Wirbel um ZDF-Magazin Frontal21
Solidarität mit Alfred Lange
Schluss mit dem Börsenkurs des TRANSNET-Vorstands

Für eine transparente und kämpferische TRANSNET!

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Das ZDF-Magazin Frontal21 vom 16. Oktober 2007 hat in unserer Gewerkschaft TRANSNET hohe Wellen geschlagen. „Die Gewerkschaft am Gängelband - Die Bahn und ihre TRANSNET“ lautete der Titel des Beitrags: „Die TRANSNET unterstützt den Privatisierungskurs der Bahn. Dafür hätschelt Bahnchef Mehdorn seine Hausgewerkschaft. TRANSNET habe ihre Unabhängigkeit aufgegeben, so ein anonymer Insider“, heißt es in den Anmoderation.

„Alle DGB-Gewerkschaften sind gegen die Privatisierung der Bahn - mit einer Ausnahme: Ausgerechnet die Eisenbahnergewerkschaft TRANSNET unterstützt Bahnchef Mehdorn beim geplanten Börsengang. Kritiker werfen der Führung von TRANSNET vor, ihre Unabhängigkeit aufgegeben zu haben. Die Unternehmensführung der Bahn, so ein anonymer Insider, mache sich die TRANSNET durch finanzielle Unterstützung gefügig. Im Gegenzug unterstütze TRANSNET die Privatisierung der Bahn; die Gewerkschaft sei nicht mehr unabhängig,“ so die ZDF-Sendung.

Die gewerkschaftliche Website www.transnet.org widersprach umgehend den Aussagen des ZDF-Magazins und kündigte am 18. Oktober die Prüfung rechtlicher Schritte „gegen diese Art von Berichterstattung“ an.

Die TRANSNET-Erklärung widerspricht der Behauptung, „TRANSNET unterstützt Mehdorns Börsenkurs“. Belege dafür seien nicht genannt worden. „TRANSNET hat nie den Börsengang öffentlich vertreten, sondern hat ihre kritisch-konstruktive Begleitung des Prozesses an konkrete Bedingungen geknüpft“, heißt es darin wörtlich.

Zynisches Versteckspiel

Richtig an dieser Feststellung ist, dass der TRANSNET-Gewerkschaftstag im Juli 2007 nicht die pauschale Zustimmung zum Börsengang gegeben hat, sondern „nur“ Bedingungen für eine Zustimmung beschlossen hat. „Mir wäre lieber, wenn nicht privatisiert würde“, erklärte der Berliner TRANSNET-Sekretär Jürgen Geidies im September 2007 auf einer Diskussionsveranstaltung in Halle (Saale) und sprach damit sicher für die allermeisten TRANSNET-Mitglieder und -Funktionäre.

Doch für den geschäftsführenden TRANSNET-Vorstand gilt all dies nicht mehr, weil er schon längst auf Mehdorns Börsenkurs eingeschwenkt ist. Bei der Rechenschaftsdebatte auf dem TRANSNET-Gewerkschaftstag 2004 in Berlin forderte der Delegierte Torsten Weigert, das existentielle Thema Börsengang sollten die Delegierten auch auf den anstehenden Parteiabenden mit den Vertretern der Bundestagsparteien und beim Auftritt des Bundeskanzlers einen Tag später zur Sprache bringen. Doch davon riet Norbert Hansen entschieden ab und warnte davor, den Kanzler mit einer kritischen Debatte zu erzürnen. Mit einem „Nein“ zum Börsengang würde die Gewerkschaft ihre Einflussmöglichkeiten auf die Politik schwächen. Der Kanzler habe nun mal mit seinem Kabinett entschieden, zunächst 20 bis 25 Prozent der Anteile der DB AG zu verkaufen und stehe in diesem Zusammenhang uneingeschränkt zur Notwendigkeit, den Konzern nicht aufzusplitten. „Wenn wir ihn zwingen würden, vom Börsengang abzurücken, weiß ich nicht, ob er dann immer noch sagen würde, der Konzern bleibt zusammen, oder ob er dann doch für Trennung und den Verkauf der Transportbereiche ist.“

Der Kanzler beendete dann seine Ansprache mit dem Satz: „Norbert und ich haben früher gemeinsam die Revolution geplant, die wir heute verhindern müssen“. Dafür erhielt er stürmischen Applaus.

Auch beim Auftritt von Minister Tiefensee auf dem TRANSNET-Gewerkschaftstag 2007 in Fulda war heile Welt und Männerfreundschaft zwischen „Norbert und Wolfgang“ angesagt und eine kritische Diskussion über Sinn und Zweck der Privatisierung unerwünscht.

