Die Massenstreiks des
vergangenen Jahres markierten für Österreich einen radikalen Bruch
mit über 50 Jahren "Sozialpartnerschaft", in denen Konflikte
weitgehend ohne Arbeitskampf abgemildert werden konnten. In den
letzten Wochen hat sich mit dem Abwehrkampf gegen die
Teilprivatisierung der landesweiten Postbus-AG eine neue Front
entwickelt. Ende Mai war es durch massenhaften Protest und Einzug in
den Sitzungsraum kurz vor Beginn der geplanten Aufsichtsratssitzung
gelungen, die anstehende Beschlußfassung über eine
Postbus-Teilprivatisierung zu verhindern. Ende Juni kamen die
meisten der knapp 3000 Busfahrer, Werkstatt- und
Verwaltungsangestellten in ganz Österreich zu regionalen
"Betriebsversammlungen mit betriebsstörendem Charakter" zusammen.
Wie die Gewerkschafterin Elisabeth Mandl, eine Unterstützerin des
österreichischen Funken, auf Anfrage erklärte, war dabei die
Anwesenheit von Vertretern anderer Branchen und solidarischer
Öffentlichkeit ausdrücklich erwünscht.
Postbusse sind für
Österreich neben der Eisenbahn so etwas wie das Rückgrat eines
flächendeckenden, gerade auch den sozial schwachen Menschen
verpflichteten öffentlichen Personenverkehrsnetzes. Bisher befindet
sich die Postbus AG im Eigentum der bisher staatlichen Bundesbahnen
ÖBB. Wenn jetzt österreichische und internationale Kapitalbesitzer
die Hand nach den Postbussen ausstrecken und sich die lukrativen
Bereiche und Filetstücke unter den Nagel reißen wollen, dann bleiben
nicht nur die Interessen der bisher zu relativ erträglichen
Bedingungen Beschäftigten auf der Strecke. So sprach auf der
Postbus-Betriebsversammlung in Linz an der Donau der
Metall-Gewerkschafter Karl Schaller aus der örtlichen Stahlindustrie
(VOEST) und betonte, daß private Busfirmen sehr unzuverlässige
Partner im Pendlerverkehr seien und niemals an die Postbus-Qualität
herankämen. Viele Pendler aus dem ländlichen Mühlviertel
befürchteten, im Falle einer Postbus-Privatisierung nicht mehr zur
Arbeit zu kommen, so Schaller.
Kürzlich hatte
Verkehrs-Staatssekretär Kukacka von der Bundesregierung in den
Oberösterreichischen Nachrichten angekündigt, daß die Regierung im
Zuge einer "Reform" des Personennahverkehrs auch im Bereich der
Schülerfreifahrten ein Sparpotential in Höhe von 200 Mio. Euro sehe.
Dieses Ansinnen ließ auch österreichische Schüler aufhorchen und
aktiv werden. "Versperrt uns nicht den Schulweg", lautete das Motto
einer Informationsveranstaltung in Wien, mit der Schüler in
phantasievollen Aktionen auf drohende Verteuerungen der Tickets
hinwiesen und zur Solidarität mit den Postbus-Beschäftigten
aufriefen. Wo immer Vertreter örtlicher Schülerkomitees in den
Betriebsversammlungen erschienen waren, wurden auch sie herzlich
begrüßt und wurde ihre Anwesenheit und ihre Grußworte mit starkem
Applaus bedacht. Schülerkomitees und örtliche Gliederungen der
Sozialistischen Jugend (SJÖ), in denen Unterstützer des
österreichischen Funken vertreten sind, arbeiten jetzt auf eine
stärkere Verzahnung des Abwehrkampfes gegen die Privatisierung im
Bildungsbereich und im Verkehrswesen hin.
Der sich
radikalisierenden Stimmung müssen auch die hauptamtlichen
Gewerkschaftssekretäre Rechnung tragen. Auf der Linzer
Betriebsversammlung erklärte der ÖGB-Sekretär Erich Gumplmayr, daß
es sich bei den Privatisierungsplänen der konservativ-freiheitlichen
Regierung und des Postbus-Managements nicht um Dummheiten handele,
sondern um eine durchdachte Strategie zur Bereicherung einiger
weniger Superreichen und zur Zerschlagung der Gewerkschaften.
