Eisenbahner
in der SPD:
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Delegierte von
SPD-Betriebsgruppen im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) kommen
in regelmäßigen Abständen zu einer Bundeskonferenz zusammen. In den letzten Jahren sind solche Treffen immer kleiner und immer
beschaulicher geworden. Nachdem vor zwei Jahren etwa der damalige Verkehrsminister Kurt
Bodewig ein Referat gehalten hatte, meldete sich damals niemand zum Tagesordnungspunkt
Aussprache. Solches Schweigen darf aber nicht unbedingt als
Zeichen großer Zufriedenheit mit der Verkehrs-, Bahn- und Sozialpolitik der Regierung
Schröder gewertet werden. Denn statt eines Aufbegehrens fand eine Abstimmung mit
den Füßen statt. Während in guten Zeiten über 200 Delegierte zu solchen
Konferenzen erschienen waren, waren diesmal nur noch 85 von 113 gemeldeten Delegierten
angereist. Doch einige unter ihnen waren fest entschlossen, endlich einmal brennende
Probleme der Eisenbahner(innen) zur Sprache zu bringen. Schon am Vormittag wurde mit einer Tradition
gebrochen: Das Referat des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen, Ralf Nagel, löste eine lebendige und auch kontroverse Diskussion aus. Nagel lobte die gestaltende Rolle der
Gewerkschaften im Prozess der Privatisierung und Öffnung des Schienenverkehrs. Die Frage
des Börsengangs bezeichnete er als eine qualitative Frage, wobei die Entscheidung vom
Anteilseigner getroffen werde. Auf jeden Fall müsse die Kapitalmarktfähigkeit erreicht
werden. Privatisierung müsse auch eine klare Perspektive für die Beschäftigten bringen.
Die Erfahrung anderer Börsengänge, wie etwa in Großbritannien, müsse zum Zwecke der
Fehlervermeidung analysiert werden. Eine Trennung von Netz und Betrieb sei ganz
klar in der Task Force Zukunft Schiene ausgeschlossen worden, und dabei bleibe
es auch. Dieses Fass dürfe nicht wieder aufgemacht werden. Auf die aktuelle Frage des Lkw-Maut-Systems
eingehend, stellte Nagel fest, dass sich die Einführung des Systems problematisch
gestalte. Es könne derzeit nicht gesagt werden, wie lange es noch dauern wird. Unter den Delegierten entzündete sich eine
lebhafte Diskussion. Viele machten auf die Situation der Bahn-Beschäftigten aufmerksam
und nannten erschreckende Beispiele aus der Praxis. Einige wiesen darauf hin, dass die
Privatisierung der DB und DR zur Atomisierung der Bahn geführt hat. Bei ca. 200
Tochtergesellschaften der DB entstand ein riesiger Wasserkopf. Die neue
Religion heisst: Wettbewerb. Wie das Beispiel der FLEX AG aber zeigt, ist
nicht alles Gold was glänzt. Die Daseinsfürsorge des Staates in puncto Mobilität wird
bei einem Global Player keine Rolle mehr spielen, wurde gesagt. Eines zeigte sich ganz deutlich: Die meisten
Kolleginnen und Kollegen sind von der SPD schwer enttäuscht. Sozialreform
stellt sich immer mehr als Sozialdeform heraus. Der Mitgliederverlust der SPD ist enorm.
Ein Delegierter berichtete, dass in NRW die Anzahl der CDU-Mitglieder erstmalig die der
SPD-Mitglieder im Lande überschritten hat. Antragsberatung Bei der Antragsberatung waren die meisten
Anträge unumstritten und wurden demenstprechend einstimmig angenommen: Richtig kontrovers wurde es aber, als der
nachfolgende Initiativantrag zur Beratung anstand, der immerhin von 34 der 85 Delegierten
unterschrieben worden war: Initiativantrag:
Nein zum Ausverkauf der
Deutschen Bahn! 2. Wir sagen
Nein zu jeglicher Form von Börsengang, Ausverkauf und Privatisierung und unterstützen
die in einer Resolution einstimmig beschlossene Forderung des letzten
Transnet-Gewerkschaftstags in Magdeburg im November 2000: 3. Wir
fordern die Genossinnen und Genossen in Bundestagsfraktion und Bundesregierung auf,
sämtliche Börsen- und Veräußerungspläne sofort ad acta zu legen bzw. zu entsorgen.
