmend auf den großen Fernverkehrsstrecken zu
sehen seien, nehme auch die Zeitarbeit im Eisenbahnbereich immer mehr zu. Lokführer, die
nach Abschluss ihrer Ausbildung bei Railion wegen des Stellenabbaus nicht übernommen
wurden und daher bei Eisenbahn-Zeitarbeitsfirmen wie MEV anheuern mußten, würden jetzt
von Railion wieder als Leiharbeiter eingesetzt. Schon vor Jahren habe eine private
Industriebahn mitten in Deutschland polnische und rumänische Lokführer für einen
Hungerlohn eingesetzt, sie auf der Lok wohnen lassen und teilweise 14 Stunden am Stück
arbeiten lassen. Wo solche Lokführer an Baustellen mit Nicht-Eisenbahnern anderer Firmen
zu tun hätten und nicht einmal genügend Sprachkenntnisse hätten, werden dies zu einem
Sicherheitsrisiko allererster Ordnung. Vehement widersprach Lange der von
Privatisierungsbefürwortern verbreiteten Ansicht, durch Privatisierung und Wettbewerb auf
Schienen würde der Anteil der Schiene am Gesamtverkehrsaufkommen stark zunehmen. In
Wirklichkeit würden private Investoren aus Übersee, wie sich das DB-Management an Bord
ziehen wolle, ihr Kapital sicher nicht deshalb in die Bahn stecken, weil ihnen an sicheren
Arbeitsplätzen oder einem umweltfreundlichen Verkehrsmittel gelegen sei. Sie würden jede
Strecke, jeden Betriebsteil und jeden Arbeitsplatz auf die Renditeträchtigkeit hin
abklopfen und alles abstoßen, was nicht ausreichend Rendite abwirft. Da Bahn-Manager
nicht wie der geschasste Telekom-Chef Ricke enden wollten, würden sie den Renditedruck
unweigerlich mit aller Gewalt an die Beschäftigten weiter geben. Diesem gewaltigen
Kosten- und Rationalisierungsdruck würden viele Beschäftigte und Verkehre zum Opfer
fallen. Eine Schrumpfbahn sei die Folge. Die Konzentration auf renditeträchtige
Verkehre zeige sich im übrigen auch beim Personenverkehr. Das DB-Management setze
zunehmend auf eine kleine feine Fernbahn mit einer ICE-Flotte auf
Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen wenigen Ballungsgebieten. Demgegenüber sei der
Interregio, der auch das flache Land und Kleinstädte für den Fernverkehr
erschlossen habe, wieder vollständig vom Gleis genommen worden. Über kurz oder lang
drohe auch ein Ausdünnen von Intercity-Verbindungen vor allem abseits der großen
Fernverkehrskorridore. Lange sprach sich für den Erhalt und Ausbau
einer optimierten öffentlichen Bahn aus. Den Bundestagsabgeordneten müsse klipp und klar
gesagt werden, dass Sie mit einem Abnicken der Bahnprivatisierung noch viel schlimmeren
Flurschaden anrichteten als dies bereits bei Post und Telekom offenkundig sei. Ein
Börsengang laufe auch dem Ziel der Bundesregierung, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, zu
wider. In der Diskussion wies lange auf einen weiteren
sicherheitsrelevanten Nebeneffekt der Privatisierung hin. Zwar müssten Railion-Lokführer
weiterhin Streckenkenntnis mitbringen, um auf bestimmten Trassen eingesetzt zu werden. Vor
einem Regeleinsatz müssten sie dreimal bei Tag und dreimal in der Dunkelheit eine
entsprechende Strecke mit Begleitung abgefahren haben. Im Gegensatz zu älteren,
verbeamteten Lokführern würden jüngere Lokführer jedoch aus Angst vor dem
Personalabbau selbst dann sich als fit für eine bestimmte Strecke bezeichnen,
wenn sie sich in Wirklichkeit noch nicht fit fühlten, während die Lokführer mit
Beamtenstatus weniger Angst Arbeitsplatzverlust hätten und daher sich eher zutrauten,
nötige Kritik auch zu äußern. In der Diskussion wies eine Eisenbahnerin auf
eine speziell für die Railion-Lokführer nachteiligen Folge der Zergliederung der
DB-Transportgesellschaften und ihres Personals hin. Da der Güterverkehr überwiegend bei
Nacht über die Gleise rolle, sei der gesundheitsschädliche Nachtschichtanteil für
Railion-Lokführer viel höher als für ihre Kollegen im Personenverkehr. Ein anwesender
Post-Betriebsrat berichtete, wie nach dem Börsengang der Deutschen Post AG Beschäftigte
und Bürger benachteiligt seien und vor allem Großkunden bevorzugt würden und die Post
landesweit zahlreiche Filialen geschlossen und Briefkästen abmontiert habe. Auch ein
Bundesanteil von 50,x Prozent tauge gar nichts, denn mit dem Verkauf der ersten Aktien an
Private sei die Rendite für die Aktionäre das Maß aller Dinge. Ich kann nur von
einem Börsengang der Bahn abraten, so der Appell des Postlers. Die Veranstaltung fand in einer
Eisenbahnersiedlung statt und lockte auch Kollegen und Transnet-Mitglieder an, die durch
Flugblattverteilung in den Briefkästen angesprochen worden waren und rege mit
diskutierten. Ein anwesender Reporter berichtete in einem umfangreichen Artikel in der
Lokalpresse und zeigte Interesse an weiteren Informationen über die nachteiligen Folgen
der Privatisierung speziell für die Rhein-Main-Region. Bahn
von unten www.bahnvonunten.de |
"Wir müssen die Zukunft selbst gestalten und dürfen sie nicht den Privatisierungsgewinnlern des BDI oder den Finanzinvestoren aus Asien, Russland oder Nordmerika und ihren Propagandisten überlassen." |