Aktionen gegen Rentenklau -
Mit Elan begonnen - durch faulen Kompromiß unterlaufen!

Kritik von der Basis


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Zehntausende haben zwischen Oktober und Mitte Dezember 2000 in betrieblichen Protestversammlungen und öffentlichen Kundgebungen deutlich gemacht, daß sie Walter Riesters Rentenpläne ablehnen. Gleichzeitig setzten Bundesregierung, Großkonzerne, Banken und Versicherungswirtschaft wie auch weite Teile der Medien alles daran, den Rentenklau zu verschleiern oder als „unabwendbar" und „einzige Alternative" darzustellen. Und ebenso hatten die Spitzen von DGB, ÖTV und IG BCE frühzeitig Riester grünes Licht signalisiert und machte die IG Metall-Spitze nur halbherzig gegen die Riester-Pläne mobil und hatten viele andere im Gewerkschaftsapparat resigniert

Diese Proteste mußten mühsam aufgebaut werden. Es waren vor allem ehrenamtliche und kämpferische Basis-Gewerkschafter, Betriebsräte, kritische Kolleginnen und Kollegen, die - überwiegend ohne aktive Unterstützung der zentralen Apparate - damit begonnen hatten, die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb aufzuklären und sich - wo nötig - außerhalb der offiziellen Gewerkschaftsstrukturen zu vernetzen und auszutauschen. So wurden erste Erfahrungen mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen etwa in Metallbetrieben im Raum Stuttgart bundesweit bekannt und regten zum Nachahmen an - zu vielfältigen Protestaktionen landauf landab.

Als die Protestwelle im Dezember einen ersten sichtbaren Höhepunkt erreichte und das Potential zur Ausweitung dieser Bewegung spürbar wurde, zogen die Regisseure der Regierung die Notbremse - und holten die Gewerkschaftsführer mit ins Boot. Diese gaben sich mit kleinen Häppchen zufrieden - und schluckten die andere Brocken wortlos runter.

Immerhin: Riester mußte seinen „Ausgleichsfaktor" zurücknehmen, der für Millionen Altersarmut gebracht hätte. Aber das Ergebnis kommt nur einer Milderung des Absturzes gleich. Bezahlt wird das Ganze durch eine Umschichtung zwischen den Generationen: nun werden auch den „Altrentnern" Opfer aufgebürdet.

Die hastig eingefädelte vorweihnachtliche „Verständigung" zwischen den Vorsitzenden der großen Einzelgewerkschaften und der Bundesregierung war für die Basis-Aktivisten alles andere als eine schöne Weihnachtsbescherung. Sie widerspricht den Beschlüssen der Gewerkschaftstage und vor allem den Interessen der Basis. Sie gibt grünes Licht für den Einstieg in die Privatisierung der Rentenversicherung und den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung. Gewinner sind einzig und allein die Unternehmer und vor allem die Banken und Versicherungskonzerne, die sich jetzt eine goldene Nase verdienen und bald mit jährlichen staatlichen Subventionen von rund 20 Milliarden DM rechnen können.

Bis Mitte Dezember hatte eine stattliche Gruppe von SPD-Abgeordneten ihrer Basis in SPD und Gewerkschaften signalisiert, daß sie mit dem Riester-Modell auch nicht einverstanden seien. Manche hatten sogar mit einem offenen „Nein" in der entscheidenden Bundestagsabstimmung gedroht. Doch nach dem Unfallen der Gewerkschaftsführer verließ auch sie der (Bekenner-)Mut. Lediglich der Abgeordnete Detlev von Larcher übte - so entnahmen wir zumindest seinen Internetseiten - auch nach dem Hannoveraner Kungeltreff vom 17. Dezember noch öffentlich fundierte und richtige Kritik an der ganzen Linie - und nicht nur an einigen Details - dieser „Reform".

Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da ein Ende des Wirtschaftsaufschwungs, eine neue kapitalistische Überproduktionskrise und jähe Börsencrashs wieder auf der Tagesordnung stehen, setzen Riester und „Rot-Grün" auf die „kapitalgedeckte" Rente. Dabei hat die kapitalistische Realität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - durch Inflation 1923 und Währungsreform 1948 - bereits zweimal in Deutschland für Millionen den Lebenstraum von der „kapitalgedeckten Alterssicherung" zerstört. Ginge es nicht um drohende Altersarmut für Millionen - so würde sich das Ganze wie ein schlechter Witz darstellen.

Trotz alledem - der Widerstand war nicht umsonst. Es ist - wenigstens im Ansatz - deutlich geworden, daß eine Protestbewegung auch gegen eine unheilige Allianz aus Gewerkschaftsspitze, Bundesregierung und Unternehmerlager von unten her aufgebaut werden kann, wenn klassenkämpferische Aktive am Werk sind und mit Fakten, Zahlen und Argumenten Aufklärungsarbeit leisten. Der Ansatz war richtig, die kritischen Kolleginnen und Kollegen waren aber noch zu schwach organisiert, um den Durchbruch oder gar französische Verhältnisse herbeiführen zu können. Dies zeigt: der Aufbau einer bundesweiten innergewerkschaftlichen Basisopposition - wie etwa der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken - hat erst begonnen. Nicht artiges Nachgeben gegenüber Regierung, sondern nur Druck von unten kann die Gewerkschaften aus ihrer Krise herausführen.