Sollte das DB-Management demgegenüber weiterhin auf eine teilweise oder komplette
Veräußerung der Deutschen Bahn bzw. einzelner Unternehmensteile pochen, so hat der
Eigentümer Bund hieraus unverzüglich Konsequenzen zu ziehen und sich von diesen
Herrschaften zu trennen. Es darf nicht sein, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt. 4. Alle
Umstrukturierungen, die im DB-Konzern mit dem Ziel eines Börsengangs bzw. Verkaufs
vorgenommen werden, sind sofort zu stoppen bzw. rückgängig zu machen. 5. Die
Bundestags-Fraktion und insbesondere die Abgeordneten aus den Reihen der AfA werden aufgefordert, entsprechend Druck auf die
Bundesregierung auszuüben und sich in diesem Sinne klar zu positionieren. 6. Der AfA-Bundesvorstand wird aufgefordert, zur Bilanzierung der bisher erfolgten Privatisierungen und ihrer Auswirkungen auf allen Ebenen eine Konferenz betroffener Betriebsgruppen aus Bahn, Post, privatisierten kommunalen Eigenbetrieben (wie etwa Stadtwerke, Nahverkehrsbetriebe. Entsorgungsbetriebe) etc. einzuberufen. Dabei sollen u.a. die zu Lasten von Arbeitnehmern und Allgemeinheit entstandenen Folgen und Strategien zur Rücknahme erfolgter Privatisierungen beraten werden. Dieser Initiativantrag erregte die Gemüter und
löste eine engagierte Debatte aus. Die Antragsprüfungskommission stellte zunächst fest,
dass der Antrag über die notwendige Anzahl von Unterstützerunterschriften verfügte (34
von 85), empfahl aber Ablehnung mit der Begründung, dieses Thema sei bereits
auf dem Gewerkschaftstag der Transnet im Jahre 2000 als
Resolution abgehandelt worden war (!!!). Nicht nur die Antragsteller aus Hessen zeigten
sich über diese Empfehlung sehr verwundert, da es sich hier um die Bundeskonferenz
sozialdemokratischer Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in der SPD und nicht der
Gewerkschaft Transnet handelte. Es entzündete sich eine Diskussion, wobei einige wenige
der Meinung waren, es könne sich hier nicht um einen Initiativantrag handeln, da das
Thema gar nicht so aktuell wäre. Ein Kollege hielt aber als Gegenargument die
aktuelle Septemberausgabe der Transnet-Zeitschrift Inform in die Luft, in der
genau dieses hochaktuelle Thema behandelt ist. Die meisten waren sich einig, dass das Thema
Börsengang und Privatisierung der Bahn behandelt werden müsse. Heinz
Fuhrmann, stellvertretender Bundesvorsitzender der GDBA und einer der Gegner dieses
Antrags, behauptete, seine Gewerkschaft habe sich noch nicht konkret zum Thema
Börsenbahn positioniert. Ein Vorschlag des zentralen
Betriebsgruppenausschusses war, den Initiativantrag an den Vorstand zu überweisen mit der
Massgabe, dass dieser dafür sorgt, dass ausgiebige Diskussionsveranstaltungen aller
Betriebsgruppen zu dem Thema Börsengang und Privatisierung organisiert werden. Die Antragstellerin kritisierte diese
Vorgehensweise als Begräbnis erster Klasse, das keineswegs einen Beschluss
nach eingehender Diskussion dieses vitalen Themas ersetzen könne. Fazit: Die anwesenden Vertreter der
hauptamtlichen Gewerkschaftsvorstände und des SPD-Parteiapparats wehrten sich mit
"Händen und Füßen" gegen eine so unmißverständliche politische
Positionierung und sofortige Beschlußfassung und schafften es mit Müh und Not, in einem
"Begräbnis erster Klasse" das Thema an den Zentralausschuß zu überweisen.
Dieser wurde allerdings verpflichtet, umgehend regionale Veranstaltungen zum Thema
"Börsenbahn" durchzuführen. |