Service-Töchter zum Ausverkauf freigegeben? |
Für neuen Zündstoff und Empörung in den
Reihen der Opposition und bei Teilen der SPD haben Meldungen über Details eines
Beteiligungsvertrags zwischen Regierung und Bahnmanagement gesorgt. Ein seit Montag im
Umlauf befindlicher Entwurf eines solchen Vertrages deutet darauf hin, dass es nicht bei
der von vielen Sozialdemokraten vehement geforderten strikten Obergrenze für die
Teilprivatisierung von 24,9 Prozent bleiben wird. Mit dem Vertrag wird zudem die
endgültige Zerschlagung der Bahn besiegelt.
Der Entwurf trägt den Titel Vertrag
über die Beteiligung von Kapitalanlegern an den Verkehrs-, Logistik- und zugehörigen
Dienstleistungsgesellschaften der Deutsche Bahn AG. Vertragspartner sind der Bund,
vertreten durch Bundesfinanzministerium und Bundesverkehrsministerium, die Deutsche Bahn
AG und die zum Zwecke der Teilprivatisierung neu gegründete DB Mobility
Logistics AG (ML AG).
Die ML AG umfasst rund drei Viertel der
bestehenden Arbeitsplätze im derzeitigen Konzern Deutsche Bahn. Unter ihrem Dach werden
jetzt nicht nur die Unternehmensbereiche für den Schienenpersonenfernverkehr, den
Personennahverkehr (DB Regio mit vielen regionalen
Tochtergesellschaften einschließlich Busgesellschaften und S-Bahnen) und den
Güterverkehr angesiedelt. Dazu kommen noch etliche andere, für einen reibungslosen
Bahnbetrieb notwendige bahneigene Serviceunternehmen wie für Fahrzeug-Instandhaltung,
Reinigung, Gebäudemanagement, Sicherheit, Fuhrparkmanagement, IT und Telekommunikation.
In den Paragraphen 7 und 8 des
Vertragsentwurfs wird bestimmt, dass die DB AG 75,1% der ML AG-Aktien behalten soll.
Gleichzeitig wird jedoch der ML AG die Möglichkeit eröffnet, ihrerseits
Tochterunternehmen für die Teilprivatisierung freizugeben. Dabei soll die ML AG lediglich
eine Mehrheitsbeteiligung an den Transport-Töchtern halten. Gemäß § 8
verpflichtet sich die DB AG, die Aufrechterhaltung der Mehrheitsbeteiligung der DB
ML AG an den Eisenbahnverkehrs- und Logistikunternehmen als satzungsgemäßen
Unternehmensgegenstand der DB MAL AG festzuschreiben.
Zweifelnde Sozialdemokraten, die eigentlich
keine Privatisierung wollten, hatte man bei den entscheidenden Abstimmungen in
Parteivorstand und Parteirat damit beruhigt, dass es auf jeden Fall bei der angeblich
ungefährlichen Privatisierungsschwelle von maximal 24,9% bleiben werde und
der Bahnkonzern nicht zerschlagen würde. Da im Vertragsentwurf nur von einer
Mehrheitsbeteiligung an den Eisenbahnverkehrs- und Logistikunternehmen die
Rede ist, dürften alle anderen Service-Unternehmen unter dem Dach der ML AG bald für den
Ausverkauf freigegeben werden. Dies entspräche der seit Jahren vom Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) und seiner Lobby geforderten Fragmentierung der Bahn zugunsten
privater Investoren. Etliche Industrie- und Dienstleistungskonzerne haben schon seit
Jahren ein Auge auf Tochterunternehmen wie die Bahnreinigung oder Ausbesserungswerke
geworfen und sehen sich jetzt kurz vor dem Ziel.
Es tut weh, dass sich schon innerhalb weniger Tage unsere schlimmsten Befürchtungen mehr als bewahrheitet haben, erklärte die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Dorothée Menzner, auf Anfrage. Die bekannt gewordenen Details zeigten, wie sehr das Bundesverkehrsministerium und Minister Tiefensee die SPD hinters Licht geführt und arglistig getäuscht haben, so die Parlamentarierin.
Auch der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer kritisierte die aktuellen Enthüllungen als in der Sache nicht hinnehmbar. Scheer, der sich früher einen Ruf als konsequenter Privatisierungsgegner erworben hatte, war zur namentlichen Bundestagsabstimmung über die Bahnprivatisierung letzten Freitag nicht erschienen. Im April allerdings hatte er im SPD-Parteirat das jetzt verabschiedete Privatisierungsmodell als akzeptabel unterstützt.
Hans-Gerd Öfinger