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Eigentlich sollte hier ein Kollege reden, der
als Lokführer im Raum Hamburg tätig ist. Leider hat dieser Kollege zur Stunde Dienst
und wurde für die Demo nicht freigestellt. Ich betrachte es als eine besondere Ehre,
heute bei dieser Demo reden zu dürfen und bin dafür auch gerne 600 km angereist. Gestern verbreiteten die Medien eine Meldung,
in der es sinngemäß hieß: Der Vorstand der Deutschen Bahn und die Gewerkschaften
begrüßen die am Mittwoch erfolgte Weichenstellung für die Privatisierung der DB AG. Viele Kolleginnen und Kollegen sind darüber
schockiert und können es immer noch nicht fassen. Wie können Gewerkschaften eine
Privatisierung also eine Niederlage als Erfolg ihrer Arbeit feiern? Was da diese Gewerkschaftsvorstände verkündet
haben geschieht nicht in unserem Namen. Die Mehrheit der Bevölkerung und auch die
Mehrheit der DB-Beschäftigten ist gegen eine Privatisierung der Bahn. Die Kolleginnen und Kollegen sind doch nicht
blöd. Kein Ben Q bei der Bahn lautet die Aufschrift auf einem Schild, das
ein streikender Eisenbahner kürzlich beim Warnstreik in Bayern mit sich trug. Das Bild
ging durch die Medien. Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sehen
genau, was bei Post und Telekom nach dem Börsengang passierte. Widerstand
jetzt! Gegen Zerschlagung, Ausgliederung und Lohndrückerei, heißt es in einem
brandaktuellen ver.di-Flugblatt für die Telekom. Wohlgemerkt, die Telekom ist an der
Börse und verbuchte Gewinne um die 5 oder 6 Milliarden Euro pro Jahr! SO kann und
darf es nicht weiter gehen!!!! Geschlossenes Handeln aller ist angesagt!!!!! So weit
das Flugblatt im O-Ton. Das zeigt, was uns demnächst auch nach einem Börsengang der DB
blüht! Im Grunde darf das DB-Management mit
einem Freibrief der Politik ausgestattet seit 10 Jahren gezielt die Bahn auf
einen Börsengang hin zurichten und umstrukturieren. Dieses Management hat es schon
fertig gebracht: l
dass die Zahl der Beschäftigten um über
200.000 Menschen halbiert wurde l
dass die Bahn in weit über 200
Tochtergesellschaften aufgegliedert wurde l
dass der Arbeitsplatzabbau in vielen
Bereichen weit übers Ziel hinaus geschossen ist und kontraproduktiv geworden ist. Im
Güterverkehr etwa hat eine Steigerung der Nachfrage jetzt an den Tag gebracht, dass
dort Lokführer, Loks und Waggons fehlen. Erst wurden viele Beschäftigte rausgeekelt, und
danach werden die Verbliebenen dazu erpresst, Überstunden zu arbeiten. Was für ein
Irrsinn! Jede Form der Privatisierung bringt
Arbeitsplatzabbau, Lohn- und Sozialdumping. In Deutschland ist der Schienenverkehr
weiter liberalisiert als sonst wo auf dem Kontinent. Und zunehmend machen sich
Zeitarbeitsfirmen breit, die Lokführer und andere Eisenbahnfachkräfte an Privatbahnen
oder auch DB-Töchter vermieten. Auch auf der NO-Bahn, die Veolia/Connex gehört und
den Verkehr zwischen Hamburg und Westerland/Sylt betreibt, sind inzwischen Lokführer
im Einsatz, die die Mannheimer Leiharbeitsfirma MEV vermietet. Bei Privatbahnen sind die
Arbeitsbedingungen in aller Regel deutlich schlechter. Privatbahnen weigern sich gegen den
Abschluss eines Flächentarifvertrags. Es gibt weltweit viele abschreckende Beispiele
für eine Bahnprivatisierung von England über Neuseeland bis Argentinien. In
Argentinien wurde das flächendeckende Netz durch die Privatisierung zerstört. Die
Zahl der Bahnbeschäftigten ging von 100.000 auf 10.000 zurück. Aus all diesen
Tatsachen haben die meisten Bundestagsabgeordneten offensichtlich nichts gelernt. Oder
sie wollen nichts lernen, weil sie ganz andere Interessen im Sinn haben als ein
umweltfreundliches erschwingliches Verkehrsmittel für Menschen und Güter und
Mobilität für alle. Noch gibt es im Konzern Deutsche Bahn einen
Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeSiT), der viele Eisenbahnerinnen und
Eisenbahner bei Wegfall des Arbeitsplatzes vor der Rutsche in Hartz IV bewahrt.
