Unsere Broschüre Bahn und Börse
Wohin rast der Privatisierungszug hat schon nach wenigen Tagen ein Echo
gefunden und innergewerkschaftliche Diskussionen ausgelöst. Das war gewollt und das ist
auch gut so, denn nur aus engagierten und kontroversen Diskussionen heraus können
politische Klarheit und Perspektiven entstehen.
Die Kollegen Theo Sonnen-Aures, Helmut
Kleindienst, Jens Schwarz und Peter Nowack haben sich die Mühe gemacht, in einem drei
Seiten umfassenden Papier Kritik an unserer
Broschüre zu formulieren. Ihre Streitschrift veröffentlichen wir gerne
zusammen mit unserer Antwort. Dabei werden wir die angesprochenen Kritikpunkte einzeln
aufgreifen und beantworten.
In vielen Punkten besteht offenbar Übereinstimmung
Dass unsere Broschüre auch die Kollegen
Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und Nowack mit vielen Aussagen unserer Broschüre
einverstanden sind, zeigt ihre Feststellung, dass viele Argumente für sich genommen
nachvollziehbar sind. Ebenso stellt ihr Papier fest: Die
Interessenkonstellationen im Hinblick auf den Börsengang der Bahn werden in der
Broschüre zwar weitgehend richtig dargestellt. Im Klartext: Es besteht
offensichtlich Übereinstimmung in den allermeisten Punkten. Wo aber liegen dann die
schwerwiegenden Differenzen, die unsere Kollegen Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und
Nowack so rasch zur Feder greifen ließen?
Externe Berater? Fehlanzeige!
An mindestens einem Punkt offenbart sich,
dass die Verfasser des Kritikpapiers schlecht recherchiert haben. Denn im Gegensatz zur DB
AG hat die Initiative Bahn von unten keine ungebetenen externen Berater,
sondern engagierte Unterstützer, die alle Mitglieder der Gewerkschaft TRANSNET sind und
ihre Bahn-Erfahrung in die Diskussionen und Publikationen unserer Initiative einbringen.
Anstatt den Finger auf einzelne Personen zu richten und falsche Aussagen zu machen,
empfehlen wir für künftige Streitschriften der Kollegen Sonnen-Aures,
Kleindienst, Schwarz und Nowack eine etwas gründlichere Recherche.
Einheit der Bahn erhalten
In einem Punkt rennen die Kollegen
Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und Nowack bei uns offene Türen ein. Denn die
Initiative Bahn von unten braucht keinen Nachhilfeunterricht oder Ermahnungen
in Sachen Erhaltung des integrierten Bahnkonzerns und Abwehr einer
Zerschlagung der Bahn. Seit der Gründung unserer Initiative zieht sich diese Idee wie ein
roter Faden durch unsere Veröffentlichungen. Dies zeigt ein auch Blick auf unsere Website
www.bahnvonunten.de:
- Der erste Aufruf der Initiative Bahn von unten vom
26.4.2000 fordert u.a.: Stopp der Zerstückelung der DB AG! Wir haben immer
konsequent gegen einen Verkauf von Teilbereichen des DB-Konzerns Stellung bezogen.
- Aus der Diskussion der Initiative heraus entstand ein
Initiativantrag, der vom Magdeburger TRANSNET-Gewerkschaftstag im November 2000
verabschiedet wurde. Darin heißt es: Für
die Erhaltung einer einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse
der Beschäftigten, der Umwelt und der Kunden.
- Ein Redebeitrag auf einem regionalen
Bahngipfel in Wiesbaden am 27.03.2001 bringt es auf den Punkt: Die Bahn ist ein Organismus. Wenn
einzelne Organe entnommen werden, ist der Kollaps vorprogrammiert...
(nachzulesen auf www.bahnvonunten.de)
- Im Zusammenhang mit Privatisierung und Zerschlagung der britischen
Eisenbahn haben wir stets darauf hingewiesen, dass Fahrweg und Betrieb zusammen gehören
und die komplette Zerschlagung und Privatisierung der British Rail einen Rückschritt
darstellt.