Als im Herbst 2006 eine Delegation des Aktionsbündnisses „Bahn für Alle“ Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) in Berlin einen dicken Stoß mit gesammelten Unterschriften gegen jede Form der Bahnprivatisierung überreichte, erwiderte die Sozialdemokratin auf die Einwände der Privatisierungskritiker mit dem Hinweis: „Aber TRANSNET sagt uns, wir können privatisieren“.

Gegenüber der eigenen Gewerkschaftsbasis wiederum beteuern führende TRANSNET-Funktionäre stets: Wir fordern keine Privatisierung, aber die SPD will nun mal privatisieren, und daher müssen wir konstruktiv daran mitwirken. Als sich dann ab Ende 2006 in der SPD eine starke Grundstimmung gegen die Bahnprivatisierung aufbaute, war dies dem TRANSNET-Vorstand offenbar nicht recht. TRANSNET-Mitglieder erfuhren davon im Mitgliedermagazin inform auch nichts. Anstatt sich nun mit denjenigen Kräften in der Sozialdemokratie zu verbünden, die die Privatisierung ablehnen und – wie der SPD-Landesverband Bayern – ein Moratorium einzulegen und ein Gutachten für eine alternative öffentliche Bahn zu entwickeln, vollzog der TRANSNET-Vorstand immer mehr den Schulterschluss mit dem politischen Hauptakteur der Privatisierung und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Dass sich 2007 über zehn SPD-Landesverbände gegen die Bahnprivatisierung positioniert haben, ist dem TRANSNET-Vorstand offensichtlich ein Dorn im Auge und keine einzige Zeile in den gewerkschaftseigenen Medien wert – weil es die Propagandalüge widerlegt, dass die SPD angeblich privatisieren wolle.

Im September 2007 forderte die Bundeskonferenz der sozialdemokratischen EisenbahnerInnen die SPD-Bundestagsabgeordneten auf, dem EBNeuOG (d.h. Eisenbahnneuordnungsgesetz, also dem Privatisierungsgesetz, der Verfasser) zuzustimmen. Antragssteller war der Zentralausschuss, dessen Vorsitzender der Kollege Karl-Heinz Zimmermann, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der TRANSNET, ist. Brauchen wir da noch mehr Belege für die Aussage, dass der geschäftsführende TRANSNET-Vorstand Mehdorns Börsenkurs unterstützt? Oder hat der Kollege Zimmermann dies gar im Alleingang und hinter dem Rücken des Kollegen Norbert Hansen eingefädelt? Wohl kaum!

Als der SPD-Parteivorstand im September 2007 eine aus Privatisierungsgegnern und -befürwortern zusammengesetzte Kommission bildete, um auf der Grundlage eines „Volksaktien“-Modells für den anstehenden Bundesparteitag einen möglichen Kompromissantrag auszuformulieren (und dem Bundesverkehrsminister eine schwere Abstimmungsniederlage auf dem Bundesparteitag zu ersparen), wurde Norbert Hansen auf dem Ticket der Befürworter für diese Kommission benannt.

Als einziger in dieser Kommission stimmte er dann gegen den vorgelegten Kompromissantrag und empfahl flugs allen Bundestagsabgeordneten, für den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Privatisierungsgesetzes zu stimmen. Welche Legitimierung von seiner Basis hat Norbert Hansen dafür, einem Ausverkauf der Bahn Tür und Tor zu öffnen? Warum lässt Norbert Hansen am Mittwoch die ZDF-Behauptung, „TRANSNET unterstützt Mehdorns Börsenkurs“ dementieren und fordert nur zwei Tage später die Bundestagsabgeordneten uneingeschränkt zur Unterstützung von Mehdorns Börsenkurs auf?

Demokratische und faire Diskussion ist nötig!

Offensichtlich passt es nicht allen TRANSNET-Vorstandsmitgliedern und vorstandsloyalen Funktionären, dass sich der Kollege Alfred Lange, Railion-Betriebsrat und Mitbegründer unserer Initiative Bahn von unten, in Frontal21 als entschiedener Gegner des Börsengangs positioniert und vom ZDF mit folgender Aussage zitiert wird:

„Nicht nachvollziehbar" findet das Bahn-Betriebsrat Alfred Lange: "Dieses Begleiten an die Börse durch die TRANSNET-Spitze, das ist mein eklatantester Punkt, mit dem ich absolut überhaupt nicht übereinstimmen kann.“

Dieses mutige Auftreten des Kollegen Lange, der im Gegensatz zu vielen anderen Gesicht zeigt und auch „Nein“ sagt, wenn er „Nein“ meint, hat hinter den Kulissen eine hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Dabei haben einzelne Funktionäre dem Vernehmen nach sogar die Frage gestellt, ob es denn nicht an der Zeit sei, wegen angeblich „gewerkschaftsschädigenden Verhaltens“ ein Ausschlussverfahren gegen Alfred Lange einzuleiten.

