Ein Aufruf mehrerer Bahngewerkschaften:
Gelingt uns ein europäischer Eisenbahnerstreik am 2. März 2006?

Zurück zur Startseite

Vor 15 Jahren begannen die europäischen Regierungen den Prozess der Liberalisierung und Privatisierung der europäischen Eisenbahnen. 1991 wurde die Richtlinie 91-440 erlassen, die den ersten Angriff  auf die Staatsbahnen darstellte.

Eisenbahnerstreiks in verschiedenen Ländern haben über mehrere Jahre hinweg gezeigt, dass Widerstand möglich ist. Aber im Angesicht von Regierungen, Arbeitgebern und Kapitalisten, die keine Staatengrenzen respektieren, haben die Gewerkschaften insgesamt keine internationalistische Gegenwehr zustande gebracht. 1992 wurde zwar ein eintägiger europaweiter Streik organisiert, und sonst nichts mehr. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat sich trotz seiner potenziellen Stärke bislang geweigert, Abwehrkämpfe und europaweite Streiks zu organisieren und zu koordinieren.

Wir brauchen kämpferische Gewerkschaften, die kollektive Aktionen auf die Tagesordnung setzen und nicht dem Irrglauben anhängen, dass der Kapitalismus die einzige mögliche Organisations- und Gesellschaftsform sei. Wir brauchen konkrete Vorschläge für die Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen und internationale Aktion. Dazu haben wir in den letzten Jahren ein gewerkschaftliches Netzwerk aufgebaut. Es hat sich entwickelt aus Veranstaltungen wie Sozialforen, Internationalen Märschen gegen Arbeitslosigkeit und vor allem durch alltägliche Kämpfe, Informationsaustausch, die Organisation von Streiks und internationale Demonstrationen.

Für den 18. März 2003 haben die Gewerkschaften RMT (Großbritannien), SUD-rail (Frankreich), ORSA - SULT - CUB (Italien), CGT (Spanien), SAC (Schweden) zu einem europaweiten Eisenbahnerstreik aufgerufen. Der März 2003 war für die europäischen Eisenbahnen ein bedeutsamer Tag: Es war der Zeitpunkt, den nationale Regierungen, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission gewählt hatten, um den europäischen Schienengüterverkehr für den Wettbewerb zu öffnen und somit privaten Bahngesellschaften den Zugang zu unseren öffentlichen Schienennetzen zu ermöglichen.

Dies war erst der Anfang, denn auf die Umsetzung des so genannten “ersten Eisenbahnpakets” folgte ein „zweites Paket“, das den Liberalisierungsprozess beschleunigte und ein „drittes Paket“, das die Liberalisierung auch auf den Personenverkehr ausdehnt.

Die Bilanz der Privatisierung/Liberalisierung ist katastrophal. Europaweite Gegenwehr ist notwendig.

  • Abgesehen von einigen dogmatischen Technokraten in der Europäischen Kommission bezweifelt heute niemand mehr, dass die Privatisierung der ehemaligen Staatsbahn British Rail Schlimmes angerichtet hat. Instandhaltung und Infrastruktur wurden fast völlig aufgegeben, weil sie „unprofitabel“ sind; keine Sicherheitsvorkehrungen für das Verhältnis der verschiedenen privaten Betreiberfirmen untereinander; und vor allem wurde die Sicherheit vernachlässigt, weil Sicherheitsinvestitionen mit den kurzfristigen Finanzinteressen der Kapitalisten unvereinbar sind, die heute im Eisenbahnbereich investieren und morgen dann ihr Geld ganz woanders anlegen.

  • In Italien wächst die Anzahl der privaten Eisenbahnbetreiber sehr schnell. Viele dieser Firmen missachten die Sicherheitsbestimmungen und werden manchmal von der zuständigen Behörde nicht einmal ausreichend auf Einhaltung der Bestimmungen kontrolliert, weil diese Behörde völlig unzureichend ausgestattet ist. Bei schweren Unfällen haben deshalb in den letzten Jahren insgesamt 42 Personen ihr Leben gelassen.