- Die von einem Bündnis aus BDI, DIHK, CDU/CSU, FDP und Grünen
ausgehende Gefahr einer Zerschlagung und Fragmentierung der Bahn und vollständigen
Privatisierung der Transportgesellschaften nehmen wir sehr, sehr ernst. Wir haben deshalb
rasch, ausführlich und aus erster Hand quasi über Nacht auf www.bahnvonunten.de vom BDI-Kongress im September
2004 berichtet. Übrigens halten wir diese Pläne einer Mehrheit der Bundestagsparteien
und der Industrie nicht nur für Spinnereien einiger Verbände, sondern diese
Ideen widerspiegeln die Mentalität einflußreicher Kapitalbesitzer: ohne großes Risiko
zerschlagen und die gewinnträchtigsten Bereiche herausbrechen! So sind sie halt, die
Besitzer großer Kapitalvermögen.
Staatssozialistische Illusionen oder:
Wer träumt denn von den Zuständen in der DDR?
Um unsere Broschüre mit ihren
zahlreichen nachvollziehbaren Argumenten ins schlechte Licht zu rücken,
überschlagen sich die Kollegen Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und Nowack förmlich
mit schlechten Zensuren und erteilen uns dabei massenhaft politische Knöllchen und
Verwarnungen wie rückwärtsgerichtet, Idylle, Nostalgie,
unbekümmerte, naive Staatsgläubigkeit, Träumereien, staatssozialistische
Illusionen. Dabei offenbaren sie, dass sie die Broschüre nicht gründlich gelesen
haben. Mit solchen Methoden, Schlagwörtern und Etiketten arbeiten nebenbei bemerkt
seit geraumer Zeit neoliberale Ideologen und Propagandisten, und zwar dann, wenn es
darum geht, ihre Linie als alternativlos darzustellen und
Privatisierungskritiker als altmodische Spinner und Träumer zu
diskreditieren. Margaret Thatcher rechtfertigte ihre sozialen Grausamkeiten mit dem Spruch Es gibt keine Alternative.
Maßgebliche deutsche Politiker der Neuzeit sind da nicht viel besser.
Dass wir angeblich nostalgisch von alten
DDR-Zuständen träumen, lässt sich auch beim besten (schlechtesten) Willen nicht aus
unserer Broschüre entnehmen. Niemand sehnt sich die alte Reichsbahndirektion Greifswald
oder die Transportpolizei herbei. Bei unseren Arbeitstreffen geht es nicht um Ideologie,
sondern um konkrete Fragen und Perspektiven. Zur Einschätzung der DDR gibt es in unserer
Initiative auch durchaus verschiedene Erfahrungen und Ansichten.
Allerdings: Wenn jemand auf dem jüngsten
TRANSNET-Gewerkschaftstag gewisse Zustände in der ehemaligen DDR ausdrücklich als
bewahrenswert lobte, dann war es der Vorsitzende Norbert Hansen selbst: Es ist ein
Skandal für ein reiches Land, dass der Zugang zu vorschulischer Betreuung und Förderung
(Krippen- und Kindergartenplätze) mehr oder weniger einem Lotteriespiel gleicht -
abhängig u. a. vom Wohnort und den materiellen Möglichkeiten der Eltern. Obwohl der
wissenschaftliche Nachweis über die Notwendigkeit vorschulischer Betreuung außer Zweifel
steht, sind wir weit davon entfernt, jedem Kind eine angemessene Förderung anbieten zu
können. Hier hätten wir von der ehemaligen DDR einiges lernen bzw. übernehmen können.
(O-Ton Norbert Hansen laut Tagesprotokoll vom 9. November 2004). Wo bleibt da der Protest
der Kollegen Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und Nowack gegen diese staatssozialistische
Nostalgie im Denken von Norbert Hansen?
Ideologie oder praktische Erfahrungen?