So weit kann die offizielle Erklärung zum Frontal21-Beitrag auf www.transnet.org allerdings nicht gehen. Hier lesen wir:

„In einer demokratischen Organisation mit rund 260.000 Mitgliedern ist es nicht üblich, dass alle einer Meinung sind. Üblich ist allerdings, dass Positionen durch Diskussion und Mehrheitsentscheide gefunden werden. Kollege Alfred Lange hat auf dem Gewerkschaftstag 2004 für einen Antrag gestritten, der eine Ablehnung der Privatisierung forderte. Dieser Antrag hat keine Mehrheit gefunden. Die politischen Positionen wurden im TRANSNET-Hauptvorstand entwickelt.Darin wird die Position der „kritisch-konstruktiven Begleitung“ formuliert. Sie ist durch den a.o. Gewerkschaftstag vom Juli 2007 bestätigt worden. Die Beschlusslage ist insofern eindeutig. Minderheitspositionen oder abweichende Meinungen haben in der TRANSNET ihre Berechtigung. Die betreffenden Kolleginnen und Kollegen sind herzlich eingeladen, weiterhin für ihre Position zu fechten.“

Diese Einladung nehmen wir gerne an. Es ist höchste Eisenbahn. Dabei ergibt sich aber ein kleines Problem. Wie können wir in unserer Gewerkschaft sachlich, fair und gleichberechtigt über unsere Positionierung, über ein Pro und Contra zur Privatisierung diskutieren, wenn der Gewerkschaftsapparat eine solche Diskussion unterbindet?

  • Beim Gewerkschaftstag 2004 wollten wir als Initiative „Bahn von unten“ mit einem Infostand für die Ablehnung der Privatisierung werben und unsere hierzu erstellte Broschüre „Bahn und Börse – wohin rollt der Privatisierungszug“ verteilen. Dies wurde uns vom Hauptvorstand ausdrücklich untersagt.
  • Innergewerkschaftliche Privatisierungskritiker wie Bahn von unten kommen in den offiziellen TRANSNET-Medien (inform, TRANSNETThemen, www.transnet.org) überhaupt nicht zu Wort. Warum organisiert die Redaktion nicht Pro- und Contra-Seiten, auf denen unser Standpunkt zu Wort kommt?
  • Es ist bekannt, dass unsere Brudergewerkschaften in England, Frankreich und anderswo uns strikt vor einer Privatisierung der Bahn warnen und sich verwundert fragen, warum der TRANSNET-Vorstand solche Warnungen in den Wind schlägt und gegenüber der Politik grünes Licht für den Börsengang geben. Warum lassen die TRANSNET-Medien nicht einmal die Argumente der Brudergewerkschaften zu Wort kommen?
  • Auch der privatisierungskritische Film „Bahn unterm Hammer“ ist in den TRANSNET-Medien seit März mit keinem Wort erwähnt worden. Auf wiederholte telefonische Anfragen bekamen verschiedene Kollegen von der Redaktion nur eine ausweichende Antwort. Warum diese Zensur? Während TRANSNET-Mitglieder wie Alfred Lange und andere in diesem Film offen darstellen, wie sich die Zerschlagung der Bahn und Jagd nach Börsenfähigkeit negativ auf den Eisenbahneralltag auswirkt, hat sich der TRANSNET-Vorstand (ebenso wie der DB-Vorstand) geweigert, für diesen Film überhaupt Interviews zu geben. Warum diese Zurückhaltung und Scheu vor einer Diskussion?
  • Wann endlich – und noch vor einer Beschlussfassung im Bundestag – wird der Hauptvorstand flächendeckende Basisdialoge zur Frage der Privatisierung durchführen, wie sie zu Tarifrunden mehrfach stattgefunden haben? Warum werden ausgewiesene Privatisierungsgegner nicht zu Betriebsratssitzungen, Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen und Mitgliederversammlungen eingeladen, um ihre Argumente vorzutragen?

