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Frage: Kollege Hansen, manche Skeptiker in
unserer Gewerkschaft meinen, eine kritische innergewerkschaftliche Diskussion über einen
Börsengang schade der Transnet und bringe
Wasser auf die Mühlen der gewerkschaftlichen Konkurrenz. Wie siehst Du das? Antwort: Mit Interesse
"besuche" ich hin und wieder eure Homepage. Dass es kritische Stimmen auch zur
Politik der TRANSNET gibt finde ich gut. Das zeigt u.a., dass die innergewerkschaftliche
Demokratie funktioniert und wir keine Spalter zur Motivation brauchen. Frage: Manche machen uns den Vorwurf, wir
würden zu viel über das schlechte Beispiel England reden und dies sei mit der Lage in
Deutschland gar nicht vergleichbar. Was lehrt uns denn das Beispiel England? Antwort: Schaut mal auf die
zergliederte und zerfledderte Eisenbahn in England. Das ist doch ein Drama was dort
passiert. Das ist das Ergebnis einer verfehlten Bahnpolitik. Wie in England, so ist auch
bei uns die Regierung für die Bahnpolitik voll verantwortlich. Frage: Was bedeutet dies für unsere jetzt
anstehenden Entscheidungen? Was steht denn auf dem Spiel? Warum, Kollege Hansen, sollte
der Bund die Bahn nicht aus der Hand geben? Antwort: Wenn die Ursachen der
katastrophalen Entwicklung im Schienenverkehr nicht beseitigt werden, ist die Hälfte des
heutigen Netzes von der Stilllegung betroffen. Wir brauchen mit der Schiene kein
Profit-Netz, sondern ein Mobilitätsnetz für Bürger und Wirtschaft. Frage: Du sprichst verfehlte
Managemententscheidungen an. Die Bundesbetriebsrätekonferenz in Karlsruhe 2004 fordert
nun: Alle Umstrukturierungen, die im DB-Konzern mit dem Ziel eines Börsengangs bzw.
Verkaufs vorgenommen werden, Unsummen verschlingen und die Eisenbahnerinnen und
Eisenbahner von ihren eigentlichen Aufgaben ablenken, sind sofort zu stoppen bzw.
rückgängig zu machen. Was für Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen liegen wohl
diesem Beschluss zugrunde? Antwort: Zu viel Energie und
Motivation wurde durch Aufspaltungen in viele Teilunternehmen vergeudet. Und dann erwarten
sie im Bahnvorstand, dass die Beschäftigten wie in einem Unternehmen arbeiten. Das
kann doch gar nicht funktionieren. Das sind die faulen Früchte des
Reorganisationsdeliriums. Outsourcen, schrumpfen und Leute raus werfen kann Börsianer
vielleicht erfreuen. Auf jeden Fall macht es McKinsey reicher. Aber es macht kein
Unternehmen innovativer. Frage: Das sind klare Aussagen, Kollege Hansen.
Was hast Du denn gegen das DB-Management? Als stellvertretender
DB-Aufsichtsratsvorsitzender hast Du ja Einblick in das Geschehen auf der Chefetage. Antwort: Im Bahnvorstand gibt es
offenkundig einige Katastrophensüchtige. Diese Katastrophensucht ist in einigen
Vorstellungen des Bahnvorstands zu erkennen. Herr Mehdorn, mit diesen Maßnahmen führen
Sie die Bahn in die Katastrophe. Soviel Verzicht, so viele Opfer, soviel Kapitulation, das
finden wir sonst bei Managern, die sich von nichts anderem als Appetitzüglern ernähren.
Das passt nicht zu unserem Unternehmen. Wir brauchen keine magersüchtige Eisenbahn. Frage: Aber Manager einer Aktiengesellschaft,
die an die Börse soll, sind doch dazu angehalten, die Kosten im Interesse der künftigen
Aktionäre niedrig zu halten. Antwort: Wie wirkt sich so eine
Politik der reduzierten Kosten aus? De-Investition belastet und belästigt Kunden und
Beschäftigte. Oder nennt man das vergraulen und demotivieren? Frage: Die Bundesregierung will die Bahn
offenbar privatisieren. Was steht damit auf dem Spiel? Antwort: Stellt euch einmal
folgendes vor: die Bahn ist börsenfähig. Sie erwirtschaftet vielleicht zweistellige
Renditen. Aber sie verbindet nur noch 10 Städte miteinander. Hier erbringt sie also nur
einen Bruchteil ihrer bisherigen Verkehrsleistung. Davon hat niemand etwas. So ein Weg ist
nicht nur voller Gefahren, sondern mörderisch. Nein, das werden wir nicht zulassen, so
ein Weg führt uns in eine verkehrspolitische und beschäftigungspolitische Katastrophe.
