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Bei der ÖBB
standen alle Räder still: Bilanz des EisenbahnerInnenstreiks |
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66 Stunden
Streik - und es ist noch nicht vorbei! Die
Streikleitung der Eisenbahnergewerkschaft verkündete am Freitag, dem 14. November 2003,
um 17:40 das Streikende einer der wichtigsten und längsten Arbeitskämpfe der Zweiten
Republik. Für 66 Stunden und 40 Minuten hatten die EisenbahnerInnen geschlossen und
flächendeckend ihre Arbeit niedergelegt. Die EisenbahnerInnen haben es allen gezeigt:
Alle Räder stehen still wenn unser starker Arm es will! Die
kollektive Arbeitsniederlegung der 47.000 KollegInnen von der Bahn hätte weitreichender
nicht sein können. Schon im Frühjahr, beim 12-stündigen Streik gegen die
Pensionsreform, konnten die Streikpläne aktualisiert und potentielle Streikbrecher
gelistet werden. Beim Warnstreik vom 4. November konnten in der Ostregion gerade mal eine
Handvoll Arbeitswilliger ausgemacht werden, als es dann am 12. November ernst wurde hatten
die KollegInnen alles fest im Griff. Nichts ging mehr bei den ÖBB, was nicht die
Zustimmung der GdE hatte. Wirtschaftlicher
Druck Mittwoch
Punkt Null Uhr stand der Güterverkehr, nur Personenzüge durften noch ihren Zielbahnhof
ansteuern. Wie genau die EisenbahnerInnen den Streikbefehl einhielten, lässt sich unter
anderem daran sehen, dass einige Güterzüge nur wenige Meter von den Entladerampen von Unternehmen abgestellt wurden
und dort auch tagelang stehen blieben. Österreichs Unternehmen stöhnten unter dem Druck
des Streiks gewaltig. Der Streik der GdE stellte hunderte Betriebe vor massive logistische
Probleme, die sich in einzelnen Betrieben bereits am Donnerstag auch in der Produktion
niederschlugen. Die sogenannte Just-in-time-Produktion, die jahrelang als Beweis für das
Ende der Macht der Gewerkschaften gegolten hatte, offenbarte sich als Achillesferse des
Kapitals. Die EisenbahnerInnen mussten sich nicht verausgaben, noch wenige Stunden mehr
und in einem Betrieb nach dem anderen hätte die Produktion stillgestanden. Die
Voest-Alpine in Linz und Donawitz, die OMV, Magna, die gesamte Papierindustrie,
Chemiebetriebe (wie etwa die Lenzig bei Vöcklabruck, die an normalen Tagen 20
Eisenbahnwagons umschlägt).... nicht zu Unrecht bezeichnet Die Presse die
Liste der betroffenen Betriebe als das who is who der österreichischen
Industrielandschaft. Doch dabei wäre es nicht geblieben: Im Gegensatz zur
Lügenpropagnada der Regierung ist die ÖBB alles andere als ein Sanierungsfall. Im
Güterbereich entwickelte sich die ÖBB in den 1990er Jahren zu einem veritablen
Transport- und Logistikkonzern. Über 50 Konzerne lassen ihre gesamte Logistik über die
ÖBB abwickeln, darunter etwa Nestle und Unilever und alle waren von den
Arbeitsniederlegungen an ihren Gliedern gelähmt. Der
unbefristete Streik stellte darüber hinaus den gesamten Transportbereich der EU auf eine
schwere Probe. Durch die Störung des europäischen Wagenumlaufes kamen andere
Bahngesellschaften wegen fehlender Kapazitäten in Bedrängnis. Die Sperre wichtiger
Nord-Süd- (Brenner) sowie Ost-West-Verbindungen tat das übrige dazu. Wilhelm Haberzettel