Selbstmord aus Angst vor dem Tod oder:
Durch Teilprivatisierung die Einheit der Bahn retten?

Wenn Norbert Hansen und andere in diesen Tagen für eine rasche Verabschiedung des Privatisierungsgesetzes werben, dann tun sie dies nach eigenen Angaben aus ganz uneigennützigen Gründen. Die dahinter stehende Logik: Wenn wir jetzt nicht springen und die Privatisierung des Konzerns hinkriegen, dann wird eine mögliche konservative Parlamentsmehrheit aus CDU/CSU und FDP ab 2009 – mit Zustimmung von Grünen und GDL – die Bahn völlig zerschlagen, also Netz und Betrieb komplett trennen, das Netz beim Bund lassen und alle anderen DB-Töchter einzeln und vollständig privatisieren. Darum lieber jetzt mit Tiefensee und Mehdorn „nur“ 49 Prozent privatisieren, und alles ist in Butter.
So weit, so schlecht.

Die Bahn ist ein einheitlicher Organismus. Wenn man einzelne Teile entnimmt, ist der Kollaps vorprogrammiert. Für die Erhaltung einer einheitlichen Bahn, die Einheit von Fahrweg und Betrieb, gibt es tausend gute Gründe. In Großbritannien fordern Gewerkschaften, Labour Party und große Teile der Öffentlichkeit eben diese Wiederherstellung  – aber alles in öffentlicher Hand. „Keine einzige Bahnaktie soll in öffentliche Hände gelangen“, lautete der Ratschlag des Vertreters unserer britischen Brudergewerkschaft TSSA an TRANSNET – ein klares Plädoyer für eine zu 100 Prozent öffentliche Bahn. Warum stoßen solche Ratschläge beim Transnet-Vorstand nur auf taube Ohren?

Die Behauptung, jetzt durch einen Börsengang und Schulterschluss mit Hartmut Mehdorn die Einheit der Bahn zu retten, ist schon längst durch die Praxis widerlegt. Denn die Zerschlagung unserer Bahn hat unter Hartmut Mehdorn und bei gleichzeitiger Duldung und Mitwirkung des Transnet-Vorstands schon längst begonnen.

Aus der Praxis wissen wir, dass die Aufteilung des Bahnkonzerns in weit über 200 Tochtergesellschaften den Betriebsablauf massiv behindert, die Kommunikation erschwert und neue Bürokratien und Wasserköpfe geschaffen hat. Schlimmer noch: Man hat dadurch kleinere und größere Filetstücke geschaffen, die sich mühelos einzeln verkaufen lassen.

So wurden unter dem seit 2000 amtierenden DB-Chef Mehdorn schon ohne ersichtliche Not und ohne nachvollziehbaren Grund profitable Tochterunternehmen aus der großen Bahnfamilie herausgerissen und an Private verkauft:

  • Die PFA Weiden, ein ehemaliges DB-Ausbesserungswerk, das dann ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Flachglas AG und Pilkington wurde und schließlich in die Hände eines „Heuschrecken“-Fonds auf den Niederländischen Antillen geriet und ausgeplündert wurde. Von über 1000 ehemals Beschäftigten sind noch deutlich weniger als 100 übrig geblieben, die heute für den schweizerischen Stadler-Konzern arbeiten. Als Lobbyist für Stadler arbeitet übrigens der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz.
  • Das DB-Fernmeldewerk München Aubing wurde ebenfalls 2000 an seinen Leiter verkauft. Später geriet es unter der Bezeichnung RCF (Repair Center Fürstenfeldbruck) in die Hände schweizerischer Finanzinvestoren und wurde platt gemacht.
  • Die Fernbus-Gesellschaft Deutsche Touring GmbH wurde 2005 an ein spanisch-portugiesisches Konsortium verkauft.
  • Die Deutsche Eisenbahn-Reklame GmbH, die u.a. die Faltblätter und Reisepläne für ICE- und IC-Züge herstellt und die Werbeflächen rund um die Bahnhöfe vermarktet, wurde an den Kölner Medienkonzern Ströer verkauft.
  • Der Ostseefährbetreiber Scandlines, bislang deutsch-dänisches Gemeinschaftseigentum, wurde jüngst an ein Konsortium verkauft.
  • Die DB-Com sollte eigentlich nur zu maximal 49% an Externe verkauft werden; mittlerweile besitzt Arcor die Anteile fast komplett.
  • Vor wenigen Wochen erfuhren wird, dass die DB-Immobilientochter Aurelis für einen extrem günstigen Preis an ein Konsortium aus dem Baukonzern Hochtief und dem britischen Finanzinvestor Redwood Grove verkauft wurde. Der offiziell genannte Verkaufspreis in Höhe von 1,6 Mrd. Euro dividiert durch die offiziell genannte Zahl von 27 Millionen Quadratmetern ergibt einen durchschnittlichen Preis von knapp 60 Euro je Quadratmeter. Für Bauland in Bahnhofsnähe und attraktive Grundstücke in Citylage erscheint uns dies sehr, sehr günstig. Nähere Informationen hierzu haben wir (noch) nicht, weil weder DB noch Gewerkschaft nähere Informationen weitergegeben haben.
  • Diese Liste verkaufter und profitabler DB-Töchter erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; nach unseren Recherchen wurden unter Mehdorn u.a. auch DB-Werke in Arnstadt, Blankenburg, Brandenburg, Dessau, Greifswald, Halberstadt, Leipzig-Engelsdorf, Stendal und Vacha verkauft. Die aufgeführten Beispiele sprechen aber für sich und zeigen, wie hohl Hartmut Mehdorns Bekenntnisse zum einheitlichen Bahnkonzern sind.