Natürlich hat dieser Vertrag auch viele Haken und Ösen. Er gilt nicht für Beschäftigte
mit weniger als 5 Jahren Konzernzugehörigkeit und wurde auch mit Urlaubskürzung,
Arbeitszeitverlängerung und Lohnverzicht erkauft. Und schon heute werden in manchen
DB-Tochterbetrieben vor allem im Osten Beschäftigte quasi mit der Pistole an der
Schläfe gezwungen, sofort eine Arbeit im Konzern am anderen Ende der Republik
anzunehmen oder ansonsten lieber gleich per Vertrag freiwillig
auszuscheiden. Sobald die materielle Privatisierung beginnt und private Investoren mit
am Tisch sitzen, werden diese Investoren eine solche Beschäftigungssicherung und den
anderen aus ihrer Sicht Sozialklimbim hinwegfegen. Dann
könnte es Schlag auf Schlag gehen. Unter diesen Umständen ist dann vorstellbar, dass
etwa viele der bisher im Servicebereich tätigen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner
aus Gründen der Kostensenkung erst die Arbeit verlieren und dann nach 1-2 Jahren als
1-Euro-Zwangsarbeiter an ihre früheren Arbeitsplätze zurückkehren
dürfen. Und man wird feststellen, dass dies im öffentlichen
Interesse liegt und keinen bestehenden Arbeitsplatz vernichtet. Investoren wollen eine maximale Rendite
erzielen und werden die aus den Arbeitskräften mit allen Mitteln herauszupressen
versuchen. Sie werden sich auch die einzelnen renditeträchtigen Filetstücke
heraussuchen etwa die Bahnreinigung oder die Werke und die regionalen
Tochtergesellschaften der DB-Nahverkehrstochter DB Regio. So oder so die Zergliederung und
Zerschlagung der Bahn ist längst im Gange. Die Bahn ist ein lebendiger Organismus. Wenn
die Organe einzeln entnommen werden, dann ist der Kollaps vorprogrammiert. Auch
DB-Chef Mehdorn ist kein Garant für einen einheitlichen Bahnkonzern. Schon letztes Jahr
hat der DB-Vorstand die Deutsche Eisenbahnreklame DERG ein profitables
Tochterunternehmen an den Kölner Medienkonzern Ströer verkauft. Die
Verkaufsverhandlungen für die Ostseefähren Scandlines laufen derzeit, und das
Fernbusunternehmen Deutsche Touring ist schon an einen spanisch-portugiesischen Konzern
verkauft. Der TRANSNET-Hauptvorstand hat kein Mandat der
Basis für die Mitarbeit an einem Ausverkauf der Deutschen Bahn. Letztes Jahr gab es
landesweit flächendeckend Basisdialoge, an denen alle Mitglieder teilnehmen und ihre
Meinung zum Beschäftigungssicherungstarifvertrag äußern konnten. In einer noch
wichtigeren Frage nämlich der Privatisierung sind jetzt keine
Basisdialoge geplant. Die Basis wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Die TRANSNET-Position ist klar. Schon der
Gewerkschaftstag 2000 hat beschlossen: Für die Erhaltung einer einheitlichen,
flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse der Beschäftigten, der Umwelt und
der Kunden. Kein Börsengang! Kein Ausverkauf - weder an ausländische noch an
inländische Kapitalgruppen! Wir rufen alle Kolleginnen und Kollegen auf:
Meldet euch zu Wort. Sucht die Bundestagsabgeordneten vor allem die der SPD
auf und heim und sagt ihnen klipp und klar, dass wir keine Privatisierung wollen
und dass der TRANSNET-Vorstand in dieser ganz entscheidenden Frage nicht in unserem
Namen spricht. Es ist erfreulich, dass sich in der
SPD-Fraktion jetzt starker Widerspruch gegen die geplante Privatisierung zu Wort meldet.
Weniger erfreulich ist es allerdings, dass TRANSNET und andere Bahn-Gewerkschaften
die Privatisierung propagieren und nicht einmal den Kontakt, geschweige denn einen
Schulterschluss mit den Privatisierungskritikern in der SPD suchen. Die vor wenigen
Tagen in den TRANSNET-Medien gemachte Ankündigung, die Politik müsse sich jetzt auch
mit Plan B befassen, ist offensichtlich nichts anderes als leeres Stroh. Die Basis aller Gewerkschaften, vor allem die
Basis der im Bahnsektor tätigen Gewerkschaften TRANSNET, GDBA, GDL, IG Metall, ver.di
und NGG, muss jetzt zusammenstehen und gemeinsam die Stimme erheben. Wir müssen die
Zukunft selbst gestalten und dürfen sie nicht den Privatisierungsgewinnlern des BDI oder
den Finanzinvestoren aus Asien, Russland oder Nordmerika und ihren Propagandisten
überlassen. Tragen wir den Protest auf die Straße. Diese Demonstration war ein hervorragender Anfang und ein weiterer Baustein einer breiten Aktionswelle. Es steht viel auf dem Spiel und es ist viel zu erreichen. www.bahnvonunten.de
- www.bahn-fuer-alle.de |
"Wir
müssen die Zukunft selbst gestalten und dürfen sie nicht den Privatisierungsgewinnlern
des BDI oder den Finanzinvestoren aus Asien, Russland oder Nordmerika und ihren
Propagandisten überlassen." Diese
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