Heißer Sommer an der Tariffront? |
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Der Deutschen
Bahn AG (DB) könnte eine spannende Tarifrunde und möglicherweise ein heißer Sommer ins
Haus stehen. Nachdem sich in den letzten Jahren bei den Eisenbahnern viel Unmut über
Arbeitsbedingungen und sinkende Realeinkommen breit gemacht hat, stehen die Gewerkschaften
jetzt unter dem einem gewaltigen Erwartungsdruck ihrer Mitglieder. Der
Rekord-Gewinn des Bahnkonzerns, den DB-Chef Mehdorn bei der jüngsten
Bilanz-Pressekonferenz der Öffentlichkeit verkündete, ist in erster Linie auf dem
Rücken und den Knochen der Beschäftigten zustande gekommen. Die bis 2010 vereinbarte
Beschäftigungssicherung hat Haken und Ösen und wurde vor allem mit
deutlichen Lohnopfern bezahlt. Bei zunehmendem Personalabbau auf allen Ebenen wird ein
reibungsloser Betriebsablauf immer schwieriger. Eisenbahner aus den unterschiedlichsten
Bereichen beklagen, dass viele für eine langfristige Substanzerhaltung notwendige
Investitionen und Anschaffungen zurückgestellt wurden, um auf dem Papier die Börsenfähigkeit
des Konzerns herzustellen. Die vom
Bahnmanagement eisern verordneten Einsparungen bei Mensch und Material wirken sich
mittlerweile kontraproduktiv und ökologisch schädlich aus. So wurden Arbeitsplätze und
Kapazitäten bei der Güterverkehrssparte Railion inzwischen so weit abgebaut, dass
Railion einer zusätzlichen Nachfrage nach Gütertransport in den letzten Jahren nicht
immer gerecht werden kann. Das Problem könnte sich verschärfen, wenn durch einen
trockenen Sommer der Wasserstand großer Flüsse so weit fällt, dass Binnenschiffe nur
noch mit reduzierter Last einsetzbar sind und kurzfristig mehr Schienentransport angefragt
wird. So hat ein
auf Privatisierung und organisatorische Zerschlagung der Bahn in weit über 200
Tochtergesellschaften getrimmtes DB-Management über Jahre und ohne effektiven Widerstand
der Gewerkschaften große Unzufriedenheit geschaffen. Weil der Druck im Kessel zunimmt,
sehen sich die Gewerkschaftsapparate gezwungen, den Unmut in sichere Bahnen zu
lenken und ein Ventil zu öffnen, um eine Explosion des Kessels zu verhindern. Doch
während viele Gewerkschafter bei Post und Telekom derzeit ihren Kollegen von der Bahn
dringend von jeder Art der Privatisierung abraten, sind die drei Bahngewerkschaften von
einem gemeinsamen Abwehrkampf gegen die Privatisierung weiter entfernt denn je. Mit ihrer
Drohung, ab dem 1. Juli für einen separaten Spartentarifvertrag
für das Fahrpersonal (FPTV) zu streiken, hat die Lokführergewerkschaft GDL (im Deutschen
Beamtenbund) in den letzten Tagen Aufsehen erregt. Sie sieht sich durch die Streiks der
Ärzteorganisation Marburger Bund im letzten Jahr ermuntert und fordert u.a. eine
kräftige Erhöhung der Einstiegsgehälter. Das DB-Management hingegen zeigt der GDL die
kalte Schulter und lehnt eine Spaltung der Belegschaft durch einen separaten
Tarifvertrag für eine Berufsgruppe kategorisch ab, so DB-Personalchefin Margret
Suckale. Aber auch die Tarifgemeinschaft der DGB-Gewerkschaft
TRANSNET und des Beamtenbund-Ablegers GDBA muss ihrer Basis handfeste Ergebnisse vorweisen
und fordert für die aktuelle DB-Einkommensrunde bei 12 Monaten Laufzeit eine
Einkommensanhebung um sieben Prozent, mindestens aber 150 Euro für untere
Einkommensgruppen. TRANSNET-Vorstandsmitglied Alexander Kirchner begründet diese