und seine Gewerkschaft waren auf einmal Thema der internationalen Presse. Die
Frankfurter Allgemeine, mediale Speerspitze des deutschen Neoliberalismus, fragt
ungläubig, ob so was überhaupt sein kann und darf. Erfolgsdruck Der
EisenbahnerInnenstreik war somit nicht gerade zufällig das Thema der öffentlichen
Debatte. Die Bürgerlichen warfen auch all ihre Energie in diesen Arbeitskampf, um die
EisenbahnerInnen zu bezwingen. Die EisenbahnerInnen mussten daher in den letzten Woche und
Tagen eine unvorstellbare mediale Hetzkampagne über sich ergehen lassen. Ein
zentrales Ziel der Bürgerlichen war es über ihr de facto Meinungsmonopol (TV,
Zeitungen,...) die EisenbahnerInnen als Privilegienritter zu isolieren. Ihre
Rechnung war klar: die EisenbahnerInnen müssen mit ihrem Kampf alleine bleiben und durch
den öffentlichen Druck sollen sie gebrochen werden. Die junge
Generation der österreichische Arbeiterklasse ist wenig erfolgsverwöhnt. Über Jahre
wurden wir an zähe Rückzugsgefechte gewöhnt. Dieser Rückzug erfolgte lange Zeit über
ohne größere Gegenwehr. Widerstand ging meist nur von isolierten Sektoren, wie den
Beamten oder speziell den LehrerInnen, aus. In der Privatwirtschaft wurden wir in einem
Bereich nach dem anderen entlang den Bedürfnissen des Standortes geschoren.
Neben mageren Lohnerhöhungen entlang der Inflationslinie (Produktivitätsgewinn als
Maßstab für Lohnerhöhung ist schleichend aus der Diskussion geraten) wurden
Arbeitsrechte ausgehöhlt. Wenn es zu
offenem Widerstand kam, hatte dieser meist nur symbolischen Charakter: Medienaktionen,
kleine Demos, Betriebsversammlungen. Auch als die Regierung im Frühjahr zum
Generalangriff auf das öffentliche Pensionssystem blies, konnte die Streikbewegung keinen
wirtschaftlichen Druck auf die Regierung entwickeln. Mit den Streiks und der Großdemo am
13. Mai 2003 konnte die Gewerkschaft zwar die öffentliche Meinung für sich gewinnen,
aber die im Umfang und zeitlich eng begrenzten Streiks konnten nicht den notwendigen
wirtschaftlichen Druck erzeugen, den es bedürft hätte, um die Regierung in die Knie zu
zwingen. Das Ergebnis war eine Niederlage mit schweren Einschnitten in das Pensionssystem. Lange Zeit
schaute es danach aus, als würde wie schon im Fall der Privatisierung der Voest die
Gewerkschaft auch im Konflikt um die ÖBB-Reform nur zu symbolischem Protest
greifen. Bei der Personalvertreterkonferenz der GdE im August war von Streik noch keine
Rede. Die FunktionärInnen wurden damals rein auf den Überstundenboykott eingeschworen.
Und selbst zu dieser eher zahnlosen Kampfmaßnahme wollte man erst starten, wenn weitere
Verhandlungen mit der Regierung scheitern. Dabei war schon damals klar, dass es rein am
Verhandlungstisch keinen Kompromiss geben kann. Die Regierung hatte längst den Plan
gefasst rund um die ÖBB-Reform die Gewerkschaft in einer ihrer wichtigsten
Hochburgen herauszufordern, um sie langfristig zu schwächen. Dementsprechend war die
Regierung auf Provokation aus. Wäre die Gewerkschaft dem Kampf ausgewichen, wäre dies
eine beinharte kampflose Niederlage geworden. Der
Überstundenboykott scheiterte. Da blieb der Gewerkschaft nur noch der Weg nach vorne.
Nach einem 12-stündigen Warnstreik verkündete GdE-Chef Haberzettl am Mittwoch, dem 12.