Warum wehrt sich Bahn von unten
so vehement dagegen, dass die DB AG an die Börse bzw. in die Hände private
Kapitalgruppen und Spekulanten kommt? Aus unverbesserlicher ideologischer Verbohrtheit?
Aus einer Verkennung der Fakten?
Drehen wir mal den Spieß um. Ich
bin kein so begeisterter Börsengänger oder Stürmer, wie man in den letzten Tagen das
ein oder andere Mal zu hören bekam, stellte Helmut Kleindienst auf dem
Gewerkschaftstag fest (Quelle: Protokoll des 4. Kongresstages). Warum also sieht der
Kollege Kleindienst und mit ihm die Kollegen Sonnen-Aures, Schwarz und Nowack wie
auch die meisten anderen TRANSNET-Mitglieder einer drohenden materiellen
Privatisierung mit Skepsis und gemischten Gefühlen entgegen? Etwa weil sie in ihrer
Jugend vielleicht zu viel Marx und Lenin gelesen hätten? Oder weil sie der
guten alten Zeit im örtlichen oder Bezirkspersonalrat nachtrauern?
In der Tat: weder in dem Papier der
Kollegen Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und Nowack noch in den Redebeiträgen auf dem
jüngsten TRANSNET-Gewerkschaftstag finden wir irgendeinen nachvollziehbaren Beweis
dafür, dass es nach einem Börsengang mit der Bahn aufwärts gehen würde und unsere
Interessen dann besser gewahrt wären. In der Debatte um einen privatisierungskritischen
Antrag auf dem Gewerkschaftstag (an der sich Peter Nowack und Helmut Kleindienst
beteiligten) konnten auch die Befürworter eines Börsengangs kein einziges Vorbild
irgendwo auf der Welt für eine erfolgreiche Bahnprivatisierung heranführen. Wie auch?
Denn die Erfahrungen in den USA, Neuseeland, Argentinien oder England sprechen eine klare
Sprache und unterstreichen, dass insbesondere der Schienenpersonenverkehr in privaten
Händen denkbar schlecht aufgehoben ist. Total ausgeblendet wurden in der Diskussion aber
leider auch positive Beispiele wie die Schweiz, wo sich die Bahn in öffentlichem Besitz
befindet und systematisch so gefördert und entwickelt wurde, dass dort der
Durchschnittsbürger viel häufiger Zug fährt als in Deutschland und der Güterverkehr
besser funktioniert als hierzulande.
Auf dem TRANSNET-Gewerkschaftstag sprach
sich der Vertreter der französischen CGT eindeutig gegen Liberalisierung und
Privatisierung aus und bekam dafür Beifall im Saale. Der offizielle Vertreter der
britischen Gewerkschaft TSSA brachte seine Empfehlung in einem Presseinterview auf den
Punkt: Keine einzige Bahnaktie soll in private Hände gelangen. Warum sollten
wir solche Erfahrungen und Warnungen der europäischen Kolleg(inn)en einfach in den Wind
schlagen? Wer sich in der Sicherheit wiegt, in Deutschland sei alles anders und werde das
mit dem Börsengang gut gehen, nur weil wir in der Frage eines integrierten Börsengangs
derzeit den Bundeskanzler und den DB-Chef auf unserer Seite haben, der ist allerdings
ideologisch verbohrt und gründet seine Perspektiven auf Illusionen und Träume, nicht
aber auf Tatsachen.
Überhöhung der Bedeutung des Börsengangs?
Die Kollegen Sonnen-Aures, Kleindienst,
Schwarz und Nowack behaupten, dass sich die Autoren der Broschüre durch die
Überhöhung der Bedeutung des Börsengangs den Blick für Besonderheiten der aktuellen
politischen und wirtschaftlichen Situation verstellen und damit nicht die
tatsächliche Gefahr der Zerschlagung der Bahn erkannt wird. Wie ernst wir seit Jahren die
Gefahr einer Zerschlagung nehmen, das haben wir bereits oben verdeutlicht und das muss
hier nicht noch einmal aufgeführt werden.