Und das sehenden Auges. Oder sind die anderen um uns herum blind? Frage: Und was fordert unsere Gewerkschaft, um
diese Katastrophe zu verhindern? Antwort: Die Erhaltung einer
einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse der Beschäftigten,
der Umwelt und der Kunden. Kein Börsengang! Kein Ausverkauf - weder an ausländische noch
an inländische Kapitalgruppen! Frage: Warum legt der Beschluss unseres
Gewerkschaftstages vom November 2000 so explizit Wert auf den Erhalt einer bundeseigenen
Bahn? Antwort: Entscheidendes Kriterium
für diese Position ist die Überzeugung, dass derzeit jegliche Form der materiellen
Privatisierung nicht mit den Interessen der Beschäftigten vereinbar ist. Viele
überzeugte Gewerkschafter/innen sehen öffentliche Eigentumsstrukturen als beste
Betriebsvoraussetzung für die Bahnen, da so eine soziale Dimension des Betriebs am
ehesten gewährleistet werden kann. Frage: Nun gibt es unter Kolleginnen und
Kollegen auch die Auffassung, unsere Gewerkschaft solle sich statt eines Kampfes mit
ungewissem Ausgang lieber auf die sichere Seite schlagen und den Börsengang aktiv
mitgestalten. Antwort: Wir wissen seit gestern
spätestens, dass uns in den kommenden Zeiten noch härtere Auseinandersetzungen
bevorstehen werden. Wir wissen auch, dass wir nicht sicher sein können, dass wir alle
unsere Ziele optimal erreichen werden. Aber wenn wir so weiter machen wie bisher und mit
Entschlossenheit, Mut und auch mit Risiko für unsere Position eintreten, dann wird es
sich lohnen, für ein Ergebnis zu streiten, das wir heute nicht kennen. Das Motto ist:
"Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Frage: Das PRIMON-Gutachten blendet die
Interessen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner weitgehend aus und untersucht nur
Varianten der Privatisierung, nicht aber Varianten einer Bahn im öffentlichen Eigentum.
Worum geht es den Verfechtern des Börsengangs wirklich? Antwort: Um eine Privatisierung
der Gewinne und Sozialisierung der Verluste. Anstatt nur über verschiedene Varianten der
Privatisierung zu reden, muss nun auch über einen
Plan B, also einen Plan Bund diskutiert und somit untersucht
werden, ob der Bahnkonzern nicht im vollständigen Eigentum des Bundes bleiben sollte. Eigentlich haben wir zur Zeit einen Plan-B, also ein Unternehmen
in Bundeshand, und es funktioniert. Frage: Die Mehrheit der Verkehrspolitiker will
aber ganz offensichtlich die Deutsche Bahn zerschlagen und privatisieren. TRANSNET und
GDBA haben für diesen Fall Streiks schon während der bevorstehenden Fussball-WM
angekündigt. Bleibt es dabei? Antwort: Wenn die Bahn zerschlagen werden soll, muss die Bundesregierung mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen. Schon wenn eine Regierung ein entsprechendes Gesetzesvorhaben einleitet, sind Warnstreiks möglich auch flächendeckend. Wenn es notwendig wird, werden die Politiker, die die Zerschlagung des Eisenbahnsystems wollen, eben die Verantwortung dafür übernehmen müssen, wenn alle Züge in Deutschland stillstehen, bis solche Absichten beerdigt sind. Frage: Kollege Hansen, könntest Du bitte
folgenden Satz vervollständigen: Im ureigenen Interesse unserer Mitglieder und aller
Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ... Antwort: ... werden wir unsere
Möglichkeiten nutzen, einen Börsengang der DB AG zu verhindern und das Thema Börsengang ad acta zu legen. Kollege Hansen, wir bedanken uns für diese
klaren Aussagen. (*) Wir geben zu: Dieses "Interview" hat nie stattgefunden.
Allerdings sind die "Antworten" allesamt O-Töne von Norbert Hansen bzw. von
Beschlüssen und Veröffentlichungen, die unter
maßgeblicher Mitwirkung des Kollegen Hansen zustande gekommen sind. Wir haben die
Zitatenkiste kräftig durchgerüttelt und diese Form des "Interviews" gewählt,
um klare gewerkschaftliche Positionen zu brennenden aktuellen Fragen zu verdeutlichen. |