Deutschland 2001:
Wenn polnische oder rumänische Lokführer für 8 Mark die Stunde fahren und dabei
auf dem Führerstand der Lok wohnen und schlafen....!
Liebe Kolleginnen
und Kollegen
Sehr geehrte Damen
und Herren
Als in der Sylvesternacht 1993 die
Bundeseisenbahnen, praktisch über Nacht, privatisiert wurden, sprach man zwar nicht mehr
von blühenden Landschaften, aber dass es niemandem schlechter gehen sollte, das war schon
die Devise.
Keinem
Beschäftigten sollten Nachteile entstehen, aber, auch und vor allem der Öffentlichkeit
wurde eine Bahn versprochen, die nur noch aus positiven Superlativen bestand:
billiger,
schneller, weniger Behörde, mehr kundenorientiert, moderner, sauberer.
Mit einem Wort:
besser.
Was hieß das nun
für den Bereich, für den ich heute spreche, nämlich DB Cargo?
Damals hieß das
noch Güterverkehr und den Kleingutbereich hat man als erstes mal direkt einer Spedition
nachgeworfen. Der sollte damals noch mittels Containerverkehr auf der Schiene stattfinden.
Heute stehen
bei den Bahntrans-Terminals nur noch LKW´s. Abgehakt.
Wir wollten uns auf
unsere Stärke, den Ladungsverkehr als sogenanntes Kerngeschäft, konzentrieren.
Weil aber 1994 der
politische Auftrag nicht nur einfach privatisieren hieß, sondern damit eine Aufteilung in
Geschäftsbereiche und ca. 200 Tochtergesellschaften einherging, war die
Auseinandersetzung damit zunächst unsere Hauptbeschäftigung.
Wir lernten
kaufmännische Verantwortung, hörten was von Controlling im allgemeinen und von
Personalcontrolling im besonderen,
betrieben
permanente Optimierungsprozesse und studierten SAP/R3.
Wir gründeten ein
Kunden-Service-Zentrum und machten Kick-Off-Veranstaltungen, Workshops und Teambildungen.
Normten uns nach
ISO 9000 und nannten uns AG.
Und weil damit die
halbe Bahn beschäftigt war, hatten wir für so ganz alltägliche und banale Dinge wie
Züge fahren kaum noch Zeit.
Geschweige denn, für ein
monatelanges Eruieren, wer denn für das Gebäude zuständig ist, wo´s grade durchs Dach
regnet.
So was hält uns nur auf in unserem
Sprung hin zu einem jung-dynamischen, mit Charts und handputs gestyltem
Börsenunternehmen.
Lediglich zwei
Störfaktoren gilt es noch zu beseitigen:
Den Mitarbeiter und
den Kunden.
Das tut man
natürlich nicht einfach so, indem man es auch so benennt.
Nein, auch hier
zeigt man Kreativität:
Für den
Personalabbau benutzt man das Vehikel Steigerung der Produktivität.
Beseitigung des Kostenfaktors Mensch.
Über 140.000
Menschen hat man so bei der Bahn in 7 Jahren wegrationalisiert. Natürlich
sozialverträglich. Oder ins konzerneigene Arbeitsamt gesteckt.
Die Produktivität
wurde um über 100 % gesteigert.
Sind wir deshalb
dem Börsengang oder gar dem Kunden näher gekommen? Nein.
Also: Augen zu und
weitermachen.
MORA C heißt die
neue Wunderwaffe für den Kunden.
Marktorientiertes
Angebot Cargo.
Damit werden
Mitarbeiter und Kunden abgebaut. Klein werden, um stark und groß zu werden,
lautet die neue Devise von DB Cargo.
Eine offizielle
Reduzierung von 5.700 Mitarbeitern
Die Schließung von
über 1000 Güterverkehrsstellen
Die Reduzierung von
Zugbildungsanlagen von 80 auf 44.
Eine Verringerung
der Rangierloks von 950 auf 615
Und eine
Reduzierung der Infrastruktur um durchschnittlich 35 %
Dies sind die
gesetzten Meilensteine für die politischen Thesen von 1994, die da lauteten:
Wir
wollen den LKW-Verkehr auf den Strassen reduzieren. Wir wollen mehr Güter auf die
Bahn
Aber,
meldete sich eine kleine Partei:
Wir wollen
auch einen liberalisierten Verkehrsmarkt
Wie liberal wir
jetzt schon sind, wissen wir,
·
wenn
polnische oder rumänische Lokführer für 8 Mark die Stunde fahren und dabei auf dem
Führerstand der Lok wohnen und schlafen.
·
Das
wissen wir, wenn die heutige Jahresvignette für einen LKW mit 2500 DM grade mal so teuer
ist, wie der Trassenpreis für eine einzige Güterzugfahrt von Frankfurt nach München.