Was meint Ihr mit Überhöhung
der Bedeutung des Börsenganges? Wir stellen in Diskussionen immer wieder fest, dass mit
einem Börsengang viele Illusionen verbunden sind. Für manche Kolleg(inn)en ist ein
Börsengang bzw. eine Teilprivatisierung der Bahn (es soll ja keine Volksaktien geben, die
sich der kleine Eisenbahner über die Sparda-Bank erwerben könnte) einfach ein
finanztechnischer Vorgang, vergleichbar mit der Aufnahme eines Kredits bei einer Bank
etwa nach dem Motto: Wenn der Staat uns schon nichts mehr gibt, dann müssen
wir uns das Kapital eben über die Börse besorgen.
Helmut Kleindienst hat diesen Gedanken auf dem Gewerkschaftstag folgendermaßen
ausgedrückt:
Dieser Staat hat jetzt schon kein
Geld mehr. Die Begehrlichkeiten auf die Milliarden sind doch in anderen Bereichen ebenso
geweckt. Wir sollten vielmehr mal darüber nachdenken, wie wir wenn wir an die Börse
gehen auch hier verschiedene Fragen stellen, wie zum Beispiel, das Kredite Zinsen kosten
und das jedes Jahr. Kredite müssen wir zurückzahlen. (O-Ton Helmut Kleindienst,
aus dem Protokoll des Gewerkschaftstages, 10. November 2004)
Dazu stellen wir fest:
1.
Ein Mitarbeiter der DB Holding im Bereich Finanzen
hat bei einer bahninternen Versammlung kürzlich (unfreiwillig?) ein starkes Argument
gegen die Privatisierung geliefert: Wir bekommen nur deshalb so günstige Kredite,
weil wir staatlich sind.
2.
Dieser Staat hat sich in den letzten Jahren zum
großen Teil durch Steuersenkungen für Wirtschaft und Superreiche selbst arm gemacht.
Wenn wir genau so engagiert um Staatsgelder für die Bahn kämpfen würden wie die
Wirtschaftslobby für ihre Steuersenkungen und Privilegien (und der Bundeskanzler hat sich
beim Gewerkschaftstag als verlässlicher Freund unserer Gewerkschaft und ihres
Vorsitzenden präsentiert), dann gibt es keinen Grund, weshalb wir die nötigen Gelder
für den weiteren Ausbau einer modernen Staatsbahn nicht auch vom Staat bekommen sollten.
3.
Kein US-Kapitalfond (denn darum geht es ganz
konkret) wird Millionen oder eher Milliarden in die deutsche Bahn
investieren, weil er etwa ein Herz für den flächendeckenden und umweltfreundlichen
Schienenverkehr in Europa, die Einheit von Fahrweg und Betrieb oder gar für 36.000
sichere Arbeitsplätze im UB Dienstleistungen hätte. Solche US-Kapitalgruppen werden,
sobald sie Anteile an der DB erwerben, von der ersten Stunde an darauf achten, dass sie
hohe Rendite herausziehen. Ihre Vertreter im Management und Aufsichtsrat werden ganz genau
darauf achten, wo sich das Kapital am besten verzinst. Unternehmensbereiche, die ihren
Planziffern und Vorgaben nicht entsprechen, werden sie gnadenlos weghauen. So könnten
weite Teile des UB Dienstleistungen zu den ersten Opfern eines Börsengangs gehören
ganz gleich, was Mehdorn und Schröder heute beteuern. Und auf dem Weg dorthin
werden die Manager den Druck auf die Beschäftigten massiv erhöhen. Schon seit der
Bildung der DB AG 1994 wird konsequent auf dieses Ziel hingearbeitet, aber die Erfahrung
der Post-Kollegen zeigt: Mit dem Börsengang der bis dahin zu 100 Prozent in Bundesbesitz
befindlichen Post AG wurde der Druck auf die Beschäftigten noch einmal massiv gesteigert.