November 2003, sogar einen unbefristeten Streik der EisenbahnerInnen. Die veröffentlichte
Meinung schäumte, und versuchte den Streik wegzuschreiben: Chaos bleibt aus
hieß es dann bereits am Donnerstag. Doch während die Schreiberlinge die sich anspannende
Lage noch klein reden wollten (als ob Chaos der Maßstab eines erfolgreichen Streiks
wäre) läuteten in allen Chefetagen die Alarmglocken. Der Streik zeigte erste
wirtschaftliche Folgen. Die erfolgreiche Arbeitsniederlegung führte zu Friktionen und
hektischen Telefonaten in den Ministerien und Interessensvertretungen. Scharfmacher wie
Kanzler Schüssel intervenierten noch Donnerstag Nacht persönlich bei Verkehrsminister
Gorbach, dass dieser nicht nachgeben dürfe und ließ einen Kompromiss mit der GdE wieder
platzen. Die EisenbahnerInnen gingen so zwar angespannt aber hoffnungsfroh in den Freitag.
Sie wussten welche Macht sie ausüben und konnten sich sicher sein, dass sich die
Regierung wird bewegen müssen. Zwar ist die Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung, der
Zerstörung solidarischer Netzwerke (Kranken- und Pensionsversicherung) ausgesprochenes
Ziel des Kabinett Schüssel II, doch die Höhe des Preises, nämlich ein wochenlanger
Ausstand, war ihnen in diesem Fall dann doch noch zu hoch. Eine der
wichtigsten Erfahrungen des Eisenbahnerstreiks lautet daher: Kämpfen lohnt sich! Niemand
mehr wird die Wucht eines Streiks klein reden können. Auch nicht in der
Gewerkschaftsbewegung. In diesem Zusammenhang wollen wir Willi Mernyi, den Leiter des
ÖGB-Kampagnenreferats, zitieren, der im Standard meinte: Jetzt ist im
ÖGB allen klar: Streiken bringts! An diese Worte wollen wir uns gerne
erinnern... Und
trotzdem: Streikende durch eine österreichische Lösung Die
Regierung sah sich gezwungen, den Kompromissangeboten der Gewerkschaft schlussendlich doch
zuzustimmen. Schüssel & Co. mussten einsehen, dass man die Gewerkschaft in diesem
Konflikt nicht biegen kann, dazu kam der wachsende Druck seitens der Wirtschaft. Da blieb
nur noch eins: Über die guten Kontakte zum ÖGB-Präsidenten Verzetnitsch sollte mit der
GdE doch nach einem Kompromiss gesucht werden. Verzetnitsch
nahm diesen Strohhalm dankend auf und legte sein ganzes Gewicht in die Waagschale. Die
Führung der GdE, welche schon die längste Zeit kompromissbereit gewesen wäre und die
Notwendigkeit einer ÖBB-Reform im Prinzip akzeptierte, war ebenfalls froh, möglichst
schnell wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren zu können. Der ÖGB-Präsident, der während der ganzen Woche durch Abwesenheit
geglänzt hatte und keine Schritte gesetzt hatte, um die Bewegung auf andere Teile der
Arbeiterklasse auszudehnen, entwickelte
plötzlich eine hektische Betriebsamkeit als ein Ausstieg möglich und notwendig
war um den Wirtschaftsstandort nicht zu gefährden. Im Zuge
der Auseinandersetzung hatte die Gewerkschaft immer mehr die Verteidigung des Dienstrechts
vor gesetzlichem Eingriff ins Zentrum der Streikziele gerückt. Wäre die Regierung mit
diesem Plan durchgekommen, wäre die Kollektivvertragshoheit der Gewerkschaften gefallen:
alle Arbeitsverträge würden dem Zugriff der Regierung ausgeliefert sein. Rund um diese
Frage solidarisierten sich nun auch immer mehr Teilgewerkschaften mit den
EisenbahnerInnen. Denn hier ging es um die Zukunft der gesamten Gewerkschaftsbewegung. Diesen Angriff