·
Das
wissen wir, wenn wir die Mängelliste in der Zeitung nachlesen, die eine
Sicherheitskontrolle von LKWs auf einer Autobahn ergeben hat, wo die liberalisierten
Kräfte des freien Marktes ja schon Gang und gäbe sind.
·
Das
wissen wir auch, wenn wir uns den jährlichen Schaden des Straßenverkehrs von über 200
Mrd. DM betrachten.
Und dieser
Trend, in Verbindung mit MORA C, bedeutet für die Cargo-Niederlassung Frankfurt:
·
Schließung
der Zugbildungsanlagen Gießen und Darmstadt-Kranichstein
·
Bedeutet
in der Niederlassung Frankfurt, die Schließung von ca. 100 von zurzeit 200
Güterverkehrsstellen
·
Bedeutet,
dass ganze Bedienäste wie z.b. Ober Ramstadt Reinheim/Odenw. mit mind. 3000
beladenen Güterwagen in 2001 oder
·
Kleinheubach
Miltenberg Amorbach mit 2300 bel. Wagen geschlossen werden.
·
Dass
Güterverkehrsstellen wie Dietzenbach mit 1200 bel. Wagen oder Messel mit 700 bel. Wagen
einfach verschwinden.
Und früher in Bonn
und heute in Berlin lehnt man sich zurück und stellt die Weichen.
Nachdem man die
Bahn zerschlagen und die Filetstücke verscherbelt hat, betreibt man weiter
Profitmaximierung für Wenige zu Lasten der Beschäftigten und der öffentlichen
Allgemeinheit.
Im Namen von
Marktfähigkeit und Liberalisierung betreibt man Lohn- und Sozialdumping.
Bahnwohnungen
wurden verkauft, Branchentarifverträge müssen her.
Einige Erfolg
versprechende Schienenwege für Geschäftsreisende werden gebaut und subventioniert.
Im
Nah- und Güterverkehr werden zu Lasten der Allgemeinheit und der Umwelt Strecken
stillgelegt.
Der Manager-Bahnhof
Frankfurt-Flughafen wird futuristisch neugestylt, Mainz-Bischofsheim gammelt vor sich hin.
Der
Frankfurter Hauptgüterbahnhof wird dem Messegelände geopfert, eine Verlagerung nach
Frankfurt-Ost wird bei dem Abbautempo bald nicht mehr nötig sein.
Da ist in unserer
Zugbildungsanlage Mainz Bischofsheim, also ganz in der Nähe, mal gerade über den Main,
seit über 2 Jahren kein Geld für eine defekte Weiche vorhanden, die so den halben
Bahnhof sabotiert, - und ebenfalls ganz in der Nähe, nur diesmal über den Rhein, da
leistet sich die Cargo Zentrale für Mill. ganze Glaspaläste.
Da dürfen in eben
diesen Glaspalästen ganze Jugend-forscht- Abteilungen jahrelang das Rad neu
erfinden ,-
und
für die Ausbildung eines Lokführers erlauben wir uns gerade mal 7 Monate.
Da werden an
Wochenenden auf der rechten Rheinseite ganze Güterzüge in Überholgleise gestellt, weil kein Personal vorhanden ist, - aber bis 2004
sollen bei DB Cargo noch weitere 1800 Lokführer abgebaut werden.
Und das alles bei
einer Verkehrsprognose die für die nächsten 15 Jahre eine Zuwachsrate von über 60 % im
Güterverkehr erwartet.
Und was tut nun die
Politik, also der Eigentümer, für seine und unser aller Bahn?
Mit dem Austauschen
von Verkehrsministern und Bahnmanagern, gerade wie die Bremssohlen an einem Güterwagen,
ist es nicht getan. Auch nicht mit einem neuen Experiment, den Fahrweg von der Bahn zu
trennen.
Es muss endlich die
Verkehrspolitik gewechselt werden.
Wir wollen
keine Steuergeschenke wie manch andere Großkonzerne, die sich auch noch damit brüsten,
keine Mark Steuern gezahlt zu haben.
Wir wollen, dass die
Umverteilung von unten nach oben endlich gestoppt und umgekehrt wird.
Wir wollen keine
Börsenbahn, damit sich einige wenige in der Schweiz, in Liechtenstein oder sonst wo,
schwarze Kassen anlegen.
·
Wir
wollen eine Bahn für die Menschen und die Umwelt dieses Landes.
·
Wir
wollen endlich mindestens die gleichen Chancen wie der Straßenverkehr.
·
Und
wir wollen auch sichere Arbeitsplätze in einem sicheren Zukunftsunternehmen Bahn in dem
die Menschen für ihre ordentliche Arbeit auch ordentliche Löhne erhalten.
Wir wollen endlich
eine Zukunft für unsere Bahn.