Keine Bahnaktie in private Hände legen!
Redebeitrag von Hans-Gerd Öfinger (www.bahnvonunten.de) auf der Göttinger Demonstration gegen Bahnprivatisierung am 25. November 2006

 

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Ich spreche hier für die Initiative „Bahn von unten“, einen Zusammenschluss privatisierungskritischer Mit­glieder der Gewerkschaft TRANSNET, und für „Bahn für alle“, das Aktionsbündnis der Gegner einer Privati­sierung der Deutschen Bahn.

Die drohende Bahnprivatisierung ist das größte Priva­tisierungsprojekt der deutschen Geschichte. Bahnanla­gen, Grundstücke und Rollmaterial im Wert von weit über 100 Milliarden Euro sollen da für vielleicht 5 oder 8 oder zehn Milliarden Euro verscherbelt werden. Dies ist ein fast beispielloser Ausverkauf von öffentlichem Vermögen und stellt vielleicht auch die Machenschaf­ten der Treuhand in den Schatten. Das sollte alle Men­schen was angehen, nicht nur die Beschäftigten und Benutzer der Bahn, nicht nur Umweltbewegte und Ei­senbahnliebhaber.

Wenn von Privatisierung die Rede ist, dann sollten bei Sozialistinnen und Sozialisten immer die Alarmglo­cken schrillen. Darum ist es auch hervorragend, dass der [`solid]-Kreisverband Göttingen-Northeim gemein­sam mit den Verantwortlichen des Bundesjugendtages hier die Initiative ergriffen und diese Kundgebung initi­iert hat.

Ich bin froh darüber, dass die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag eine klare Position gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn AG bezogen hat und dass Dorothée Menzner als verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion im deutschen Bundestag un­ermüdlich in diesem Sinne wirkt. Die Anwesenheit von Gregor Gysi auf dieser Kundgebung und sein en­gagierter Redebeitrag unterstreichen, dass die ganze Fraktion Dorothée mit dieser Herkulesaufgabe nicht alleine lässt, sondern den Kampf gegen die Bahnpri­vatisierung zur Chefsache gemacht hat. Vorgestern hat sich auch Oskar Lafontaine persönlich mit einer Mahnwache gegen die Bahnprivatisierung vor dem Bundestag solidarisiert. Die von Dorothée Menzner im Bundestag vorgebrachten Argumente haben schon mit dazu beigetragen, dass sich auch in der SPD-Fraktion eine kleine aber harte Opposition ge­gen die Privatisierung herausgebildet hat.

Im Koalitionsvertrag der neuen Berliner Stadt- und Landesregierung lesen wir den Satz: Einen Börsen­gang der Deutschen Bahn (…) lehnen wir ab. Das ist auch gut so. Jetzt kommt es darauf an, dass die Ver­treter Berlins im Bundesrat dazu stehen und – anders als bei der Abstimmung über die europäische Verfassung – auch bei einem konsequenten „Nein“ bleiben.

In den letzten Tagen wurde gemeldet: Der Vorstand der Deutschen Bahn und die Bahngewerkschaften un­terstützen den Beschluss der Koalition zur Privatisie­rung der DB AG. Dazu kann ich nur sagen: Was die Vorstände der Bahngewerkschaften dazu geäußert ha­ben, liegt nicht im Interesse der Masse der Beschäftig­ten und der Gewerkschaftsmitglieder. Dies ist auch nicht in unserem Namen erfolgt! Laut Emnid-Umfrage sind 71 Prozent  der Bundesbürger gegen die Privati­sierung. Dies gilt auch für die Mehrheit der   Bahn-Be­schäftigten.

Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind doch nicht blöd und wissen, was überall schon mit Privati­sierung angerichtet wurde. „Kein BenQ bei der Bahn“ lautete die Aufschrift eines Kollegen auf einem selbst­gemalten Plakat bei einem Warnstreik kürzlich in Bay­ern. Die Kolleginnen und Kollegen verfolgen aufmerk­sam, wie sich bei Post und Telekom die Arbeitsbedin­gungen seit dem Börsengang verschlechtert haben. Als ich einen englischen Kollegen am Rande des letz­ten TRANSNET-Gewerkschaftstages interviewte und ihm die Frage stellte, was er von der Idee eines Bör­sengangs hielte, bei dem „nur“ bis zu 49 Prozent der Aktien an Private verkauft werden, hat er klipp und klar geantwortet: Keine einzige Bahnaktie soll in priva­te Hände gelangen.