haben die EisenbahnerInnen vorerst abwehren können. Darauf baut auch die Stimmung bei
vielen FunktionärInnen der GdE (und darüber hinaus) auf, man habe einen Riesenerfolg
gelandet. Wenn manch linke Gruppe nun vom großen Verrat spricht, dann ist
dies fern des Bewusstseinsstandes vieler GewerkschaftsaktivistInnen, die froh sind, dass
man einen Dammbruch verhindert hat. Doch die Freude bei
vielen EisenbahnerInnen wird wahrscheinlich nicht allzu lange andauern. Denn der
Kompromiss, der zum Streikende führte, sieht eines klar vor: 100 Millionen müssen
bis 30. April in diesen Verhandlungen zum Dienstrecht zwischen GdE und ÖBB-Vorstand, der
die Regierungsziele gutheißt, eingespart werden. Die Regierung macht die
Kürzungsvorgaben, die Gewerkschaft darf diesen Abbau möglichst gerecht auf
alle verteilen und wenn die GdE das nicht Zustande bringt tritt wieder Plan A in
Kraft: der gesetzliche Eingriff im April 2004. Die GdE steht also vor der Alternative: den
Sozialabbau mittragen oder den Kampf wieder aufnehmen. Ein
weiteres Streikziel nämlich die Verhinderung der Zerschlagung des Unternehmens, der ÖBB,
wurde nicht einmal in Ansätzen erreicht. Die abverhandelten Zugeständnisse bewegten sich
im Rahmen der Rechnungshofkritik und darunter. Die Zweiteilung der Infrastruktur, von der
GdE zutreffend als Kernstück schwarz-blauer Machination bezeichnet, wird aufrecht
bleiben. Auf der einen Seite wird das gesamte Anlagevermögen konzentriert (inkl.
Wohnblöcke, Kraftwerke, lukrative Bahnhofsimmobilien) auf der anderen Seite
Bahnbauarbeiter (in der Infrastruktur Betrieb AG), die am freien Markt um Aufträge aus
der reichen Infrastruktur Bau AG rittern werden müssen. Dieser Plan wurde noch letzte
Woche vom Kollegen Haberzettl als Versuch arbeitslose Eisenbahner zu produzieren
bezeichnet. Das FPÖ-Management der Immobilien Bau AG kann die Betriebs AG aushungern
lassen, EU-Recht das öffentliche Ausschreibungen vorsieht wird das Übrige tun. Kollege
Haberzettl selbst rechnet noch diese Woche damit, dass diese Betriebs AG innerhalb von
drei Jahren in den Konkurs geschickt werden müsse. Ob dies nun dadurch verhindert werden
kann, dass eine Verschiebung von Arbeitskräften und operativen Zielen zwischen Immobilien
Betriebs AG und Bau AG rausverhandelt wurde, ist sehr zweifelhaft. Auch die
Personalagentur bleibt bestehen. Das Zwischenlager für arbeitslose Eisenbahner
(so die GdE) wird vermutlich einen neuen Namen und einen freiwilligen Beirat mit
Gewerkschaftsbeteiligung erhalten. Wenn
Verzetnitsch jetzt sagt, die Strukturreform der ÖBB muss jetzt noch im Parlament
ausverhandelt werden, und die Gewerkschaft wird sich genau anschauen, wie die einzelnen
Abgeordneten abstimmen werden, dann ist das eine reine Augenauswischerei. Dafür haben die
EisenbahnerInnen ganz sicher nicht gekämpft. Der
greifbarste Erfolg des Streiks bleibt damit der, dass die Regierung gezwungen wurde die
Gewerkschaft wieder an den Verhandlungstisch zu holen, obwohl die Gesetzgebungsprozedur
bereits angelaufen ist. So wichtig dies für die Gewerkschaft als Organisation war, für
die EisenbahnerInnen und die BahnkundInnen ist und bleibt dies ein äußerst mageres
Ergebnis. Bürokratische
Streikführung Die Frage
bleibt: Wäre nicht viel mehr drinnen gewesen? Die Sozialpartnerschaft wurde
zurückgestreikt, doch bei den konkreten sozialen Interessen der EisenbahnerInnen und der