Forderung mit einer Produktivitätssteigerung seit Gründung der Deutschen Bahn AG Anfang
1994 um gut 200 Prozent und dem positiven Jahresergebnis des Konzerns für
2006. Suckale kritisierte diese Forderungen als überhöht und warnte vor
einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit
und bestehenden Beschäftigungssicherung. Angesichts
des anhaltenden politischen Tauziehens um den Weg der Privatisierung der DB dürfte dem
DB-Management derzeit allerdings wenig an einer zugespitzten Konfrontation mit TRANSNET
gelegen sein. Denn um sein umstrittenes Konzept eines integrierten Börsengangs
des DB-Konzerns überhaupt noch durchsetzen zu können, muss sich DB-Chef Hartmut Mehdorn
auf den TRANSNET-Vorsitzenden Norbert Hansen stützen. Dieser hatte sich zwar noch vor
genau einem Jahr in einer gemeinsamen Erklärung mit dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske
schriftlich zum Erhalt einer integrierten Deutschen Bahn im Staatsbesitz bekannt. Doch
mittlerweile distanzierte sich Hansen in einem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten
explizit von der DGB-Positionierung gegen einen Bahn-Börsengang. Mehdorn weiß, was er an
Hansen hat, und könnte daher an der Lohnfront zu Zugeständnissen geneigt sein. Dabei
stellt sich die Frage, ob Mehdorn in diesem Falle nicht auch eine materielle oder
politische Gegenleistung verlangen könnte. Wenn der GDL-Vorsitzende Manfred Schell indes die privatisierungsfreundliche Politik der
gewerkschaftlichen Konkurrenz geißelt und behauptet, stets gegen die Privatisierung
der Deutschen Bahn aufgetreten zu sein, so setzt er damit auf Vergeßlichkeit.
Vom Grundsatz her haben wir nichts gegen einen Börsengang", erklärte Schell
Anfang 2004 in Presseinterviews wörtlich (jW 17.1.2004).
Mit großer Zufriedenheit haben wir die politische Weichenstellung des
Koalitionsausschusses zur Teilprivatisierung der Bahn zur Kenntnis genommen,
kommentierte die GDL im November 2006 die Entschließung des Koalitionsausschusses zur
Bahnprivatisierung und überschrieb eine Presseerklärung mit den Worten GDL-Forderungen wurden erfüllt. Als
CDU-Bundestagsabgeordneter stimmte Schell 1994 in namentlicher Abstimmung für die
Privatisierung von Post und Telekom. Auch wenn Schell und Hansen gleichermaßen
beteuern, eigentlich keine Privatisierung zu fordern, so vertreten sie letzten Endes
unterschiedliche Varianten der Privatisierung als das jeweils kleinere Übel.
Dabei liegen diesen unterschiedlichen Modellen vor allem unterschiedliche und
entgegengesetzte Interessen potentieller
Investorengruppen zu Grunde. Hansen stellt eine Teilprivatisierung der DB AG durch Verkauf
von bis zu 49 Prozent der Aktien als Schutz vor der Zerschlagung der Bahn und totalen
Privatisierung dar. Die GDL hingegen fordert, dass das Netz bei einem
Börsengang aus dem Konzern herausgelöst wird und in der Verfügungsgewalt des
Eigentümers Bund verbleibt. Dies käme den derzeitigen britischen Zuständen nahe;
dort ist das Schienennetz wieder in staatlicher Obhut, während alle anderen Bereiche
fragmentiert und in privater Hand sind. Schell und Hansen ignorieren, dass britische
Gewerkschaften vor einer Zerschlagung und Filetierung des Systems Bahn ebenso warnen wir
vor dem Verkauf auch nur einer einzigen Bahnaktie an private Investoren.
Hans-Gerd Öfinger |
www.bahnvonunten.de
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