Alle Räder
stehen still
Landesweiter Streik
bei den Österreichischen Bundesbahnen am Dienstag, 04. November 2003, von 0.00 Uhr bis
12.00 Uhr.
4037 Züge sind vom lückenlosen Warnstreik der EisenbahnerInnen gegen Zerschlagung der ÖBB und ÖBB-Gesetzespaket betroffen.
Vom Warnstreik der
EisenbahnerInnen, der Dienstag um Null Uhr begonnen habe, seien insgesamt 4037 Züge
mittelbar und unmittelbar betroffen, teilte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft,
Wilhelm Haberzettl, Dienstag früh am Beginn einer medienöffentlichen Sitzung der
zentralen Streikkommission der Gewerkschaft mit.
Der Warnstreik der
EisenbahnerInnen, der sich gegen die Zerschlagung und Privatisierung der ÖBB und den
gesetzlichen Eingriff in die privatrechtlichen Dienstverträge der EisenbahnerInnen
richte, werde im ganzen Bundesgebiet lückenlos durchgeführt, sagte Haberzettl.
Der Warnstreik der
EisenbahnerInnen lief betrieblich bisher ohne nennenswerte Vorkommnisse ab. Der
GdE-Vorsitzende wies darauf hin, dass zur Beseitigung von Unfallschäden, sowie
grenztechnischen Problemen die streikenden EisenbahnerInnen den Behörden hilfreich zur
Seite standen.
Aus: http://www.eisenbahner.at/
Hintergrundartikel:
Der Kampf um die ÖBB
tritt in die heiße Phase!
Es ist also so weit.
Die lang erwarteten Streiks der Eisenbahnergewerkschaft gegen die aggressiven
Zerschlagungspläne der Bürgerblockregierung beginnen. Nachdem der Überstundenboykott
nicht die erhoffte Wirkung gezeigt hat und die Regierung nach wie vor nicht bereit ist
einzulenken, muss jetzt ein Gang höher geschalten werden. Vorerst werden nur für 12
Stunden alle Räder still stehen. Aber dieser 12-Stundenstreik kann und sollte der Auftakt
zur Organisierung eines Kampfes sein, den wir alle gemeinsam solange zu führen bereit
sein sollten, bis die Pläne der Regierung zu Fall gebracht worden sind.
Es sind alle
Argumente für und wider die Regierungspläne vorgebracht worden. Was dabei ins Auge
sticht ist die Unversöhnlichkeit in der Diskussion und in den Argumenten. Die Positionen
sind klar bezogen. Das Kapital, die Besitzenden und Reichen wollen der Gewerkschaft, der
Schutzorganisation der Lohnarbeitenden, eine empfindliche Niederlage zufügen und den
Lebensstandard der EisenbahnerInnen entscheidend hinabdrücken. Die Schraube der
Ausbeutung soll weiter angezogen werden. Und wir alle werden darunter zu leiden haben!
Das Recht auf
Selbstverteidigung!
