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die Mitglieder des SPD-Parteivorstands |
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in
den letzten Wochen und Monaten haben zahlreiche Gespräche zwischen sozialdemokratischen
EntscheidungsträgerInnen und FunktionärInnen der Gewerkschaft TRANSNET über die
geplante Privatisierung der Deutschen Bahn stattgefunden. Manche GesprächspartnerInnen
auf Seiten der SPD haben dabei den Eindruck gewonnen, dass die Eisenbahnerinnen und
Eisenbahner und ihre Gewerkschaft TRANSNET auf jeden Fall für die Privatisierung seien
und den von der Koalition angestrebten Weg grundsätzlich begrüßten. Dieser
Eindruck ist falsch. Die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung und die meisten
Beschäftigten der Deutschen Bahn AG lehnen den drohenden Börsengang und die damit
unweigerlich einhergehende Zerschlagung der Bahn ab. Unsere
Kolleginnen und Kollegen haben aus den zahlreichen Beispielen der jüngsten Vergangenheit
gelernt. Kein BenQ bei der Bahn lautete die Aufschrift auf einem Schild, das
ein streikender Eisenbahner im Oktober bei einem Warnstreik in Bayern mit sich trug. Die
Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sehen genau, dass bei Post und Telekom nach dem
Börsengang der
Druck auf die Beschäftigten massiv zugenommen hat und der Service für die KundInnen
schlechter geworden ist. Das wird auch
auf uns zukommen, sobald das erste Aktienpaket in private Hände gelangt ist. Das
investierte Kapital ist ja nicht zum Nulltarif zu haben. Es
war zu keinem Zeitpunkt Beschlusslage der Gewerkschaft TRANSNET, die materielle
Privatisierung zu unterstützen und insbesondere sozialdemokratischen Abgeordneten eine
Zustimmung hierzu nahe zu legen. Die Basis unserer Gewerkschaft wurde nicht gefragt. Anfang
2005 gab es zum Entwurf eines neuen Beschäftigungssicherungstarifvertrags in der TRANSNET
flächendeckend Basisdialoge, bei denen alle Mitglieder ihre Meinung kundtun konnten. In
der noch wichtigeren Frage nämlich der Privatisierung haben keine
Basisdialoge stattgefunden. Somit hat kein TRANSNET-Funktionär das Mandat der Basis
für die Mitwirkung an einem Ausverkauf der Deutschen Bahn und dafür, entsprechende
Ratschläge an die Politik weiter zu tragen. ·
Fakt
ist: Der TRANSNET-Gewerkschaftstag 2000 hat sich für die Erhaltung einer
einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse der Beschäftigten,
der Umwelt und der KundInnen ausgesprochen und unmissverständlich gefordert: Kein
Börsengang! Kein Ausverkauf - weder an ausländische noch an inländische Kapitalgruppen!
Dieser Beschluss ist nie aufgehoben worden und daher nach wie vor gültig. ·
Die
TRANSNET-Bundesbetriebsrätekonferenz 2004 hat diese Aussagen bekräftigt und darüber
hinaus festgestellt: Alle Umstrukturierungen, die im DB-Konzern mit dem Ziel eines
Börsengangs bzw. Verkaufs vorgenommen werden, Unsummen verschlingen und die
Eisenbahnerinnen und Eisenbahner von ihren eigentlichen Aufgaben ablenken, sind sofort zu
stoppen bzw. rückgängig zu machen. ·
Anfang
2006 hat der TRANSNET-Vorsitzende, Kollege Norbert Hansen, vor einer Privatisierung der
Gewinne und Sozialisierung der Verluste gewarnt und gefordert: Anstatt nur über
verschiedene Varianten der Privatisierung zu reden, muss nun auch über einen Plan B,
also einen Plan Bund diskutiert und somit untersucht werden, ob der
Bahnkonzern nicht im vollständigen Eigentum des Bundes bleiben sollte. ·
Ende
Mai 2006 haben die Gewerkschaftsvorsitzenden Norbert Hansen (TRANSNET) und Frank Bsirske
(ver.di) in einer gemeinsamen Erklärung festgestellt: Die DB AG soll als
integriertes Unternehmen im Staatseigentum erhalten bleiben und darf nicht zerschlagen
werden. ·
Im
November 2006 hat sich der DGB-Bundesjugendausschuss einstimmig gegen jede Form der
Privatisierung der Bahn ausgesprochen. Einen ähnlichen Beschluss hat Ende Oktober auch
der Deutsche Bundesjugendring gefasst. ·
Die
November-Ausgabe des TRANSNET-Mitgliedermagazins inform
hat noch einmal gefordert, dass sich die Politik jetzt endlich mit einem Plan B
befassen müsse. Weltweit
gibt es kein auf Deutschland übertragbares positives Vorbild einer Bahnprivatisierung,
dafür aber etliche abschreckende Beispiele (von Argentinien über Großbritannien bis
Neuseeland). Trotzdem besteht jetzt die große Gefahr, dass allen Vorsätzen zum
Trotz mit der angedachten Privatisierung eine negative Weichenstellung vollzogen
wird, die über viele Jahrzehnte wirkt. Wir wollen keine britischen Zustände auf
deutschen Schienen. Der Labour-Parteitag 2004 hat sich übrigens für eine
Wiederverstaatlichung der Bahnen ausgesprochen. Noch
kann die Privatisierung durch ein beherztes Eingreifen des SPD-Parteivorstands und ein
Veto der Bundestagsfraktion gestoppt werden. Wir begrüßen es daher, dass eine Gruppe von
Abgeordneten, darunter Kurt Bodewig, Monika Griefahn und Hermann Scheer, sich mit guten
Argumenten gegen die Bahnprivatisierung ausgesprochen hat. Peter
Struck hat kürzlich zu Recht die aktuellen Personalabbau- und Lohnsenkungspläne des
Telekom-Managements scharf kritisiert und damit gedroht, dass der Bund als größter
Einzelaktionär dies durch verstärkte Einmischung verhindern wolle. Wenn Kollege Struck
ein ähnliches Szenario bei der Bahn ausschließen will und im Interesse von Mensch und
Umwelt politischen Einfluss auf die Bahn behalten will, dann muss er dafür sorgen, dass
die SPD-Bundestagsfraktion die geplante Privatisierung stoppt und keine einzige Aktie an
irgendwelche institutionellen Anleger verkauft wird. Als
engagierte TRANSNET-Mitglieder stellen wir fest: Für einen Verkauf von Bahnaktien gibt es
keinen dringenden Sachzwang. Wir brauchen jetzt dringend eine intensive Diskussion über
den Ausbau einer optimierten öffentlichen Bahn und ein entsprechendes neues Gutachten
über einen Plan B plus, bei dem anders als im vorliegenden PRIMON-Gutachten
die Belange der Beschäftigten, der Allgemeinheit und der Umwelt im Mittelpunkt stehen. Mit
kollegialen Grüßen Für
die Initiative Bahn von unten gez. Alfred Lange, Betriebsratsvorsitzender Railion Niederlassung Frankfurt |
Diesen
Brief haben wir am 12. Dezember 2008 in Wiesbaden dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck übergeben.
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