BahnkundInnen zeigte sich die Gewerkschaft äußerst kompromissbereit. Die
meisten EisenbahnerInnen waren davon überzeugt, dass sie diesen Konflikt noch über
Wochen durchstehen können. Wenn man hier auch eine angebrachte Kampfrhetorik in Rechnung
stellt, so war es sicher so, dass die EisenbahnerInnen am Freitag Nachmittag nicht am Ende
ihrer Kräfte waren. Sie hielten dem Druck des Managements (in Briefen und Drohanrufen)
und der veröffentlichten Meinung stand. Nicht als Gebrochene sondern mit Stolz nahmen sie
ihre Arbeit wieder auf und ließen dabei ihre Lokomotiven hupen. Tatsächlich
war es so, dass die regionalen Streikleitungen den ganzen Freitag über, auch als
Schüssel das vorzeitige Streikende verkündete, noch heftig am organisieren waren, um den
Streik übers Wochenende hinaus fortzusetzen. Es war offensichtlich nur ein ganz kleiner
Kreis, der an einer Vereinbarung mit Schüssel arbeitete. Die
Fortsetzung des Streikes übers Wochenende hätte ein für Österreich einzigartiges
Eskalationsszenario bedeutet. Für Dienstag wären Streiks in der OMV und den städtischen
Verkehrsbetrieben (Wien, Linz, Graz, Innsbruck) angesagt gewesen. Ebenfalls für Dienstag
geplant eine österreichweite Betriebsrätekonferenz der Gewerkschaft
Druck-Journalismus-Papier (DJP). Schon übers Wochenende eskalierte noch einmal der
Arbeitskampf bei der AUA, der am Montag sogar zu einem halbstündigen Streik führte, denn
ÖGB-Präsident Verzetnitsch nur mit größter Mühe noch abdrehen konnte. Für den 22.
November wäre eine bundesweite Demonstration in Wien geplant gewesen wäre, zu der alle
Teilgewerkschaften mobilisiert hätten. Und es wären in der GdE gewiss Kräfte stärker
geworden, die für eine veränderte Streikstrategie gewesen wären. Wohin man kam, erlebte
man in den Dienststellen die Einsicht, dass es nicht ausreicht, einfach den Zugverkehr
lahm zu legen. Die EisenbahnerInnen müssten raus aus ihren Buden in die Öffentlichkeit,
um dort Stärke zu demonstrieren. Dieses
Szenario schreckte nicht nur die Regierung, sondern auch viele im ÖGB selber. Ein kleiner
Kreis von Eingeweihten nahm dann den von der Regierung angebotenen Strohhalm weitere
Verhandlungen und beendete den Streik bevor dieser seine ganze Kraft entfalten
konnte. In diesem
Streik wäre noch viel mehr möglich gewesen. Den bitteren Beigeschmack im Zuge dieses
Kompromisses hätten wir uns ersparen können. Wären die EisenbahnerInnen wirklich
mobilisiert worden, wären sie von der eigenen Gewerkschaftsführung nicht dazu angehalten
worden, passiv in ihren Dienststellen zu sitzen, dann hätte man die Regierung zwingen
können, ihre gesamten Pläne zurückzuziehen. Ja, die in sich ohnedies schwer
erschütterte schwarz-blaue Regierung hätte wahrscheinlich zu Fall gebracht werden
können. Wenn Schwarz-Blau die ÖBB-Reform nicht durchgebracht hätte, dann wären alle
Widersprüche im bürgerlichen Lager offen zu Tage getreten. Bei der
Art und Weise, wie die Gewerkschaft diesen Streik geführt hat, konnte man nur schwer
Kraft entwickeln, um den Prozess so weiter zu treiben. Der GdE lag es fern, einen aktiven
Streik zu führen und die eigene Basis zur Trägerin des Streiks zu machen. Als
MarxistInnen begrüßten wir, dass die GdE einen unbefristeten Streik ausgerufen hat. Um
den Streik zu einem wirklichen Sieg zu führen, hätte es aber einen aktiven und
demokratischen Streik gebraucht (siehe unser Flugblatt "Wir wollen siegen!").
