Real existierender Kapitalismus und eine Warnung für Eisenbahner:

Aero Lloyd-Insolvenzverfahren

Lohnverzicht lohnt sich nicht

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Nachdem die Belegschaft der Fluggesellschaft Aero Lloyd letzten Mittwoch von der Einleitung eines Insolvenzverfahrens „kalt erwischt“ wurde, kämpft sie jetzt für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Am (heutigen) Montag kommt, wie die Vorsitzende der Personalvertretung Kabine, Silvia Meves, auf Anfrage bestätigte, ein Großteil der Aero Lloyd-Beschäftigten in einer Sternfahrt mit Bussen aus allen deutschen und österreichischen Standorten des Unternehmens nach München, wo sie vor dem Sitz der Bayerischen Landesbank (BayernLB) gegen das drohende „Aus“ für ihr Unternehmen demonstrieren wollen. Die BayernLB war Ende letzter Woche mit ihrem Versuch gescheitert, die heutige Demonstration offiziell verbieten zu lassen.

Bis letzte Woche flog Aero Lloyd nach eigenen Angaben mit 21 Maschinen Ziele in 13 Ländern an. Jetzt droht die Vernichtung von über 1400 Arbeitsplätzen in Deutschland und Österreich.

Die BayernLB ist Mehrheitsgesellschafter bei Aero Lloyd und hatte vor 5 Jahren rund zwei Drittel der Anteile an der Firma erworben. Gleichzeitig war sie auch Kreditgeber für Aero Lloyd. Mit dieser Übernahme hatte die Belegschaft 1998 große Hoffnungen auf eine „Sanierung“ des Unternehmens verknüpft und einer Gehaltssenkung in Höhe von 10 Prozent für alle zugestimmt. Gleichzeitig hatten die Beschäftigten im Glauben an die Zukunft von Aero Lloyd aus eigener Tasche Unternehmensanteile in Höhe von 2,5 Millionen DM erworben.

Im Gegenzug hatte sich die BayernLB damals bereit erklärt, eine allgemeine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2004 auszusprechen. Als dann nach den Anschlägen des 11. September 2001 und angesichts der allgemeinen Wirtschaftskrise die Luftfahrtbranche starke Umsatzrückgänge erlitt, ließ sich die Aero Lloyd-Belegschaft auf weitere Opfer ein und akzeptierte – in der Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz – für die Jahre 2002 und 2003 zwei Nullrunden, d.h. weitere Verluste im Realeinkommen.

Umso mehr fühlen sich die Aero Lloyd-Beschäftigten vom „Vertragsbruch“ der BayernLB „eiskalt verheizt“, wie Sabine Menn, seit 20 Jahren als Purser bei Aero Lloyd tätig, auf Anfrage erklärte. Zusammen mit über 200 Aero Lloyd-Kolleginnen und Kollegen aus Hessen war sie am Freitag nachmittag – spontan in zwei Stunden per Handy, Fax, SMS und e-mail „zusammengetrommelt“ – in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden gekommen, um von der Landesregierung Unterstützung in Form einer Landesbürgschaft einzufordern. Von der Staatskanzlei („Hausherr“ Koch weilte gerade in Berlin) wurden die Aero Lloyd-Beschäftigten zum Wirtschaftsministerium geschickt. Doch dort wollte der zuständige Abteilungsleiter Klaus-Dieter Stark der Belegschaftsdelegation keine Hoffnungen machen. Ein Teilnehmer der Gesprächsrunde im Wirtschaftsministerium brachte sein Fazit dieser Unterredung auf Anfrage auf den Punkt: „Heiße Luft“.
Aero Lloyd war in einem kürzlich erstellten Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger für 2004 und 2005 ein Überleben und für 2006 sogar ein positives Betriebsergebnis in Aussichts gestellt worden. In der Sommersaison hatte das Personal bei einer Auslastung der Flüge von über 88 Prozent hatte zahlreiche Überstunden bis zur tariflich festgesetzten Höchstgrenze geleistet.
Die Aero Lloyd-Belegschaft sieht sich als Opfer einer kaltblütigen Intrige, mit der konkurrierende Luftfahrtunternehmen wie Lufthansa und Thomas Cook und als ausführendes Organ die BayernLB den durch Überkapazitäten und Preisdruck geprägten Markt „bereinigen“ wollten. Die telefonische Nachricht von der Einleitung des Insolvenzverfahrens hatte viele Aero Lloyd-Angestellte erst am Mittwoch morgen gegen 4 Uhr erreicht, als sie sich gerade auf den Weg zum Frühflug machen wollten. Andererseits, so ihr Verdacht, seien andere Luftfahrtunternehmen wie die Lufthansa-Tochter Condor oder LTU offensichtlich viel früher über das bevorstehende „Aus“ für Aero Lloyd informiert worden als selbst die erst vor wenigen wochen eingesetzte neuen Aero Lloyd-Geschäftsführung. Dies machen sie nicht zuletzt daran fest, daß trotz der starken Nachfrage und der hohen Auslastung in den Herbstferien die Konkurrenzunternehmen außergewöhnlich „reibungslos“ und quasi „über Nacht“ 20 Ersatzflugzeuge und Kapazitäten in regulären Flügen bereit gestellt hätten, um die festsitzenden und „gestrandeten“ Aero Lloyd-Passagiere von und zu den Urlaubszielen zu befördern. Eine solch perfekte Logistik ist aus dem Stegreif nicht zu machen, sondern erfordert gründliche Vorbereitung.
Zufall oder nicht: Die BayernLB ist im Aufsichtsrat der Lufthansa vertreten.

Das Schicksal der Aero-Lloyd-Belegschaft zeigt, was auch Eisenbahnern demnächst blühen kann, wenn die Deutsche Bahn weiter zerschlagen und die Belegschaften verschiedener – miteinander konkurrierender – Schienenverkehrsunternehmen als Spielball von Banken und Kapitalgruppen gegeneinander ausgespielt werden.

Daher:

  • Privatisierung der Bahn stoppen und alle dazu bereits durchgeführten Umstrukturierungen rückgängig machen!

  • Mehdorns Börsenpläne für immer entsorgen!

Hans-Gerd Öfinger

18. Oktober 2003

 

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