Es ist schlimm, wenn uns der Transnet-Vorstand einzureden versucht, dass ein DB-Vorstand, der ohne Rücksicht auf Verluste und ohne ersichtlichen Grund profitable Töchter hergibt, Garant für einen einheitlichen Bahnkonzern und ein verlässlicher Verbündeter der Gewerkschaft und aller EisenbahnerInnen sei. Schlimmer ist es, wenn der Transnet-Vorstand nicht einmal gegen solche Praktiken des Bahnmanagements mobilisiert. Am allerschlimmsten ist es, wenn die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der DB-Holding diese Machenschaften, dieses Verscherbeln von Filetstücken absegnen und durchwinken – und den Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn dafür noch mit einer kräftigten Erhöhung bzw. Vervielfachung seiner Bezüge „belohnen“.

Stimmverhalten im Aufsichtsrat: Zerschlagung abgenickt

Ohne eine Zustimmung des Aufsichtsrats der DB AG wären solche Verkäufe von Tochterbetrieben nicht vorstellbar. Nehmen wir daher einmal die Verhältnisse im DB-Aufsichtsrat genauer unter die Lupe.

Der Aufsichtsrat der DB Holding besteht aus 20 Mitgliedern. Laut Mitbestimmungsgesetz von 1976 sind davon 10 Vertreter der Arbeitnehmer und 10 Vertreter des Anteilseigners. Aufsichtsratsvorsitzender ist derzeit der Ex-Bundeswirtschaftsminister, Ruhrkohle-Manager und Schröder-Vertraute Werner Müller, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist der TRANSNET-Vorsitzende Norbert Hansen. Bei einem „Patt“ zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitnehmervertretern kann der Aufsichtsratsvorsitzende doppeltes Stimmrecht ausüben (und somit, weil er in den Regel den Anteilseigentümer vertritt, die Arbeitnehmer überstimmen).

Weitere Aufsichtsratsmitglieder auf der „Arbeitnehmerbank“ sind:

Klaus Dieter Hommel, Bundesvorsitzender der Verkehrsgewerkschaft GDBA
Lothar Krauß, Stellvertretender TRANSNET-Vorsitzender
Helmut Kleindienst, Spartenbetriebsratsvorsitzender Unternehmensbereich Dienstleistungen DB Dienstleistungen GmbH
Horst Hartkorn, Betriebsratsvorsitzender der S-Bahn Hamburg GmbH,
Jörg Hensel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Railion Deutschland AG
Günter Kirchheim, Konzernbetriebsratsvorsitzender der DB AG und Gesamtbetriebsratsvorsitzender der DB Netz AG
Vitus Miller, Gesamtbetriebsratsvorsitzender Regio/Stadtverkehr
Heike Moll, des Gesamtbetriebsratsvorsitzende DB Station&Service AG
Ute Plambeck, Konzernbevollmächtigte der DB AG für Hamburg/Schleswig-Holstein

Da der Bund nach wie vor Alleineigentümer der Deutschen Bahn AG ist, benennt er die zehn weiteren Aufsichtsratsmtglieder der „Arbeitgeberbank“. Diese Mitglieder sind - neben dem bereits erwähnten Werner Müller:

Jörg Hennerkes, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung,
Dr. Axel Nawrath, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen
Dr. Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Georg Brunnhuber, MdB, CDU