Das zweite
Element, das für einen Sieg notwendig gewesen wäre, hatte die ÖGB-Spitze in der Hand.
Die Streikfront hätte ausgeweitet werden müssen. Ansätze dafür gab es. Das
bedeutendste Beispiel lieferte der Betriebsrat des Postbus, der einen 24-stündigen Streik
organisierte, den man (auch wenn offiziell ein anderer Streikgrund, nämlich der Kampf
gegen die Teilprivatisierung des Postbus, genannt worden war) eindeutig als politischen
Solidaritätsstreik bezeichnen kann. Dieser Streik war von enormer Symbolkraft. Daran
hätten sich Verzetnitsch, Hundsdorfer & Co. ein Beispiel nehmen sollen. Perspektiven Eins ist
klar: dieser Kompromiss kann nur bedeuten, dass der Kampf noch nicht zu Ende ist. Die
Frage ist, ob die Gewerkschaftsführung bereit ist, in diesem Konflikt, der bis Ende April
weitergeht, noch einmal zum Mittel des
Streiks zu greifen. Die Forderungen der Regierung liegen auf dem Tisch. Kollege Haberzettl
zeigt sich bisweilen verhandlungsbereit. Der geplante Kompromiss mit der Regierung sieht
u.a. Verschlechterungen bei den Biennalsprüngen, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
die Einschränkung der Mitsprache der Personalvertretung
vor. Jetzt geht es konkret um die Verteidigung der sozialen Rechte der
EisenbahnerInnen. Diese Regierungspläne müssen vom Tisch! Das einzige Mittel dazu ist
die Wiederaufnahme des Kampfes! Als
dringlichste Aufgabe der nächsten Zeit sehen wir die Demokratisierung der Gewerkschaft.
Um die gesamte Kraft unserer Bewegung wirklich in die Schlacht werfen zu können, um das
Maximale in einem Arbeitskampf rausholen zu können, müssen die diesen Kampf führen
müssen, auch in den Kampf bewusst eingebunden werden. Diejenigen, die den Streik führen,
sollen auch die Möglichkeit haben zu bestimmen, wie der Streik geführt werden soll, wie
die Streikziele ausschauen sollen, und sie sollen die Möglichkeit bekommen bei
Urabstimmungen zu entscheiden, ob sie mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden sind oder ob sie weiter kämpfen wollen. Wir sind davon
überzeugt, dass die Belegschaft in einem Arbeitskampf noch viel mehr Druck machen wird,
noch entschlossener kämpfen wird, wenn sie spürt, dass es auf sie ankommt, dass ihre
Meinung zählt. Unsere
Gewerkschaft war von Anfang an bemüht schnell einen Kompromiss zu finden. Die Regierung
musste, um eine weitere Eskalation zu verhindern, den von unserer Gewerkschaftsführung
ausgestreckten Finger ergriffen und hat postwendend aber gleich mit der anderen Hand zum
nächsten Schlag ausgeholt. Sie wird an ihren Plänen festhalten, außer es gelingt uns
soviel Druck aufzubauen, dass sie in die Knie geht. Ab jetzt brauchen wir unsere Finger
für was anderes. Erinnern wir uns an den alten Spruch: 5 Finger bilden eine Faust! Und
eine harte Faust werden wir gegen diese Regierung noch brauchen. Mit den Vorbereitungen
für die nächste Phase des Kampfes sollten wir so schnell wie möglich beginnen. Wien, 19.