Gumplmayr betonte in diesem Zusammenhang, daß die 100 reichsten
Österreicher unisono Arbeitszeitverlängerung und -flexibilisierung
verlangten und daß es jetzt an den Arbeitervertretern liege, das
verschleiernde Vokabular der Herrschenden zu entlarven und ihre
wirkliche Strategie zu begreifen.
In dem Städtchen
Kufstein am Inn (Tirol) schlug zur gleichen Stunde der christliche
Gewerkschafter Erwin Zingerl vor den versammelten Busfahrern und
Eisenbahnern ungewohnt radikale Töne an. "Jetzt schreiben wir
schwarze Zahlen und man will uns lukrativ verscherbeln. Das ist
Sklavenhandel und erinnert an Zeiten, die wir glaubten längst
überwunden zu haben, und an das was in England passiert ist." Auf
die Frage anwesender Pressevertreter, wie Kampfmaßnahmen aussehen
würden, antwortete er: "Wir werden alles gegen die Regierungspläne
unternehmen. Alles schließt auch einen Generalstreik im Herbst mit
ein!"
Ähnlich äußerte sich
in Linz auch der Postbus-Betriebsrat und Gewerkschafter Franz Poimer:
"Wenn es im Herbst hart auf hart geht, müssen die
Solidaritätsaktionen von Telekom, VOEST und ÖBB bis zum
Solidaritätsstreik reichen, um wirklich Früchte zu tragen." Poimer
erinnerte daran, daß die Postbus-Beschäftigten schon beim Streik der
Eisenbahner gegen die drohende Privatisierung im vergangenen
November einen Solidaritätsstreik durchgeführt haben.
In der Hauptstadt
Wien waren am Standort Erdberg über 250 Beschäftigte und externe
Sympathisanten zur Versammlung erschienen.
Postbus-Zentralbetriebsrat (Gesamtbetriebsratsvorsitzender) Robert
Wurm, der als treibende Kraft des Widerstands gilt, betonte noch
einmal die Notwendigkeit einer breiten Abwehrfront gegen die
permanente Umverteilung im Lande. Diese Politik werde aber nicht nur
vor der Bundesregierung betrieben, sondern auch von der örtlichen
Wiener Landesregierung.
Bei dieser
Versammlung in Wien fehlte allerdings der zunächst angekündigte
ÖGB-Vorsitzende Friedrich Verzetnitsch. Stattdessen tagte
gleichzeitig der ÖGB-Bundesvorstand und appellierte in einer
Resolution an die Bundesregierung, "von der Verwirklichung ihrer
neoliberalen Pläne Abstand zu nehmen", denn es gehe um die
verkehrsmäßige Anbindung ganzer Regionen und die Erhaltung von
Arbeitsplätzen.
Solche Töne kommen
linken Gewerkschaftern nur allzu bekannt vor: "Was Appelle dieser
Art wert sind, hat die Arbeiterbewegung in Österreich bereits zu
spüren bekommen: Gar nichts", erklärte Elisabeth Mandl von der
linken Gewerkschafterinitiative FSG Zorn (www.fsg-zorn.at): "Die
Formulierung dieses Textes bedeutet eine komplette Aufweichung der
Position des Betriebsrates, der für den Erhalt des Unternehmens
kämpft."
Auch Johann Gradwohl,
Postbus-Betriebsratsobmann, erhofft sich von solchen Appellen und
Gesprächen mit der Regierung keinen Fortschritt: "Verkehrsminister
Gorbach weicht keinen Millimeter von seiner Linie ab. Die Medien
sollen das Bild vermitteln, der Minister suche das Gespräch mit uns.
Alles falsch! Drei Briefe blieben unbeantwortet. Erst als wir die
Betriebsrätekonferenzen abgehalten haben und Betriebsversammlungen
und Streik in den Raum gestellt haben, läßt uns der Herr Gorbach
über die Medien ausrichten, er hätte so gerne Gespräche mit uns."
Hans-Gerd
Öfinger
Weitere Infos auf:
www.fsg-zorn.at
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