Dr. Jürgen Krumnow , Ehem. Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bank AG
Dr. Eggert Voscherau, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BASF Aktiengesellschaft
Heinrich Weiss, Vorsitzender der Geschäftsführung SMS GmbH
Niels Lund Chrestensen, Geschäftsführender Gesellschafter N.L. Chrestensen, Erfurter Samen- und Pflanzenzucht GmbH
Dr.-Ing. Dr. h.c. Jürgen Großmann, Vorsitzender des Vorstandes RWE AG, Gesellschafter der Georgsmarienhütte Holding GmbH

Neben vier Vertretern der Politik (Hennerkes, Nawrath, Pfaffenbach, Brunnhuber) sind es also schon sechs unmittelbare Vertreter des Kapitals, denen der Bund – im Vorgriff auf eine Kapitalprivatisierung – die lukrativen Aufsichtsratsposten und wichtige Einblicke verschafft hat.

Allerdings: Noch sind dem privaten Kapital im DB-Aufsichtsrat Grenzen und Schranken gesetzt – zumindest theoretisch. Noch hätten – rein rechnerisch – die Arbeitnehmervertreter unter der Stimmführerschaft Norbert Hansens die Möglichkeit, gemeinsam mit den beiden Vertretern der (seit 1998) sozialdemokratisch geführten Bundesministerien für Verkehr und der Finanzen – in beiden Fällen beamtete Staatssekretäre – mehrheitlich „Nein“ zu sagen zum Verkauf profitabler Töchter oder zu anderen arbeitnehmerfeindlichen Maßnahmen des Mehdorn-Managements. Schließlich soll ein Aufsichtsrat ja ausdrücklich den Unternehmensvorstand wirksam kontrollieren und ihm nicht blind folgen.

Doch dazu ist es in den letzten Jahren aber nicht gekommen. Wir haben guten Grund zur Annahme, dass die Arbeitnehmervertreter im DB-Aufsichtsrat in den nichtöffentlichen Sitzungen in aller Regel durchweg mit der Seite der Anteilseigner abgestimmt und alle Maßnahmen des Konzernvorstands abgesegnet haben. Dafür sprechen folgende Fakten:

  • Vor dem TRANSNET-Gewerkschaftstag 2000 in Magdeburg erklärte das damalige DB-Aufsichtsratsmitglied Albert Schmidt, seinerzeit verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag, dass im Aufsichtsrat der DB alle Beschlüsse immer einstimmig gefasst würden. Dieser Bemerkung, die für Aufsehen, betretenes Schweigen und Betroffenheit im Saal sorgte, wurde nicht widersprochen.
  • Nur einmal kurz danach sorgten – wie in einer Resolution des Gewerkschaftstages 2000 gefordert – die Nein-Stimmen der Arbeitnehmervertreter im DB-Aufsichtsrat zu den arbeitnehmerfeindlichen Maßnahmen des Managements für öffentlichen Wirbel. Seither ist nie wieder Entsprechendes gemeldet worden.
  • Norbert Hansen betont bis zum heutigen Tage, dass die SPD als einziger verlässlicher politischer Verbündeter der TRANSNET sich entschieden gegen die Zerschlagung der Deutschen Bahn gewandt habe. Doch im Ernstfall gilt dies offensichtlich nicht, denn sonst hätten die Staatssekretäre aus dem SPD-geführten Finanz- und Verkehrsministerium gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern den irrsinnigen Verkauf dieser (o.g.) DB-Tochterunternehmen gestoppt und die Einheit des Konzerns verteidigt.
  • Anders als etwa bei der Deutschen Telekom, wo der Bund ebenfalls durch sozialdemokratische Staatssekretäre im Aufsichtsrat vertreten ist, hat es bei der Deutschen Bahn nicht einmal Versuche gegeben, durch öffentlichen Druck das Stimmverhalten dieser DB-Aufsichtsratsmitglieder zu beeinflussen.
  • Seit gut 10 Jahren betreiben Bundesregierung und Bundesverkehrsministerium keine eigenständige vorausschauende Bahnpolitik mehr. Als 2005 die Meldung vom Verkauf der Deutschen Eisenbahnreklame aufkam, wollten wir von der Pressestelle des Bundesverkehrsministeriums wissen, wie Armin Nagel, damals Staatssekretär und DB-Aufsichtsratsmitglied, sich dazu verhält. Armin Nagel war hierzu nicht zu sprechen. Der Sprecher des Ministeriums erklärte nur sinngemäß: „Die Deutsche Bahn ist ein privates Unternehmen; wir haben da nicht reinzureden.“
  • Noch gehört die Deutsche Bahn uns allen. Im Grunde jedoch hat das Mehdorn-Management weitgehend einen Blankoscheck des Eigentümers und ist keiner wirksamen Kontrolle durch den Bund oder die Arbeitnehmervertreter unterworfen.
  • Alles spricht dafür, dass die massive Erhöhung der Bezüge des DB-Vorstands seit 2000 ebenfalls mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter beschlossen wurde. Im Jahre 2000 betrug das Jahreseinkommen des DB-Vorstandsvorsitzenden eine Million DM; heute liegt es bei 3 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung von weit über 31 Prozent!