November 2003 Der
Kampf um die ÖBB geht weiter! Wir
stehen unmittelbar vor der Entscheidung über die Strukturreform der ÖBB. Es ist dies
eine derart existenzielle Weichenstellung für die Zukunft der ÖBB und damit auch aller
Beschäftigten und darüber hinaus aller KonsumentInnen, dass wir gezwungen sind uns
einzumischen und versuchen der Bürgerblockregierung in den Arm zu fallen. Die
ÖBB darf nicht zerschlagen werden! Wenn
es den Profithaien um diese Regierung gelingen sollte die ÖBB zu zerschlagen, dann werden
sie nachdem sie mit ihr schnelles Geld gemacht haben werden - sie infolge in den
Bankrott führen. Wir wissen aber nur zu gut, dass Beschäftigte in bankrotten
Unternehmungen rechtlos, dass sie wie Freiwild sind, von Kündigungen, Lohnkürzungen und
verschärfter Ausbeutung betroffen. Die ÖBB-Strukturreform ist daher ureigenste
Angelegenheit aller EisenbahnerInnen. Sie zu verhindern Gebot der Stunde! Wir
hatten es in unseren Händen
diese
Strukturreform zu verhindern. Wir hätten nur unseren Streik erfolgreich zu Ende führen
sollen. Wir sagen es unmissverständlich: Der Streikabbruch war nicht notwendig, ja noch
mehr: Der Streikabbruch hat uns nur geschadet! Die EisenbahnerInnen waren bereit weiter zu
streiken, und andere Sektoren der Gewerkschaftsbewegung haben sich vorbereitet massive
Solidaritätsaktionen für die ÖBBler zu setzen. Die Regierung wankte bereits; einerseits
die geschlossene Streikfront der EisenbahnerInnen, andererseits die beunruhigten
Kapitalisten, die um ihre Profite bangten. Sie wollten, dass der Streik schleunigst
beendet wird und wären, je länger die EisenbahnerInnen ausgehalten hätten, zu immer
weiter reichenderen Zugeständnissen bereit gewesen. Sie alle -Regierung und Kapitalisten
- übten gewaltigen Druck auf die Streikführung aus, die zu wanken begann und
schließlich den Streik unnötigerweise beendete! Willi
Haberzettl und die Streikführung gingen in die Knie,
und
riefen schließlich zur Wiederaufnahme der Arbeit. Wir haben daraufhin die Streikwaffe aus
unseren Händen gelegt, und müssen feststellen nachdem uns das
Verhandlungsergebnis bekannt gemacht worden war dass wir jetzt nahezu mit leeren
Händen da stehen. Wir wissen noch nicht erschöpfend, warum Willi Haberzettl den Kampf
abzubrechen empfohlen hat, aber der Druck der auf ihm lastete war auch sicherlich von
einer Person alleine nicht auszuhalten. Und wir wissen noch nicht, warum das Streikkomitee
den Empfehlungen gefolgt ist den Streik abzubrechen. Aber wir wissen, dass der Druck,
unter dem ein Einzelner oder eine kleine Gruppe zusammenbricht, von zehntausenden aktiven
und selbstbewussten GewerkschafterInnen leicht zu verkraften gewesen wäre! Es ist dies
eine sehr wichtige Lehre aus dem Streik, denn: Unsere
Gewerkschaftsführung muss gestärkt werden,
damit
sie im entscheidenden Moment nicht wieder schwach wird! Doch wie ist dies möglich? Wir
müssen zurückkehren zur alten gewerkschaftlichen Praxis der Urabstimmungen. Über alle
wesentlichen Fragen eines Kampfes (Streikführung, Kampfdauer, Annahme oder Ablehnung
eines Verhandlungsangebotes) muss die gesamte Gewerkschaftsmitgliedschaft in Form von
Urabstimmungen auf Betriebsversammlungen abstimmen. Nur so kann dem Willen der Basis und
den Erfordernissen der Kampfführung optimal entsprochen werden, nur so können wir dem
vereinten Druck von Regierung und Kapital in Zukunft standhalten! Den
Kampf gegen die Strukturreform, gegen die Zerschlagung der ÖBB aufnehmen! Noch
ist es nicht zu spät. Und wir haben vor allem gelernt: Streiken zahlt sich aus. Die
EisenbahnerInnen müssen nun von Willi Haberzettl und der GdE-Führung die Vorbereitung
von neuen Kampfmaßnahmen fordern. Und im Lichte der Lektionen aus dem letzten Streik
müssen sie dazu einklagen: Alle Entscheidungen müssen zukünftig von der Basis getroffen
und getragen werden. Bereiten wir uns so auf die nächste Runde im Kampf um die ÖBB vor.