  • Seit dem 1. Januar 2005 hat die „linke“ spanische Regierung die Politik ihrer rechten Vorgängerregierungen fortgesetzt. Die spanische Staatsbahn RENFE  wurde in die RENFE-Zugbetreibergesellschaft und ADIF (Infrastrukturgesellschaft) unterteilt. Dies führt zu zunehmender Privatisierung und dem Zugang privater Zugbetreiber.

  • In Frankreich bereiten verschiedene Regierungen seit Jahren den Boden für die Privatisierung, indem sie die Staatsbahn SNCF organisatorisch zersplittern. Gemäß dem Wunsch liberaler Politiker hat die SNCF jetzt ganz bewusst Güterverkehre an private Betreiber abgegeben. Insbesondere CONNEX übernimmt zunehmend öffentliche Transportaufgaben (Schienenverkehr, Stadtverkehr, SNCM/Fähren von Marseille nach Korsika, etc.)

  • CONNEX ist jetzt seit mehreren Jahren in Schweden im Geschäft. Diese Firma führt frontale Angriffe gegen die Gewerkschaften und soziale Rechte durch und drückt auf eine Produktivitätssteigerung ohne Rücksicht auf die Sicherheit.

  • Diese Partisanen des “Liberalismus” interessiert nur der Profit. In Deutschland ist der Prozess weiter fortgeschritten und steht der Börsengang der DB AG auf der Tagesordnung. Jetzt melden sich Gewerkschafter und Bahnbenutzer dagegen im gemeinsamen Interesse zu Wort.

 

Diese Politik der Privatisierung und Liberalisierung führt zu wiederholten Tragödien, vielen hundert Todesopfern und Schwerverletzten im Namen der „wirtschaftlichen Effizienz“. Sie stellt das gewerkschaftliche Streikrecht und die durch gewerkschaftlichen Kampf erkämpften Fortschritte in Frage. Die Folge sind Massenarbeitslosigkeit und zunehmende prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

Angesichts dieser Offensive des privaten Sektors benutzen die „historischen Bahnbetreibergesellschaften“ die gleichen Waffen: genau so wie die Firmen im privaten Sektor verschärfen sie den Konkurrenzkampf der europäischen Staatsbahnen untereinander. Letztlich sind sie bereit, die Rechte der Eisenbahner zu untergraben, die Sicherheit ihrer Fahrgäste einzuschränken, das Selbstverständnis eines öffentlichen Dienstleistungsunternehmens und die Regionalplanung aufzugeben.

Die “Eisenbahnpakete” stehen im Einklang mit anderen europäischen Verträgen, die sie uns aufzwingen wollen: den Richtlinien zum ÖPNV, die eine Privatisierung des Öffentlichen Nahverkehrs zur Folge haben, ebenso der Bolkestein-Richtlinie, die schlicht und einfach das Ende aller öffentlichen Dienstleitungen zum Ziel hat und das Sozialdumping institutionalisiert, und auch mit dem Europäischen Verfassungsvertrag, der in den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt wurde und den auch viele Arbeiterorganisationen in Europa ablehnen..

 

Ein anderes Eisenbahn-Europa ist möglich!

 

Unsere Gewerkschaften SUD Rail (Frankreich), CGT (Spanien), ORSA (Italien), SULT (Italien), CUB (Italien), SAC (Schweden), LAB (Baskenland) haben sich für eine breite und konkrete internationale Aktion entschieden – mit der Zielsetzung, die kapitalistischen Gelüste auf den Eisenbahnbereich zurückzudrängen. Bei den   Staatsbahnen muss das öffentliche Eigentum verteidigt werden, wenn wir das Recht aller Menschen auf erschwinglichen und sicheren öffentlichen Verkehr verteidigen wollen.

Ein anderes Eisenbahn-Europa ist möglich, in dem soziale Rechte, Arbeitsbedingungen, Sicherheit, öffentliche Dienstleistungen, Streikrecht und gewerkschaftliche Rechte und Freiheiten geschützt sind.

Wir rufen alle Gewerkschaften in Europa auf: Schließt Euch unserer Initiative an.

 

Am 2. März tagen die europäischen Verkehrsminister. Sind wir als europäische Gewerkschaften am 2. März in der Lage, einen vereinten internationalen Streik zu organisieren?

Lest unsere Broschüre

Bahn und Börse –
Wohin rast der Privatisierungszug?