Die EisenbahnerInnen
haben daher jedes Recht auf Selbstverteidigung, und die gesamte österreichische
Gewerkschaftsbewegung hat die Pflicht die EisenbahnerInnen in ihrem Widerstand tatkräftig
zu unterstützen. Niemand von der Regierungsseite ist jetzt mit bloßen Worten mehr zu
überzeugen, sondern nur mehr durch die Tat, durch den gewerkschaftlichen Widerstand,
durch die Arbeitsniederlegung bis hin zum unbefristeten, österreichweiten Streik! Nur so
können die real vorhandenen
Chancen auf einen
Sieg
auch tatsächlich
genützt werden. Die Piloten der AUA haben durch ihre Streikaktionen ja aufgezeigt, wie
schwach und verwundbar die Kapitalseite in Wirklichkeit ist. Und bei der ÖBB stehen die
Dinge nicht viel anders. Alles ist nur eine Frage des Willens und der Ausdauer! Was aber
diesbezüglich in den letzten Arbeitskonflikten klar zu erkennen war, ist, dass unter den
einfachen Mitgliedern der Gewerkschaft die Bereitschaft und der Wille zum Kampf bedeutend
höher entwickelt ist als innerhalb der Spitze der Gewerkschaften. Diese hat oft den Kampf
abgebrochen - man denke nur an die "Pensionsreform" - obwohl wir bei dessen
Fortführung sehr gute Aussichten auf einen Sieg gehabt hätten! Deshalb ist es notwendig
Mittel und Wege zu finden um im gegenwärtigen Kampf um die ÖBB den Willen und
Die Kampfbereitschaft
der EisenbahnerInnen
zum
entscheidenden Maßstab für das Handeln der Gewerkschaftsführung zu machen! Entscheidend
wird dabei sein, dass die EisenbahnerInnen gemeinsam mit ihren Personalvertretungen und
innerbetrieblichen Gewerkschaftsausschüssen fordern, dass nur sie alleine über die
Fortführung bzw. Beendigung des derzeitigen Kampfes zu entscheiden haben. Auf den
Streikversammlungen sollte unmißverständlich erklärt werden, dass alle gemeinsam bereit
sind den Kampf so lange zu führen bis die Zerschlagungspläne der Bürgerblockregierung
zu Fall gebracht worden sind. Jeder muss und soll sich an diesem Kampf beteiligen, denn:
Je mehr die
EisenbahnerInnen diesen Kampf auf ihren Schultern tragen, desto unmöglicher kann die
Gewerkschaftsführung über ihre Köpfe hinweg einen faulen Kompromiß ausverhandeln.
Machen wir auf diese Art und Weise die Gewerkschaftsführung um Wilhelm Haberzettl stark,
damit sie nicht schwach wird!
Die Weichen werden
gestellt
Angriff auf die ÖBB
Die ÖBB stehen seit
einiger Zeit voll unter Beschuss der schwarz-blauen Regierung. Die Bahn wäre zu teuer und
hochverschuldet, weil sie viel zu viele Beschäftigte hätte, die ohne etwas zu tun nur in
den Bahnhöfen herumlungern, bevor sie dann mit 45 Jahren in Pension gingen. Diesen
angeblichen Missständen soll abgeholfen werden.
Gestartet wird mit
einem Generalangriff auf das Eisenbahner-Dienstrecht. Dabei ist vorgesehen, den
Kündigungsschutz zu lockern, den Versetzungsschutz abzuschaffen, die Gehälter
einzufrieren sowie die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall von einem Jahr auf sechs
Wochen zu reduzieren. Also ein Angriff auf die "Privilegien", die sich die
Eisenbahner aufgrund ihrer starken Gewerkschaftsorganisation erkämpfen konnten. Diese
Rechte hätten für alle Berufsgruppen erzwungen werden können, wenn die
Gewerkschaftsführung nicht die versöhnliche Sozialpartner-Linie verfolgt hätte.
Aufgrund der gefährlichen Arbeit gerade im Verschub gab es im Jahr 2002 bei der Bahn
2.237 Arbeitsunfälle. Dass Schwerarbeit bei jedem Wetter im Freien längere
Krankenstände als Büroarbeit verursacht, versteht sich von selbst. Außerdem führt
Schwerstarbeit bei der Bahn dazu, dass die Lebenserwartung der EisenbahnerInnen zehn Jahre
unter dem Durchschnitt der österreichischen Bevölkerung liegt.
Es gibt genügend Fakten, die belegen, dass die EisenbahnerInnen keineswegs die
Privilegienritter der Nation sind: ÖBB-Beschäftigte zahlen fünf Prozent mehr
Pensionsbeitrag als ASVG-Versicherte und auch pensionierte EisenbahnerInnen müssen einen
monatlichen "Pensionssicherungsbeitrag" leisten. Bei der Krankenversicherung ist
ein Selbstbehalt von 14 Prozent zu berappen. EisenbahnerInnen erhalten auch keine
Abfertigung.