Denn: Die ÖBB gehört uns, und die Straße sollten wir demnächst erobern! 23.11.2003
Eine
Flugschrift von: SJ Alsergrund, SJ Josefstadt, SJ Mödling, SJ Linz/Römerberg, AKL
Innsbruck, SJ Voralberg Wenn der
Postmann niemals klingelt In den letzten Wochen gab es immer wieder Streikaktionen in London und Großbritannien. Der Streik der PostarbeiterInnen verdient dabei besondere Beachtung. In den letzten Monaten gab es im Großraum London eine Serie von offiziellen Streiks der PostarbeiterInnen, welche eine zusätzliche Pauschale für in London beschäftigte ArbeiterInnen forderten. Dies wurde deshalb gefordert, weil man mit den normalen Löhnen mittlerweile ein Leben im teuren London nicht mehr finanzieren kann. Die Geschäftsleitung versuchte die während des Streiks liegengebliebene Arbeit auf die ArbeiterInnen abzuwälzen. Nachdem eine gewerkschaftliche Urabstimmung über Streikaktionen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne im September negativ ausgefallen war, glaubte das Management der Post stark genug für weitere Provokationen zu sein. Der Beginn des Streiks Als sich am 17. Oktober in Southall (West-London) 16
FahrerInnen weigerten unbezahlte Zusatzarbeit zu leisten, wurden sie vom Management
kurzerhand suspendiert. Als diese Arbeit dann an das nahegelegene Postamt in Greenford
weitergegeben wurde, weigerten sich auch dort die ArbeiterInnen die Arbeit zu verrichten.
Auch sie wurden suspendiert. Das Management glaubte, dass es einfach wäre die einzelnen
ArbeiterInnen untereinander zu isolieren und der Gewerkschaft so einen bedeutenden Schlag
zu versetzen (viele der Suspendierten waren gewerkschaftlich organisiert), doch dem war
nicht so. Neben den suspendierten ArbeiterInnen traten immer mehr Postämter in einen
Solidaritätsstreik. Die Einigung Das Management der Post reagierte mit blanker Repression.
Entlassungen und gerichtliche Verfahren wurden angedroht. Die Manager der Royal Mail
wurden angewiesen ihre MitarbeiterInnen, die am Streik teilnehmen, zu bespitzeln,
führende Steikende ausfindig zu machen und zu melden. (The Guardian, 1. November 2003)
Doch all dies half nichts, die Geschäftsleitung kam immer mehr unter Druck. Die Lehren des Streiks Bemerkenswert bei diesem Streik war vor allem, dass er rein "legal" nicht möglich gewesen wäre. Die "Anti-Gewerkschafts"-Gesetze aus der Ära der Tory-Regierungen in den 1980er Jahren verunmöglichen nahezu jede Streikaktion. Offizielle Streiks benötigen eine dreiwöchige Vorlauffrist, in der sich die Unternehmen auf die Streiks einstellen können. Die britischen PostarbeiterInnen haben jedoch gezeigt, dass Gesetze nicht dass Papier wert sind auf dem sie gedruckt sind, wenn die ArbeiterInnen zusammenstehen. Trotz all der Drohungen von Seiten des Managements trugen sie einen beeindruckenden Sieg davon, der auch auf die anderen Sektoren der Wirtschaft Eindruck machte. Unser Korrespondent aus London http://www.derfunke.at/hp_artikel/wildcatpost.htm Quelle: www.derfunke.at
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