Selbstmord aus Angst vor dem Tod oder:
Durch Privatisierung die Einheit der Bahn retten?

Nun versucht uns Norbert Hansen einzureden, dass eine rasche Verabschiedung des  Gesetzentwurfs die einzige historische Chance wäre, um eine Zerschlagung der Bahn zu verhindern. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Denn im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eine weitere Zerschlagung der Bahn angelegt. Die Infrastruktur bleibt juristisches Eigentum des Bundes und wird von der zu privatisierenden DB AG wirtschaftlich bilanziert. Dem Bund soll die Möglichkeit eingeräumt werden, nach 15 Jahren die Infrastruktur, die ihm juristisch schon gehört, für teures Geld von der privatisierten AG wieder „zurückzukaufen“. Was ist das alles – wenn nicht eine weitere Zerschlagung unserer einheitlichen Bahn?

Norbert Hansen hat wiederholt angekündigt, bei einer drohenden Zerschlagung der Bahn würde TRANSNET für einen „Plan B“ (Bahn bleibt beim Bund) kämpfen. Nun verstärkt der vorliegende Gesetzentwurf genau diese Tendenzen zur Zerschlagung. Daher ist es höchste Eisenbahn, das wir jetzt gegen jede weitere Zerschlagung und Privatisierung und für Plan B eintreten.

Wenn der Kollege Hansen den Schulterschluss mit der Privatisierungslobby als Akt zur Rettung der einheitlichen Bahn preist, dann hat er vergessen, wozu Gewerkschaften überhaupt da sind. Beim Gewerkschaftstag 2004 war noch ein ganz anderer, ein selbstbewusster Norbert Hansen zu hören, der wusste, wie mit der geballten gewerkschaftlichen Kampkraft die Zerschlagung der Bahn verhindert werden kann. Unter starkem Applaus kündigte er an, bei einer drohenden Zerschlagung der Bahn würden so lange alle Züge stillstehen, bis diese Pläne vom Tisch seien.

Muss die DB wirklich halb Europa aufkaufen?

Immer öfter führen die Propagandisten der Bahnprivatisierung ein Hauptargument ins Feld: Die Deutsche Bahn bräuchte jetzt ganz dringend privates („frisches“) Kapital, um sich europaweit zu behaupten und damit die Einheit des Bahnkonzerns in Deutschland zu retten. Dem halten wir entgegen:

