Weg von der Kernkompetenz? - DB kauft BAX Global

Das Geld lieber in den Ausbau des Schienengüterverkehrs investieren


Ein Interview mit Frederick Gamst

 

 

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Vor wenigen Tagen ließen Berichte über einen Verkauf der US-amerikanischen Logistikfirma BAX Global an die Deutsche Bahn AG für über eine Milliarde Euro aufhorchen. Was hat es mit BAX Global auf sich?

 

Der Brinks-Konzern, der vor wenigen Tagen BAX Global verkauft hat, war ursprünglich auf gepanzerte Fahrzeuge für den Geld- oder Wertsachentransport und private Wach- und Schließdienste spezialisiert. Dann hat die Firma ihre Geschäftsfelder auf den Bereich der Alarmanlagen für private Häuser und Wohnungen und Sicherungseinrichtungen gegen Diebstahl und Hausbrand ausgedehnt.

BAX ist in erster Linie ein Logistikunternehmen, das in der Luft, auf der Straße und mit Ozeandampfern weltweit Güterverkehr betreibt. Meines Wissens hat BAX so gut wie keine Schienenverkehrskompetenz. Insofern werden sich durch den Aufkauf von BAX für die DB als Schienenverkehrsunternehmen wenige oder gar keine Synergien ergeben.

Stärkt dieser Kauf die Deutsche Bahn und den deutschen Schienenverkehr?

Ich kann mir schwer vorstellen, was BAX eigentlich mit der Deutschen Bahn und ihrem „Stiefkind“ Schienengüterverkehr zu tun haben soll. Anstatt Gelder des DB-Konzerns in BAX zu stecken oder hierfür gar Kredite aufzunehmen, sollte die DB lieber ihre Mittel darauf verwenden, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Vielleicht glaubt das Management der Deutschen Bahn AG, dass es nicht kompetent genug ist, um den Schienengüterverkehr in Europa wirklich zu steigern. Ich habe bei meinem letzten Besuch in großen Rangierbahnhöfen in München und Hamburg mit eigenen Augen gesehen, dass dort die Kapazitäten bei weitem nicht ausgelastet sind. Jedenfalls wird der Kauf von BAX durch die DB nichts dazu beitragen, den Güter- oder Personenverkehr auf Schienen in Deutschland zu verbessern.

Aber nicht nur das Management, sondern auch Aufsichtsrat und Gewerkschaften begrüßen den Kauf von BAX und die Entwicklung der DB zum Global Player.

Wenn die Deutsche Bahn mit überwiegend öffentlichen Geldspritzen sich in der Welt alles Mögliche einkauft außer Schienenverkehrsunternehmen und die Gewerkschaften als “Cheerleaders“ den Global Player bejubeln, könnte genau darin ein Unterschied zu den angelsächsischen Gewerkschaften liegen. Einige angelsächsische Gewerkschafter sind davon überzeugt, dass das Management die deutschen Gewerkschaften „in der Tasche“ hat. Eine Anpassungsstrategie mag zu Zeiten des „Wirtschaftswunders“ noch Ergebnisse gebracht haben. Aber angesichts der heutigen Globalisierung der Arbeitsmärkte fragt sich: Wen vertreten die Gewerkschaften? Die Aktionäre? Oder Anleger aus Übersee?

 

Nun beteuern Bahn-Manager, der Aufstieg zum Weltkonzern sichere heimische Arbeitsplätze.

 

Eisenbahner-Arbeitsplätze werden so nicht sicherer. Dazu müssten die DB-Manager ihre Hausaufgaben machen und in enger Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Bahnen den Anteil der Schiene am Güterverkehr wesentlich steigern. Trotz aller Probleme muss ich feststellen, dass die privaten nordamerikanischen Güterbahnen Investitionen vornehmen mit dem Ziel, mehr und günstigeren Schienengüterverkehr anbieten zu können und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Manchmal werden die privaten Güterbahnen in den USA an der Börse dafür bestraft, dass sie so viel Geld in Infrastruktur und Rollmaterial investieren.

Ein Börsengang der Deutschen Bahn soll nach Aussagen seiner Befürworter „frisches Kapital“ bringen. Ebenso ist die Rede davon, dass dadurch US-amerikanische Pensionsfonds milliardenschwere DB-Aktienpakete übernehmen könnten. Was wissen Sie darüber?

Ich kann diese Frage nicht voll beantworten. Ich würde aber empfehlen, dass die DB die von den Eisenbahnern erarbeiteten und von deutschen Steuerzahlern eingebrachten Mittel nicht dafür verwenden sollte, die Taschen künftiger privater Aktionäre zu füllen. Ein Börsengang wird Investitionsgelder einbringen, aber wofür? Für weitere Einkäufe wie BAX oder für einen systematischen Ausbau des heimischen Schienenverkehrs? Solche Investitionen würden im Wesentlichen nicht dem Güter- oder Personenverkehr auf Schienen zugute kommen. Schienenpersonenverkehr ist gesellschaftlich notwendig, kann aber insgesamt betriebswirtschaftlich nicht profitabel sein. Also würden die Interessen eines solchen Fonds den Konzern immer weiter vom einheimischen Schienenverkehr weg orientieren. Wenn ein Konzern anfängt, sich von seinem traditionellen Kerngeschäft wegzuentwickeln, dann entwickelt er sich auch von seiner Kernkompetenz weg. Dann fängt der Kern zu bröckeln an.

 

Frederick C. Gamst ist gelernter Lokomotivführer aus Kalifornien und wurde über den zweiten Bildungsweg Professor für Anthropologie in Boston. Er arbeitet nach wie vor eng mit Bahngewerkschaften zusammen und wirkt als Berater für Gewerkschaften und staatliche Behörden an Projekten zur Verbesserung von Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz bei den Eisenbahnen mit. Im Sommer 2003 besuchte Gamst deutsche Rangierbahnhöfe und andere DB-Einrichtungen.

Interview und Übersetzung: Hans-Gerd Öfinger