Zahlenspielerei
Neben den "zu
teuren Beschäftigten" kritisieren Kukacka und Grasser auch die "ungeheuren
Milliardenschulden" der angeblich maroden ÖBB. Diese Schulden, die die ÖBB
angehäuft hätten, ergeben sich aber aus der Art der Verrechnung. Die Regierung, die
eigentlich verpflichtet gewesen wäre, die laufenden Kosten der Infrastruktur zu bezahlen,
ließ die ÖBB dafür Kredite aufnehmen. Auch für den Ausbau von Bahnstrecken ließ die
Regierung die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (SchIG) Schulden machen, um
somit - zur Erreichung der Maastricht-Kriterien - nicht das Budgetdefizit des Bundes in
die Höhe zu treiben.
Ähnlich verhält es sich mit den jährlichen Zuschüssen des Bundes an die ÖBB in der
Höhe von 4,4 Millionen Euro, die nun radikal reduziert werden sollen. Diese Summe, mit
der die Regierungsmitglieder immer wieder argumentieren, besteht aus den Pensionszahlungen
an pensionierte EisenbahnerInnen, Zuschüssen zu den Schülerfreifahrten oder fließt in
den Ausbau von Bahnstrecken und der Infrastruktur.
Teure Bahn? Wenn man die Kosten für die Eisenbahn aber mit denen für den Autoverkehr
vergleicht, ergibt sich ein etwas anderes Bild: Für die Schieneninfrastruktur werden 123
Euro pro ÖsterreicherIn pro Jahr ausgegeben, für die Straßeninfrastruktur jedoch 520
Euro!
Ziel: Totale
Privatisierung
Sparen, sparen,
sparen. So sollen sechs der 17 Verteilzentren für den Güterverkehr geschlossen werden.
Damit wären aber die LKWs, die Güter zu diesen Verteilzentren transportieren, wieder
länger auf der Straße. Werkstätten, die Wartungsbereiche, Reinigung und die EDV sollen
ausgegliedert werden.
Diese Ausgliederungen sind nur der erste Schritt, um in der Folge Schienennetz und
Bahnbetrieb betrieblich zu trennen und damit die Zerschlagung des Unternehmens
vorzubereiten. Für 2005 gibt es den Plan einer Holding, die in die Bereiche Infrastruktur
(Schienen, Bahnhöfe), Personenverkehr und Güterverkehr geteilt werden soll. Diese drei
Bereiche werden als Aktiengesellschaften geführt und sollen sich selbst finanzieren. Ziel
dieser Aufgliederung ist es, den Verkauf profitträchtiger Teile der ÖBB an die
Wirtschaft vorzubereiten. Welcher Bereich imstande sein wird gewinnbringend zu
wirtschaften, ist eine politische Entscheidung. Fest steht bereits: Die Personen- sowie
die GüterverkehrsAG zahlen doppelt so viel Schienenbenützungsentgelt an den
Infrastrukturbereich als bisher verrechnet wurde. Damit ist absehbar, dass die
Ticketpreise für Fahrten mit der Eisenbahn kräftig steigen werden.
Die Bahnhöfe, die der InfrastrukturAG zugeschlagen werden, gelten als besonders
profitabel, zählen doch Bahnhöfe zu den wichtigsten Immobilien in jeder Stadt. Tausende
PendlerInnen, die täglich an Shoppingmalls vorbei geschleust werden, während Securities
Obdachlose von diesen bald nicht mehr öffentlichen Plätzen vertreiben, wie es in
Deutschland und Italien bereits seit Jahren passiert.
Das abschreckendste Beispiel für eine "erfolgreiche Privatisierung" ist
Großbritannien, wo dies zu verheerenden Konsequenzen führte. Schienen und Signalanlagen
wurden an die Firma Railtrack verkauft. Seither werden die Züge von unterschiedlichen
Gesellschaften geführt. Fehlende Investitionen verursachen lange Verspätungen und immer
wieder auch verheerende Zugsunglücke, so wie 1999 in Paddington, wo 40 Menschen starben.
Angriffe auf die
Beschäftigten
Um einzusparen, plant
nun die Regierung bis 2010 die Reduktion um 12.000 Stellen, was bedeutet, dass jeder
vierte Beschäftigte abgebaut werden soll. 7.000 Posten davon sollen nicht nachbesetzt,
5.000 Beschäftigte in Frühpension geschickt und gar zu junge in einer Personalfirma
geparkt werden, um bei Bedarf an die ÖBB oder andere Unternehmen verleast zu werden.