Liebe Kollegen, zeigt uns auch nur ein Beispiel einer erfolgten (Teil-) Privatisierung von
bisher staatlichen oder kommunalen Betrieben der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei dem
hinterher nicht gnadenlos auf dem Rücken der Arbeitskräfte und auch zum Nachteil der
Kunden Profit herausgezogen wurde! Eine vom Wiener Forba-Institut herausgegebene Studie über die Liberalisierung öffentlicher
Dienstleistungen und deren Auswirkungen auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen macht
deutlich, was Gewerkschafter in aller Welt bitter erfahren: Die Privatisierung
öffentlicher Unternehmen vernichtet die Arbeitsplätze, verschlechtert die
Arbeitsbedingungen und verhindert keinen Ausverkauf der Unternehmen (siehe www.forba.at).
4.
Gerade auch eine materiell privatisierte Bahn wird
sich noch stärker dem Prinzip der Profitmaximierung unter ordnen müssen. Dieses
verhindert auch keine Mehrheitsbeteiligung des Bundes, da dieser die Renditeinteressen der
Minderheit berücksichtigen muss. Eine materiell privatisierte Bahn kann genauso schnell
zerschlagen oder teilverkauft werden, wie unter Staatseigentum. Der besondere Nachteil
für uns als Mitarbeiter wäre dann, dass ein Konzernvorstand noch unabhängiger vom
politischen Willen ist als jetzt. Gerade diese Unabhängigkeit ist auch das erklärte Ziel
von dem Vorstandsvorsitzenden Mehdorn. Spätestens hier müssten bei einem politisch
aufgeklärten Menschen in diesem Staat die Alarmglocken läuten.
Mehdorn als Garant einer dauerhaften Einheit des
DB-Konzerns?
Auch mit der Person Hartmut Mehdorn
werden viele Illusionen verbunden, als wäre er der einzige Mensch, der uns den Betrieb
erhalten kann. Mehdorns Amtszeit ist begrenzt und sein persönliches Ziel ist es, die DB
bis 2008 an die Börse zu bringen. Dieses unter dem massiven Abbau von
Beschäftigungsmöglichkeiten und trotz eines Beschäftigungsbündnisses. Spätestens dann
(wenn nicht schon nach einem möglichen Regierungswechsel 2006) kommt ein neuer
BVorstandsvorsitzender und wir als Gewerkschafter kennen das Spiel mit den Vorständen der
DB Unternehmen nur zu gut: Neue Manager, neue Ideen denn alle wollen
ihren Stempel aufdrücken und sehen nur ihre begrenzte Amtszeit. Auszubaden haben es die
Beschäftigten. Auch hier also keinerlei Sicherheit. Es haben uns in den letzten Jahren
schon viele Manager das Blaue vom Himmel versprochen und waren dann hinterher nicht
mehr zu packen.
Wir bleiben dabei: Die Zerschlagung des
Konzerns und die Trennung von Fahrweg und Betrieb ist schon längst in
vollem Gange. Stellt Euch mal an einer vielbefahrene Strecke und schaut auch an, was sich
da für ein buntes Sammelsurium von Loks aller möglicher Bahngesellschaften auf den
Gleisen tummelt. Gleichzeitig verliert die DB Regio laufend Ausschreibungen an Billlig-
und Dumpingkonkurrenz allein in Hessen sind hier bis 2007 weitere 1000
Arbeitsplätze gefährdet. Für die betroffenen Lokführer bietet sich in ihrer Region
nicht einmal immer Chance zum Neuanfang bei einer Privatbahn unter schlechteren
tariflichen Bedingungen, denn mittlerweile treten verstärkt Leiharbeitsfirmen auf und
vermieten Lokführer zu Dumpingbedingungen.
Re-insourcing: Ist jetzt alles in Butter?
