DB Cargo geht in
Railion über:
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Bahnreisende, die mit wachen Augen durchs Land fahren, werden demnächst auf den Güterverkehrsloks der DB die Aufschrift DB Cargo vermissen. Zum Stichtag 1. September 2003 ist die Bahn-Tochter DB Cargo in die Railion Deutschland AG übergegangen. Dies ist nur Teil eines größeren Umstrukturierungsprozesses, mit dem die DB-Cargo Manager hoffen, als Global Player im Logistikgeschäft europaweit und weltweit mitmischen zu können. Vor einem Jahr kaufte die DB Cargo den Logistik-Konzern Stinnes einschließlich Tochterunternehmen Schenker für schätzungsweise 2,5 Milliarden Euro auf. DB Cargo-Chef Bernd Malmström ist nun auch gleichzeitig Stinnes-Vorstandschef. Mit dieser
Übernahme bezeichnet sich die DB Cargo nunmehr als den europaweit größten
Gütertransporteur auf Schienen. Railion wird eine von vier Säulen im Stinnes-Verbund und
gehört zu 92% der (noch bundeseigenen) Deutschen Bahn
AG, während die restlichen Anteile auf die dänischen und niederländischen
Güterbahnen entfallen. Malmström möchte
mit seinem Konzern nicht nur in Europa Fuß fassen. Er hat ein Auge auf die kanadische
Firma TDS geworfen, die vor allem in den USA als Zubringer für die Automobilindustrie
tätig ist. Sollte dieser Coup gelingen, so würde die künftige Railion zum einem Top
Player der Auto-Logistik, wie uns ein DB Cargo-Sprecher auf Anfrage mitteilte. Mit der
Privatisierung der Bahn rückte die DB schon in den 90er Jahren vom weitgehend
flächendeckenden Güterverkehrsangebot ab und konzentrierte sich auf das Geschäft mit
wenigen Großkunden (wie Autoindustrie, chemische Industrie etc.). Ganze Industriebetriebe
und Regionen wurden abgehängt und zum Umsteigen auf die Straße genötigt. Gleichzeitig
tauchen wie schon in der Kaiserzeit in den Regionen immer mehr kleine
private oder landeseigene Güter- und Personenbahnen auf, deren Beschäftigte in der Regel
schlechtere Arbeitsbedingungen haben als die Kollegen bei der DB. Unter dem Diktat
der Autokonzerne ist der Verkehrsträger Bahn nach wie vor benachteiligt. Der Anteil der
Schiene am gesamten Güterverkehr war in den letzten Jahren weiter rückläufig und betrug
2002 nur noch 15,4 Prozent. Nur in Deutschland muss die Eisenbahn denselben
Mineralölsteuersatz wie der LKW bezahlen, während in anderen EU-Ländern die Bahnen nur
einen Bruchteil oder gar keine Mineralölsteuer entrichten. Zudem bleibt der
Straßengüterverkehr ein hoch subventionierter Bereich, weil die von ihm verursachten hohen externen Kosten - Luftverschmutzung,
Klima, Lärm und Unfälle - nicht angemessen dem Verursacher aufgebührdet werden. Für
verkehrspolitische Ziele, die eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die
Schiene anstreben, ist der Logistik-Manager Malmström allerdings nicht zu haben. So
scheint er das Ziel der Bundesregierung, den Schienengüterverkehr bis 2015 zu verdoppeln,
für sehr anspruchsvoll zu halten. Für ihn rangiert die Rendite vor dem Umsatz,
wie er kürzlich in einem Pressegespräch bekannte. Aus der Sicht der
Beschäftigten und Kleinkunden von DB Cargo sieht die Bilanz der Privatisierung
ernüchternd aus: o
Der Kleingutbereich
wurde eingestellt. Heute stehen bei den Bahntrans-Terminals nur noch LKW´s. o
Die Schließung von
über 1000 Güterverkehrsstellen. o
Die Reduzierung von
Zugbildungsanlagen von 80 auf 44. o
Eine Verringerung
der Rangierloks von 950 auf 615. o
Und eine
Reduzierung der Infrastruktur um durchschnittlich 35 %. Wir lernten
kaufmännische Verantwortung, hörten was von Controlling im allgemeinen und von
Personalcontrolling im besonderen, betrieben permanente Optimierungsprozesse und
studierten SAP/R3. Wir gründeten ein
Kunden-Service-Zentrum und machten Kick-Off-Veranstaltungen, Workshops und Teambildungen.
Normten uns nach ISO 9000 und nannten uns AG. Gründeten Railion und Raillog. Und weil damit die
halbe Bahn beschäftigt war, hatten wir für so ganz alltägliche und banale Dinge wie
Züge fahren kaum noch Zeit, so der DB Cargo-Betriebsrat Alfred Lange. Einen Vorgeschmack
auf den zunehmend liberalisierten europäischen Verkehrsmarkt bieten schon heute kleine
Industriebahnen, bei denen polnische oder rumänische Lokführer für 4 oder 5 Euro die
Stunde fahren und kostengünstig auf dem Führerstand der Lok wohnen und
schlafen. Obwohl durch gewerkschaftlichen Druck ein Führerschein für Lokführer
durchgesetzt wurde, wird der zunehmende Dumping-Wettbewerb auf Schienen in der Praxis
unweigerlich die bisher strengen Sicherheitsstandards und das in Gefahrensituationen
unverzichtbare hohe Ausbildungsniveau von Lokführern untergraben. Was uns auch auf
Schienen droht, sehen wir, wenn wir die Mängelliste in der Zeitung nachlesen, die eine
Sicherheitskontrolle von LKWs auf einer Autobahn ergeben. Während
Privatisierung immer damit begründet wird, man wolle mit Wettbewerb starre
Strukturen und Monopole aufbrechen, zeigt ein Blick über den Atlantik, wohin ein
Wetbewerb auf Schienen führt: zu neuen Monopolen. In den USA, wo unter dem Druck der
Straßenverkehrslobby der Schienen-Personenverkehr seit einem halben Jahrhundert ein
kümmerliches Dasein führt, gab es lange Zeit eine Vielzahl privater
Güterverkehrsbahnen. Aufgrund der Größe des Kontinents wird der Transport vor allem von
Massengütern vielfach über die Schiene abgewickelt. Der Anteil der Schiene am gesamten
Güterverkehr liegt bei immerhin 38% und damit deutlich über den europäischen Werten.
Gleichzeitig hat sich in den letzten 30 Jahren der Konzentrationsprozeß rapide
beschleunigt. Systematisch kauften Bahngesellschaften andere Schienenverkehrsunternehmen
auf, um die Konkurrenz zu vernichten. So sind von 130 großen Bahnen durch
Unternehmenskonzentration nur noch 7 übrig geblieben. Die vier größten Gesellschaften
Union Pacific, Burlington Northern Santa Fe, Norfolk Southern und CSX bilden
regionale Monopole und haben einen Jahresumsatz von jeweils über 12 Milliarden Dollar. Wie fatal
Einsparungen sein können, zeigt eine Katastophe mit einem US-Güterzug. Weil der
Lokführer (anders als bei der DB bisher vorgeschrieben) keine Streckenkenntnis hatte und
zu schnell fuhr, bekam er den über einen Kilometer langen Zug mit seiner ungeheuren Masse
auf abschüssiger Strecke nicht mehr in den Griff. Bei der Entgleisung wurden Wohnhäuser
zerstört und Menschen getötet. Hans-Gerd Öfinger, Juli 2003 |