Gibt es so viel entbehrliches Personal? Die Zahlen behaupten anderes. Der Arbeitsdruck ist
in den letzten Jahren enorm gestiegen. Es gibt zwei Millionen Resturlaubstage, die nicht
konsumiert werden konnten, und pro Jahr fallen 6,3 Millionen neue Überstunden an. Davon
betroffen sind vor allem Lokführer, Fahrdienstleiter, Verschieber und Zugbegleiter. Das
sind ein Drittel der Beschäftigten.
Der Regierung geht es aber nicht nur um Einsparungen, sondern vor allem darum, ein
zentrales Vorhaben durchzusetzen: die Schwächung der Gewerkschaften. In der ÖBB sind de
facto alle Beschäftigten in der Gewerkschaft organisiert. Ein absoluter Großteil davon
ist Teil der "Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen" (FSG). Nach den
Wahlerfolgen und dem Sieg in der Pensionsdebatte haben die Bürgerlichen nun also
offensichtlich genug Selbstvertrauen getankt um Angriff auf die Bastionen der (roten)
Gewerkschaften zu nehmen. Dieser Herbst soll dazu verwendet werden, neben der
Privatisierung der Gewerkschaftshochburg VOEST auch die gewerkschaftlichen Rechte in einem
der letzten großen durchorganisierten Betriebe Österreichs massiv zu beschneiden: dem
roten Koloss ÖBB.
Gewerkschaft im
Schussfeld
Die geplanten
Einschnitte in das Dienstrecht bringen nicht nur soziale Verschlechterungen für die
einzelnen ÖBB-Beschäftigten, sondern sollen auch die Mitwirkungsrechte der Gewerkschaft
bei Kündigungen, Dienst- und Stellenplänen abschaffen.
Das Verkehrsministerium hat sich eine Studie erstellen lassen, die vorschlägt, die ÖBB
schlussendlich in 271 Einzelbetriebe aufzusplitten. Angenehmer Nebeneffekt: Damit kann man
die Zahl der Personalvertreter um ein Drittel reduzieren! So könnten laut Kukacka
jährlich 10,4 Millionen Euro eingespart werden.
Die Beschäftigten sind bereit, sich gegen diese Vorhaben zu wehren, was sich bei der
Konferenz der PersonalvertreterInnen Ende August deutlich gezeigt hat. GdE-Chef Haberzettl
hat bisher jedoch lediglich angekündigt, dass keine Überstunden mehr geleistet werden
sollen, womit der Betrieb in vielen Bereichen zusammenbrechen werde.
Kampfmaßnahmen sind erforderlich. Aber was bedeutet diese Strategie konkret? Mit einem
Überstundenboykott wird die Verantwortung für die Durchführung der Kampfmaßnahmen
individualisiert. Jeder einzelne ÖBB-Beschäftigte muss sich in seiner Dienststelle
entscheiden, wie weit er/sie im Boykott gehen will und kann, wobei viele auf das
Überstundeneinkommen finanziell angewiesen sind.
Vielmehr muss es jetzt darum gehen, mit effektiven Kampfmaßnahmen zu beginnen - und den
EisenbahnerInnen in ihrem Protest einen möglichst langen Atem zu verschaffen.
Stundenweise Streiks in einzelnen Bereichen wären der erste Schritt in die richtige
Richtung, den Protest auszuweiten die erfolgsversprechendste Strategie. Die Eisenbahn muss
in staatlicher Hand bleiben, um Verschlechterungen für die Beschäftigten sowie die
BahnbenützerInnen zu verhindern. Wenn wir zulassen, dass die Regierung das Dienstrecht
der ÖBB-Beschäftigten ohne Gegenwehr restlos umkrempelt, ist die Bahn frei für massive
Angriffe auf alle österreichischen ArbeitnehmerInnen - da fährt die Eisenbahn drüber.
Karin Jaschke, Wien
aus: Funke Nr.52 (Oktober-Ausgabe)
Weitere Infos: www.derfunke.at