Dass es in den letzten Monaten im
Bahnkonzern auch wieder Tendenzen zurück in Richtung Re-Insourcing und
Verschachtelung gegeben hat, ist auch uns nicht entgangen. Ob solche Tendenzen
lange (und vor allem über Mehdorn hinaus) anhalten, ist fraglich. Denn so etwas hat es in
den letzten zehn Jahren im Bahnkonzern und auch anderswo in der Wirtschaft regelmäßig
gegeben: Erst zerschlagen sie fast fanatisch bewährte Strukturen und wenige Jahre
später treten dann neue Köpfe mit neuen Management-Philosophien und Gurus in Erscheinung
und verordnen uns eine Kehrtwende. Das Ganze hat dann aber Unsummen verschlungen und die
Taschen externer Beratungsfirmen und abgefundener Manager gefüllt. Bis zum nächsten Mal.
Warum wir dringend über Alternativen zur Privatisierung
nachdenken müssen
Denkverbote nach dem Motto Zu
unserem Weg gibt es keine Alternative sind totalitär. Mit der Forderung nach einem
Nachdenken über Alternativen befinden wir uns übrigens in guter Gesellschaft. Die
Absage des Börsengangs bietet die Gelegenheit, jetzt in Ruhe und nicht in der Hektik
eines künstlich entfachten Börsenfiebers über die Zukunft der Bahn nachzudenken;
heißt es auch im TRANSNET-THEMEN-TELEGRAMM (13/2004).
Eine gewerkschaftliche Strategie, die
allein darauf setzt, auf jeden Fall mit Hartmut Mehdorn und Gerhard Schröder einen
Börsengang zu gestalten und dabei die Interessen der Eisenbahner(innen) zu wahren, ist
gelinde gesagt fahrlässig und utopisch zugleich. Warum also sind wir
gezwungen, über konkrete Alternativen zur Privatisierung nachzudenken? Aus mindestens
drei Gründen:
1.
Wer ausschließlich auf ein gutes Verhältnis zur
Person der Bundeskanzlers und der des DB-Vorstandsvorsitzenden setzt, der könnte rasch
sein blaues Wunder erleben. Immerhin hat Norbert Hansen sich zugute gehalten, schon einmal
nämlich im September 2004 den Börsengang verhindert zu haben. Was soll
geschehen, wenn auch beim nächsten Mal und mit Mehdorn und mit Schröder
die Bedingungen für einen Börsengang wieder nicht akzeptabel sind? Dann müssen wir
wieder Nein sagen, die Notbremse ziehen und gleichzeitig eine handfeste Alternative zum
Börsengang anbieten können.
2.
Im Bundestag besteht derzeit keine Mehrheit für
integrierten Börsengang. Im Gegenteil eine Mehrheit von CDU/CSU/FDP/GRÜNEN ist
für Trennung von Fahrweg und Transportgesellschaften und Zerschlagung der Bahn. Selbst
wenn die derzeitige Koalition in der Bundestagswahl 2006 bestätigt würde, änderte dies
vermutlich nichts an der Linie der Grünen für die Zerschlagung. Wer garantiert uns unter
solchen Umständen, dass da der Bundeskanzler nicht (wie einst Pontius Pilatus) die Hände
in Unschuld wäscht und zur Kennnis nimmt, dass hierfür keine parlamentarische
Mehrheit besteht? Auch dann müssen wir konsequent Nein sagen und
unseren Kolleg(inn)en wir auch der Allgemeinheit eine Alternative anbieten.
3.
Realistisch betrachtet dürfte es auch nach 2006
keine Bundestagsmehrheit für integrierten Börsengang geben. Käme es zu einer Mehrheit
von CDU/CSU/FDP, so wäre der Generalangriff vorprogrammiert und die Bahn vom baldigen
Ausschlachten bedroht. Norbert Hansen hat für diesen Fall eine Machtprobe mit den
Konservativen angedroht: Wenn es notwendig wird, werden die Politiker, die die
Zerschlagung des Eisenbahnsystems wollen, eben die Verantwortung dafür übernehmen
müssen, wenn alle Züge in Deutschland stillstehen, bis solche Absichten beerdigt sind.
