Wird die Deutsche Eisenbahnreklame ausgeschlachtet?

Rosinenpickerei und Ausverkauf der Bahn gehen weiter

 

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Warum will der Deutsche-Bahn-Konzern ausgerechnet hochprofitable Unternehmensteile am laufenden Band abstoßen? Nach dem bereits erfolgten Verkauf des Fernbus-Unternehmens Deutsche Touring GmbH an ein spanisch-portugiesisches Konsortium soll nun demnächst die traditionsreiche Deutsche Eisenbahnreklame (DERG) mit Hauptsitz in Kassel verscherbelt werden. Betroffene Beschäftigte, Gewerkschaften und Kommunalpolitiker sind fassungslos und befürchten einen massiven Arbeitsplatzverlust.

 

Die Deutsche Eisenbahnreklame ist die Werbetochter der Bahn mit derzeit rund 270 Beschäftigten, die mehrheitlich in der Zentrale am Kasseler Hauptbahnhof tätig sein. Sie kann auf eine fast 140-jährige Geschichte zurückblicken und vermarktet heute die Werbeflächen in fast 6000 Bahnhöfen, an 3.670 Fahrzeugen im Fernverkehr vom ICE bis zum Schlafwagen, 14.700 Nahverkehrsfahrzeugen und 100 modernen Loks. Ebenso produziert die DERG u.a. für Fernzüge die Fahrplanbroschüre „Ihr Reiseplan“ mit jährlich 111,5 Millionen Lesern.

 

Die Verkaufspläne sind aus Sicht der Beschäftigten und Gewerkschaften völlig unverständlich. Das Tochterunternehmen DERG arbeitet profitabel, erwirtschaft jährlich Gewinn in Millionenhöhe und hat damit zur positiven Jahresbilanz des Mutterkonzerns DB AG beigetragen. Bei 160 Millionen Euro Jahresumsatz lieferte die DERG bislang rund 10 Millionen Euro jährlich in den Kassen des Mutterunternehmens.

 

Seit dem durch Beschluss des Vorstandes der Deutschen Bahn AG angelaufenen Bieterverfahren um die Werbetochter DERG stehen in- und ausländische Kaufinteressenten Schlange, weil sie ein Schnäppchen und fette Beute wittern. Erstklassige Plakatstandorte in zentraler Citylage – in den Bahnhöfen – sind für den Berliner Unternehmer Hans Wall von der Wall AG „Goldgruben“: „Wall und die DERG passen perfekt zusammen.“

 

Beworben hat sich auch die Schweizer Affichage Holding aus Genf. Ihr Sprecher Christian Kauter möchte damit laut Pressemeldungen „sehr gute Synergien“ erzielen und „in den deutschen Bahnhöfen und Städten Großes leisten.“ Mit im Rennen ist neben dem amerikanischen Medienkonzern Viacom und der Agentur Ströer-DSM aus Köln auch die französische JCDecaux-Gruppe, nach eigenen Angaben der weltweit zweitgrößte Anbieter von Außenwerbung. JCDecaux hält übrigens nach Medienberichten an der Berliner Wall AG eine Minderheitsbeteiligung von 35 Prozent und hat bereits beim Bundeskartellamt einen Antrag auf Genehmigung der Übernahme gestellt.

 

Für die DERG-Beschäftigten steht viel auf dem Spiel. Wird die DERG verscherbelt und aus dem DB-Konzern ausgegliedert, so entfällt für die Betroffenen der Schutz durch den (zum Jahresbeginn 2005 unter großen Opfern zustande gekommenen und von starker Kritik der Eisenbahner begleiteten) Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag zwischen den Gewerkschaften und dem DB-Konzern. Ein Käufer würde zudem aller Voraussicht nach die DERG in seine eigenen Verwaltungsstrukturen eingliedern und die DERG-Zentrale in Kassel mit ihren 160 Arbeitsplätzen platt machen.

 

Für die Gewerkschaften ist das Schicksal der DERG ein Prüfstein ihrer eigenen Strategien und Perspektiven. Während Bahnchef Mehdorn noch auf dem letzten TRANSNET-Gewerkschaftstag als verlässlicher Partner und „aufgeklärter Manager“ gefeiert wurde, der sich zum „deutschen Mitbestimmungsmodell“ bekennt, stießen die Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsräten mit ihren fundierten Argumenten gegen einen DERG-Verkauf beim Mehdorn-Management auf taube Ohren. Mehdorns gute Vorsätze, künftig komme nicht mehr weg, was Geld abwirft, sind damit hinfällig.

 

Damit verblasst auch die gewerkschaftliche Illusion, durch einen Schulterschluss mit Bahnchef Mehdorn und Kanzler Schröder und eine Zustimmung zum Ziel eines Börsengangs könne der integrierte Bahnkonzern zusammengehalten werden. Denn wo das Mehdorn-Management die „Konzentration auf das Kerngeschäft“ des nach eigenen Angaben „internationalen Mobilitäts- und Logistikdienstleisters“ als Linie vorgibt, da könnten nach dieser Logik noch viele zehntausend Arbeitsplätze rund um die Bahn herausgehackt werden, die nicht zum eng definierten „Kerngeschäft“ des Transports von Personen und Waren gehören. Je näher der Termin der Bundestagswahl rückt, desto mehr scheint Mehdorn auch bereit zu sein, sich mit einer CDU-geführten Regierung und deren Zielsetzung einer Zerschlagung und Privatisierung des Bahnbetriebs und einer vollständigen Trennung von Transportgesellschaften und Infrastruktur zu arrangieren.

 

Gegen den Ausverkauf der DERG hat sich auch der Kasseler SPD-Landtagsabgeordnete Uwe Frankenberger ausgesprochen. Auffällig zurück hält sich allerdings ein anderer SPD-Parlamentarier aus der nordhessischen Metropole. Von Hans Eichel, Bundesfinanzminister und örtlicher Direktkandidat zur Bundestagswahl, konnten wir trotz intensiver Bemühungen keine Stellungnahme erhalten. Dabei dürfte der Minister Eichel die Vorgänge um die DERG gut kennen und hätte er auch in der Frage, ob ein bundeseigener Konzern einfach derartige Rosinenpickerei betreiben kann, ein Wörtchen mitzureden.

 

Hans-Gerd Öfinger



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