Die Deutsche Bahn ist noch zu 100 Prozent im Bun­desbesitz, aber seit über 10 Jahren lässt die Politik dem Management der Bahn freie Hand und lässt es schalten und walten. Das sind meistens Manager, die mit dem Eisenbahnwesen wenig am Hut haben und nach wenigen Jahren wieder weg sind. Und die haben es seit 1994 geschafft, die Zahl der Arbeitsplätze im Konzern Deutsche Bahn zu halbieren. Durch die Auf­spaltung und Zergliederung in weit über 200 Tochter­gesellschaften wurden und werden weiterhin Filet­stücke geschaffen, die man dann einzeln an Private verhökern kann. Die Bahn ist aber ein einheitlicher Or­ganismus. Wenn man einzelne Organe entnimmt, ist der Kollaps vorprogrammiert.

Jede Form der Privatisierung bringt Sozial- und Lohn­dumping mit sich. Schon jetzt gibt es bei der DB und erst recht bei den in Deutschland tätigen Privatbahnen immer mehr Zeitarbeit. Da werden etwa ausgebildete junge Lokführer bei der DB nicht in eine feste Anstel­lung übernommen und lassen sich dann über Zeitar­beitsfirmen wieder zur DB oder irgendeiner Privatbahn verleihen. Wehret den Anfängen!

Der Widerstand gegen die Bahnprivatisierung geht alle an. Setzt dieses Thema in den politischen Gliede­rungen vor Ort ganz oben auf die Tagesordnung und handelt. Wir haben noch mindestens vier Monate Zeit bis zu einem drohenden Bundestagsbeschluss über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Privati­sierung der Bahn. Vier Monate Zeit, um gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Bahn für alle Überzeugungs­arbeit zu leisten und die Abgeordneten auf- und heim­zusuchen. Dabei sollten wir insbesondere die SPD-Ab­geordneten in den Wahlkreisen aufsuchen und sie fra­gen, wozu eine Privatisierung der Bahn gut sein soll. Sagt ihnen, sie sollen die Finger von unserer öffentli­chen Bahn lassen. Es gibt nicht mal einen SPD-Par­teitagsbeschluss, der die SPD-Fraktion zur Mitwir­kung an der Privatisierung ermächtigt. Es gibt auch keinen Beschluss eines TRANSNET-Gewerkschafts­tages, der den Gewerkschaftsvorstand dazu ermäch­tigt, im Schulterschluss mit DB-Chef Mehdorn den Ausverkauf der Bahn und unserer Interessen voran­zutreiben.

Wenn ihr morgen wieder mit dem Zug nach Hause fahrt und ab Montag wieder im Alltag zurück seid, dann nehmt direkten Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen bei der Bahn auf und sucht den Schul­terschluss! Es gibt auch TRANSNET-Untergliederun­gen wie etwa hier in Göttingen und engagierte Ge­werkschaftsmitglieder, die sich öffentlich klar gegen die Privatisierung geäußert haben. Denkt aber daran und nehmt zur Kenntnis, dass viele Beschäftigte der DB Angst um ihren Arbeitsplatz haben und unter ei­nem massiven Druck stehen. Im System Mehdorn haben etliche Kolleginnen und Kollegen Angst vor Repressionen, wenn sie sich offen gegen die Privati­sierung der Bahn äußern, weil man ihnen das als „il­loyales Verhalten“ gegenüber der Firma auslegen könnte.

Im Zuge der von der EU eingeleiteten Liberalisierung des europäischen Eisenbahnverkehrs haben die bis­herigen Staatsbahnen damit begonnen, zu expandie­ren und in anderen Ländern in Konkurrenz zur dorti­gen Staatsbahn Fuß zu fassen. Dies gilt für die DB ebenso wie für die schweizerische SBB und die fran­zösische SNCF, deren Ableger hierzulande schon ge­gen die DB konkurrieren. DB-Chef Mehdorn will den Konzern zum weltweit führenden „Global Player“ aus­bauen und träumt von der Neuauflage einer Bagdad-Bahn, die diesmal bis Wladiwostok und China reichen und den Welthandel beherrschen soll. Bei solchen Projekten besteht die ganz große Gefahr, dass es zu einer Art Wirtschaftskrieg und Verdrängungswettbe­werb ehemaliger Staatsbahnen kommt, der vor allem auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.

Das können wir nicht mitmachen. Für Internationalisten kann es nur eine Alternative zum gnadenlosen Konkurrenzkampf geben: die Vereinigten Bahnen von Europa, einen Verbund demokratisierter Bahnen in öffentlichem Besitz und unter der Kontrolle der Be­schäftigten, der Kunden und der Umweltverbände. Vertreter des Kapitals haben in den Aufsichtsräten der DB und der anderen Staatsbahnen nichts zu suchen.

Bahn von unten
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"Wir müssen die Zukunft selbst gestalten und dürfen sie nicht den Privatisierungsgewinnlern des BDI oder den Finanzinvestoren aus Asien, Russ­land oder Nordmerika und ihren Propagandis­ten überlassen."

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