(Tagesprotokoll des Gewerkschaftstages vom 9.11.2004). Im Klartext heißt dies: Wir werden
so lange streiken, bis wir die Konservativen in dieser Frage geschlagen haben. Und dann?
Integrierter Börsengang? Ab aufs Börsenparkett? US-Fonds ins Boot holen? Also das Heft
des Handelns wieder aus der Hand geben? Genau bei einem solchen Szenario stellt sich dann
doch die Frage: Was sind unsere Alternativen jenseits von Börsengang und Privatisierung?
Genau dann sind wir unseren Kollegen und allen Menschen, die auf eine flächendeckende
Bahn angewiesen sind, eine klare Alternative schuldig.
Sehnsucht nach der guten alten Zeit?
Kommen wir zum Argument mit
der rückwärtsgerichteten Orientierung und dem von Euch immer wiederholten
Satz mit dem Zurück zur feinen alten Staatsbahn. Wir haben es schon an
verschiedenen Stellen dargelegt: Es geht uns nicht um ein Zurück zur Staatsbahn genau so
wie sie war, aber wir sehen auch nicht ein, dass wir uns alles schlecht machen lassen. Die
Eisenbahnerinnen und Eisenbahner haben auch in der Vergangenheit gut gearbeitet und eine
Menge Ideen zur Verbesserung ihrer Bahn produziert. Beispiele hierfür haben
wir angeführt. Die Kolleginnen und Kollegen waren auch schon früher sehr leistungsfähig
und flexibel. Wir wollen das Positive an der alten Bahn erhalten und mit den positiven
Elementen einer modernen, das heißt demokratisierten und im Dienste der Allgemeinheit
stehenden Bahn verbinden. Das hat nichts mit staatssozialistischen Illusionen
zu tun. Wenn wir als Gewerkschaft jedoch jede Vision von einer besseren und sozial
gerechteren Gesellschaftso aufgeben, dann können wir uns nur noch unserem Schicksal
fügen und alle Zumutungen absegnen, die sie uns auftischen.
Demokratisierte Staatsbahn warum nicht?
Ja, wir wollen ein flächendeckendes
Bahnunternehmen in staatlicher Hand und unter demokratischer Kontrolle durch die
Beschäftigten. Auch das Papier der Kollegen Sonnen-Aures, Kleindienst, Schwarz und Nowack
kann uns nicht davon überzeugen, dass uns eine privatisierte Bahn eine bessere Zukunft
bieten würde. Wir machen uns allerdings keine Illusionen über die Tatsache, dass der
Staat als Eigentümer derzeit eine falsche Verkehrspolitik betreibt zu Gunsten der
Straße und der Luftfahrt. Aber eine Privatisierung wäre der Endsieg für das Kapital und
die konkurrierenden Verkehrsträger und würde dem flächendeckenden Schienenverkehr unter
Umständen das Genick brechen. Öffentliche Gestaltungsmöglichkeiten würden gegen Null
tendieren es sei denn, der Staat subventioniert die privatisierten Unternehmen
wieder massiv. In Großbritannien erhalten die privatisierten Bahnen übrigens mehr
staatliche Gelder als die alte staatliche British Rail. Mit welcher Berechtigung soll ein
seit über 150 Jahren mit Steuergeldern finanziertes Unternehmen künftig seine Gewinne in
private Taschen abführen?
Es ist kein ehernes Gesetz, dass die
Politik, die die Schiene benachteiligt, sich immer und ewig durchsetzen wird. Politik ist
stets auch ein Ausdruck des Kräfteverhältnisses in diesem Land. Wir setzen unsere
Visionen in die wenn erst mal mobilisierte Durchsetzungskraft der
Gewerkschaften und anderer fortschrittlicher Organisationen. Wir brauchen und das
war immer auch Position der Gewerkschaften einen staatlichen Sektor, um
Möglichkeiten der Gestaltung zu haben. Dazu gehört vor allem auch der Verkehrssektor.
Für die Initiative
Alfred Lange
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