  • Hauptzweck der Deutschen Bahn muss es sein, die Eisenbahn als soziales und ökologisches Verkehrsmittel zu fördern und den flächendeckenden Schienentransport von Menschen und Gütern in Deutschland auszubauen und endlich den inländischen Marktanteil des Schienenverkehrs gegenüber anderen Verkehrsträgern zu erhöhen – und nicht Bahnen in ganz Europa aufzukaufen. Daher können wir den vorgeblichen Sachzwang, dass die DB nur mit einer Expansionsoffensive überlebensfähig wäre, nicht akzeptieren.
  • Mit dem Versuch eines Aufkaufs der halben Welt haben sich vor der DB schon andere deutsche Konzerne kräftigt verhoben und verkalkuliert – so etwa Daimler oder BMW. Damit wurden viele Milliarden in den Sand gesetzt. Auch die privatisierte Deutsche Post strebt die Weltherrschaft im Logistikbereich an, kommt dabei zunehmend auch der Deutschen Bahn in die Quere, hängt gleichzeitig die Fläche ab, schließt Filialen und entfernt Briefkästen.
  • Die Panikmache nach dem Motto „Wenn wir nicht die anderen aufkaufen, dann machen sie uns platt“ können wir nicht hinnehmen. Noch sind DB und SNCF nicht privatisiert, noch könnten sie die solidarische und gleichberechtigte Zusammenarbeit ausbauen und noch könnten die Regierungen in Deutschland und Frankreich dafür sorgen, dass die europäische Politik der Liberalisierung im Eisenbahnbereich gestoppt wird. Gegen den Willen der Bundesregierung wären alle neoliberalen Richtlinien der EU nicht vorstellbar.
  • Die Privatisierungsbetreiber reden davon, dass die DB für ihre Einkaufspläne mindestens 60 Milliarden Euro bräuchte und dafür auf privates Kapital angewiesen sei. Diese Zahl wurde von Insidern auf der Bundeskonferenz Sozialdemokratischer Eisenbahner im September 2007 in Köln bestätigt. Bei einem Verkauf von bis zu 49 Prozent der DB-Aktien durch Börsengang sind nach seriösen Schätzungen (Commerzbank, verschiedene Experten im Film „Bahn unterm Hammer“, www.martin-burkert.de) aber deutlich weniger als zehn Milliarden Euro zu erzielen.
  • Woher sollen dann die restlichen 50 Milliarden und mehr kommen? Eine mögliche Antwort hierauf bot sich in den letzten Monaten. So begründete der DB-Vorstand den Verkauf des profitablen Ostseefährbetreibers Scandlines mit der Notwendigkeit, den Einkauf der britischen Güterbahn EWS zu finanzieren. Wie ein Spielsüchtiger seine Habseligkeiten und notfalls auch sein Tafelsilber im Pfandhaus verscherbelt, um an Geld für den nächsten Einsatz ranzukommen, so werden die DB-Manager in ihren Drang nach der Vorherrschaft in Europa in den kommenden Jahren je nach Zweckmäßigkeit Tochterbetriebe und ganze Unternehmensbereiche (Services, Regio, Schenker???????) verkaufen und mit dem Erlös sofort wieder andere Firmen hinzukaufen, von denen sie sich eine noch höhere Rendite versprechen. 
  • Die jetzt allseits beschworene heilige Einheit des Bahnkonzerns, der konzernweite Arbeitsmarkt und sichere Lebensperspektiven für 200.000 EisenbahnerInnen werden dann nichts mehr gelten. Wer sich jetzt sicher wähnt und den Versprechungen vertraut, kann dann ein Böses Erwachen erleben.

Was nun? Ziehen wir die notwendigen Konsequenzen:

  • Solidarität mit Alfred Lange! Keine Maßregelung und Verunglimpfung von Befürwortern einer öffentlichen Bahn im Interesse von Mensch und Umwelt. Schulterschluss aller Bahngewerkschaften und DGB-Gewerkschaften gegen Zerschlagung und Ausverkauf unserer Bahn!
  • Ungehinderter Zugang für die Argumente der Privatisierungskritiker und Befürworter einer Bahn im öffentlichen Eigentum zu den TRANSNET-Medien (Inform, www.transnet.org, TRANSNETThemen)
  • Kein Bundestagsbeschluss über das Privatisierungsgesetz. Stattdessen breite Diskussion über Alternativen einer öffentlichen Bahn und Erstellung einer neuen Gutachtens „Plan B plus“.
  • Volle Transparenz über die Einkünfte der  Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands gegenüber der Mitgliedschaft !
  • Den in Frontal21 geäußerten Vorwürfen muss offensiv entgegengetreten werden. Alle KollegInnen, die dank ihrer Betriebsrats- und Gewerkschaftstätigkeit Aufsichtsratsmandate im Unternehmen, bei Sparda oder DEVK ausüben, müssen finanzielle Transparenz an den Tag lagen und ihre Bezüge aus solchen (ehrenamtlichen) Tätigkeiten voll an die Gewerkschaft bzw. die Hans-Böckler-Stiftung oder Solidaritätsprojekte abführen. Ein entsprechender Antrag wurde schon im Jahre 2000 von der OV Zentrale an die Bezirkskonferenz 2000 Hessen eingereicht. Jetzt ist es an der Zeit, diese Ziele umzusetzen.
  • Unsere TRANSNET und unsere Bahn können wir am besten verteidigen, wenn wir dafür sorgen, dass keine Aktie und kein Betriebsteil verkauft wird. Liberalisierung und Privatisierung hat sich nicht bewährt, wie die Erfahrungen in Großbritannien zeigen. Statt Wirtschaftskrieg und mörderischer Konkurrenz brauchen wir jetzt die europaweite Solidarität aller Eisenbahner und Kooperation der Staatsbahnen. Für dieVereinigten Öffentlichen Eisenbahnen von Europa unter der Kontrolle der Beschäftigten und im Interesse von Mensch und Umwelt.
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