Noch ist nichts verloren - aber:
Wer nicht kämpft, der hat schon verloren



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Auch wenn uns alle Welt das Gegenteil einreden will: Noch ist die Deutsche Bahn AG zu 100 Prozent im Bundesbesitz. Für den Verkauf auch nur einer Bahnaktie an Private besteht kein triftiger technischer oder sachlicher Grund, kein gesetzlicher Sachzwang und auch keine Rechtfertigung – außer den Renditeinteressen künftiger Investoren und der neoliberalen Verbohrtheit mancher Politiker, die meinen, alles drauf los privatisieren zu müssen.

Noch haben wir also etwas zu verteidigen und viel zu verlieren. Wie wir erfuhren, soll die Bundestagsentscheidung über eine Privatisierung frühestens Ende Oktober stattfinden. Mit jeder Verzögerung einer Abstimmung bekommen wir wertvolle Zeit, um den Parlamentariern deutlich zu machen, weshalb wir überhaupt keine Privatisierung wollen.

Die meisten Abgeordneten haben – trotz Freifahrt 1. Klasse – von der Eisenbahn keine Ahnung. Die Linke im Bundestag wird die Privatisierung ablehnen. Wenn es uns jetzt gelänge, die SPD-Fraktion von der Zustimmung zur Privatisierung abzubringen oder zumindest eine Vertagung der Entscheidung um Monate zu erreichen, dann könnte die Koalition kein gemeinsames Gesetz einbringen. So könnten wir noch ausführlicher erklären, wie eine optimierte öffentliche Bahn aussiehte und was wirkliche Alternativen zur Privatisierung sind.

Weder Pest noch Cholera

Hinter dem Streit der Verkehrspolitiker über den Weg der Privatisierung („mit oder ohne Netz?“) stecken einzig und allein unterschiedliche materielle Interessen der Privatisierungslobby. Institutionelle Anleger aus Übersee, wie sie das Mehdorn-Management offensichtlich an der Hand hat, wollen große Aktienpakete am DB-Konzern erwerben. Demgegenüber wollen einheimische Unternehmensgruppen die Bahn-Tochterunternehmen und Teilbetriebe einzeln aufkaufen, also zu 100 Prozent privatisieren. Beides liegt nicht in unserem Interesse. Beides müssen wir verhindern.

In den TRANSNET-Publikationen finden wir viele gute und triftige Argumente für einen einheitlichen Bahnkonzern und dafür, Fahrweg und Betrieb in einer Hand zu lassen. In Wirklichkeit jedoch ist eine Zerschlagung des Konzerns schon längst in vollem Gange und arbeiten die einzelnen Unternehmensbereiche schon mehr gegeneinander als miteinander. Letztes Jahr wurden profitable Unternehmensteile wie die DERG und und Deutsche Touring GmbH vom DB-Vorstand an Private verkauft. Umso fahrlässiger ist es deshalb, wenn führende TRANSNET-Kollegen für das leere Versprechen einer Einheit des Konzerns jetzt einen raschen „integrierten Börsengang“ fordern bzw. als „kleines Übel“ dulden. Nach einem Börsengang wird die Zerschlagung des Konzerns erst recht weitergehen und werden die Investoren jeden Streckenkilometer und jeden Arbeitsplatz abstoßen, der angeblich nicht genügend Rendite abwirft. Wer die Einheit der Bahn bewahren bzw. wiederherstellen möchte, der muss jede Form von Börsengang und Privatisierung strikt ablehnen.

„Das Netz muß bei einer Privatisierung unbedingt beim Bund bleiben“, fordern GDL und bürgerliche Verkehrspolitiker von CDU, CSU, FDP und Grünen. Es gibt in der Tat gute Argumente dafür, dass die Eisenbahninfrastruktur in öffentlichem Besitz bleibt und nicht den „Heuschrecken“ ausgeliefert wird. Aber eine Privatisierung und Zerschlagung der übrigen Bahn-Unternehmen ist für das Gesamtsystem Bahn genau so schädlich und wird immer mehr Arbeitsplätze vernichten bzw. dem Dumpingdruck aussetzen. Das können wir heute in Großbritannien sehen.

Es gibt kein „kleineres Übel“ oder eine „weniger schädliche“ Form der Privatisierung. Fahrweg und Betrieb gehören zusammen. Der Fahrweg muss beim Bund bleiben - und alle anderen Unternehmensteile der DB ebenso. Die Bahn kann nur als einheitlicher Organismus optimal funktionieren. Wenn einzelne Organe entnommen werden, ist der Kollaps vorprogrammiert.

Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen drohen Transnet und GDBA mit Streik für die Beschäftigungssicherung auch nach einem Börsengang und wollen damit auch politisch Druck ausüben, um einen „integrierten Börsengang“ durchzusetzen. Die GDL hingegen hat sich offenbar mit einer Zerschlagung des Konzerns abgefunden und droht mit Streikbruch.

Anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen und den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern jeweils unterschiedliche Modelle der Privatisierung als vermeintlich „kleines Übel“ schmackhaft zu machen, müssen die Gewerkschaften ab sofort gemeinsam für den Erhalt einer einheitlichen und bundeseigenen Deutschen Bahn AG eintreten. Denn bei einer Privatisierung geht es allen Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern an den Kragen.

Frankreich zeigt: wenn die Sprache der Argumente nicht ausreicht, um Politiker umzustimmen, dann verstehen sie nur die Sprache des Streiks. Ein durchschlagender Eisenbahnerstreik ist längst überfällig. Wir wollen aber nicht für Mehdorns Privatisierungsmodell den Kopf hinhalten. Ein Streik muss zu einer eindrucksvollen Demonstration gegen jede Form von Privatisierung und für „Plan B“ (Bahn bleibt beim Bund) werden. Eigentlich hatte Norbert Hansen zu Jahresbeginn dies schon für die Fussball-WM angekündigt.

Französische Verhältnisse bekommen wir erst dann, wenn die Gewerkschaften gemeinsam für den Erhalt der Arbeitsplätze sowie gegen Zerschlagung und Privatisierung kämpfen. Dies läge im Interesse aller Eisenbahner und könnte die Parlamentarier beeindrucken. Aktuelle Unterschriftensammlungen gegen eine Privatisierung bestätigen: Die Bevölkerung ist kritischer geworden. Laut Forsa-Umfrage sind 46 Prozent gegen und nur 28 Prozent für eine Bahnprivatisierung. Transnet muss sich jetzt endlich auf die eigene Forderung nach „Plan B“  besinnen und dafür mobil machen.

Bahn von unten, 19. September 2006


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