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Rechtliche und finanzielle Gesichtspunkte des Verkaufs der DB AG
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1. Die DB hat in ihrer Eröffnungsbilanz 1994 das Anlagevermögen um 43 Mrd. Euro reduziert und seither die durch zinslose Darlehen und Baukostenzuschüsse des Bundes erstellten Anlagen wertmäßig nicht bilanziert. Ermittelt man den „vollen“, d.h. realen Wert der DB AG auf der Basis der im PRIMON-Gutachten genannten Werte, so ergibt sich eine Größenordnung von 100 Mrd. Euro als Wert allein für die Bahnsparte des integrierten Konzerns. Da nur etwa 40 Mrd. Euro bilanziert sind, ergeben sich prognostizierte Verkaufserlöse für 49% der DB AG (einschl. der Speditionssparte und unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten) von nur 4,6 bis 8,7 Mrd. Euro. Da Anlagenwerte in Höhe von etwa 60 Mrd. Euro nicht bilanziert wurden, werden bei einem 49% Verkauf Anlagen im Werte von etwa 30 Mrd. Euro de facto verschenkt. Als „Gegenleistung“ fließen – wenn die DB AG die Hälfte des Erlöses erhält – 3 bis 4 Mrd.Euro in den Bundeshaushalt, das entspricht etwa 1% des Haushaltsvolumens eines Jahres!
Nach der Bundeshaushaltsordnung dürfen „Vermögenswerte nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden“. Daraus folgt, dass zu einem gesetzeskonformen Verkauf ein sechs- bis zehnfach höherer Erlös erforderlich wäre, als er im PRIMON-Gutachten ausgewiesen wird. Dies erscheint völlig ausgeschlossen: Die dann erwartete Kapitalrendite von etwa 8% betrüge bei einem Anlagevermögen der Schienensparte von etwa 100 Mrd. Euro 8 Mrd. Euro pro Jahr – dieser Betrag ist beim Umsatz von 18 Mrd.Euro nicht erreichbar. De facto ist die real bewertete DB AG nicht börsenfähig: Sie wird es nur, indem der überwiegende Teil des Anlagevermögens nicht bewertet wird und entgegen der Bundeshaushaltsordnung verschenkt werden soll!
2. Im Vergleich mit dem Netz binden Verkehrssparten weniger Kapital im Verhältnis zum Umsatz und erscheinen daher eher zu ihren realen Werten verkäuflich: Dies spräche für einen Verbleib des Netzes im Bundesbesitz und Verkauf der Speditions- und Schienenverkehre. Da jedoch der Schienenpersonen-Fernverkehr nur eine Rendite um 1% erwirtschaftet, müssen drastische Maßnahmen der Investoren zur Erreichung höherer Rendite erwartet werden. Die DB AG betreibt ja nach der Liquidation des InterRegio, und nachdem sie die Ausschreibung der notwenigen neuen Fahrzeuge aufgehoben hat, den InterCity-Verkehr als „Auslaufbetrieb“, da für die 20 bis 30 Jahre alten Fahrzeuge kein Ersatz vorgesehen ist. Weitere Reduktionen werden ganze Regionen vom Fernverkehr abhängen.
Damit werden Bund und Länder gezwungen, Ersatzleistungen im Nahverkehr zu bestellen und damit zusätzliche öffentliche Mittel aufzuwenden. Trotzdem verschlechtern sich die Verkehrsbeziehungen, da häufigeres Umsteigen und längere Fahrzeiten erforderlich und Komfort und Service abgebaut werden. Andere Verkehrsunternehmen werden in diesen Markt wegen der hohen und langfristigen Kapitalbindung für Züge und Werkstätten nicht einsteigen. Der einzige deutschlandweit agierende private Anbieter, die Touristik-Union International (TUI), stellte mit Gründung der DB AG ihre „TUI Ferien-Express“-Züge ein, als die DB diese mit realen Kostensätzen belasten wollte. In Großbritannien agieren private Bahnbetreiber nur, weil sie über das „Franchising“ der Strecken seitens des Staates vor Konkurrenz geschützt werden, mit angemessen niedrigen Trassenentgelten unterstützt und mit 7-Jahres-Verträgen mittelfristig finanziell disponieren können. Art. 87e Abs.4 des Grundgesetzes sieht eine Gewährleistung des Bundes auch für den Schienenpersonen-Fernverkehr vor. Sie ist de facto nicht gegeben, weil die im GG. geforderten gesetzlichen Regelungen fehlen. Sie müssten konkret definieren, welche Leistungen der Eigentümer der Sparte Fernverkehr in Bezug auf Linien, Häufigkeit und Bedienungsqualität zu leisten hat. Wird der Verkauf ohne diese Rahmenbedingungen trotzdem durchgeführt, werden die Schäden im Gemeinwohl und Belastungen des Bundeshaushalts höher sein als der Verkaufserlös.
3. Die immense Verschuldung und Nicht-Bilanzierung wesentlicher Anlagenwerte führen zu einer geringen Eigenkapitalquote von unter 20%. Mit dem Ziel, „der Welt größter Transportdienstleister“ zu werden, wird die Bahn weitere Akquisitionen durchführen wollen. Aufgrund der geringen Eigenkapitalquote müssen diese aber durch Kapitalerhöhungen erfolgen. Diese muss dann auch der Staat mitfinanzieren. Die nur wenigen Milliarden Euro Verkaufserlös für den Bund werden somit mittelfristig in die Bahn zurückfließen. Das Ergebnis ist, dass der Bund ohne tatsächliche Verbesserung des Haushalts die alleinige Verfügung über das Schienennetz verliert und legitime Renditeinteressen Dritter maßgeblich das Verkehrsgeschehen bestimmen und ggf. sogar ein Erpressungspotenzial verursachen.
Schlussfolgerung
Alle Varianten des Börsengangs schaffen massive Risiken und bieten keine realen Chancen für mehr Verkehr auf der Schiene und für eine Reduktion der staatlichen Leistungen. Die DB AG muss überhaupt nicht und sollte nicht verkauft, erst recht nicht verschenkt werden – stattdessen bieten sich als Alternativen:
Die Bahnen der Nachbarländer schaffen in staatlichem Besitz höhere Verkehrsleistungen, gemessen in Personenkilometer/Einwohner, als die DB AG. Bundesbahn und Reichsbahn hatten trotz teilweise miserabler Zustände im Netz und Fahrzeugpark 1993 höhere Leistungen im Personenfernverkehr als die DB AG nach zehn Jahren massiver Investitionen.
Gröbenzell, August 2006 Prof. Dipl.-Ing. Karl-Dieter Bodack, M.S. Sachverständiger in der Anhörung des Verkehrsausschusses am 10. Mai 2006 |
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