Hans-Gerd Öfinger


Nachfolgend drei Stimmen aus gewerkschaftlichen Basis-Gliederungen:

ÖTV-Kreisverwaltung Minden

Die Ziele der Bundesregierung, die Alterssicherung umzubauen, sind nicht verändert worden, bemängelt ein einstimmiger Beschluss der Kreisdelegiertenversammlung der ÖTV Minden-Lübbecke (NRW) vom 13.01.01.

Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung wird gedeckelt. Die Folge ist ein sinkendes Rentenniveau.
In den Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge soll eingestiegen werden. Ein solches System hat in der Vergangenheit schon mehrfach versagt. Mit Kapitalfonds wird die Stabilität unserer Rente den Wirrnissen der Finanzmärkte ausgeliefert. Das gilt auch wenn diese Systeme als betriebliche Altersvorsorge angelegt sind.
Von der betrieblichen Altersvorsorge sind große Teile der Beschäftigen und vor allem die Arbeitslosen ausgeschlossen. Ihre Einführung und Erweiterung wird außerdem zur weiteren Senkung des durchschnittlichen Nettoeinkommens und damit zur Senkung des Niveaus der gesetzlichen Rente führen. Zudem gibt es zum System der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst außer vagen Zusagen keine verbindlichen Festlegungen.
Wir befürchten, daß die Zustimmung zum Rentenkompromiß einem Dammbruch gleichkommt. Wenn ein derartiger Einschnitt mit so wenig ernsthaftem Willen zur Gegenwehr beantwortet wird, weckt das weitere Begehrlichkeiten nach weiteren Privatisierungen von sozialen Leistungen und Risiken.
Ver.di wird nur dann eine Zukunft haben, wenn Sozialabbau und Umverteilung ernsthaft aufgehalten werden.

DGB Weinheim

„Auch der ... „Konsens" zur „Rentenreform" wird für die große Mehrheit der Bevölkerung gravierende Nachteile zur Folge haben", meinen die Vorsitzenden des DGB-Ortskartells Weinheim, Bernhard Feuling und Matthias Hördt.

Hintergrund der gesamten Rentendemontage sei es, den Anbietern von privaten Investmentgesellschaften Geld ins Haus zu tragen. 80 Milliarden Mark werden so jährlich zusätzlich auf den Kapitalmarkt fließen. Dies werde sich unter anderem auch auf die Arbeitswelt auswirken. Denn je mehr Geld Rendite erwirtschaften soll, umso stärker werde die Abhängigkeit von Spekulanten und der Produktivitätsdruck auf die Unternehmen. Und der schlage sich immer in weiterer Leistungsverdichtung für die einen und Entlassungen für die anderen nieder, so Matthias Hördt.
Zudem zeige sich gerade im Augenblick wieder, auf welch wackeligen Füßen sich Geldanlagen befinden, die das Schwungrad von Spekulation und Börsenabhängigkeit immer weiter antreiben. Anscheinend haben die Verantwortlichen aus den Finanzkrisen der letzten Jahre und auch aus dem aktuellen Kurseinbruch bei der „New Economy" nichts gelernt. „Augen auf und durch" heiße hier die Devise, wobei nicht an die negativen Folgen für die Gesellschaft gedacht werde.
Mit der Privatisierung der Rente werde die Gesellschaft sich weiter entsolidarisieren. „Die Folgen davon sind mehr Brutalität im Alltag, welche gerade wieder die Schwächsten ausbaden müssen", meint Bernhard Feuling. „Es hat wenig Wert in Sonntagsreden für mehr Gerechtigkeit und Miteinander zu werben, während die Tagespolitik genau das Gegenteil fördere".

IG Medien Bezirk Wiesbaden

Ein einstimmiger Beschluss vom 10.01.01. kritisiert Schwachpunkte:
Alternative Modelle einer gesetzlichern Rentenversicherung, in die alle Mitglieder der Gesellschaft einbezogen werden und die allen Menschen einen Mindestanspruch an Altersvorsorge garantieren, werden völllig ignoriert. Altersarmut bleibt weiterhin vorprogrammiert, von einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen und einer garantierten Rente im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit für alle über dem Sozialhilfeniveau ist keine Rede. Die paritätische Finanzierung wird durch die schrittwiese Privatisierung der Altersvorsorge weiter ausgehöhlt, und die vorgesehenen Subventionen für die Privatrente in Höhe von 20 Milliarden jährlich sind ein Kniefall vor dem Finanzkapital.
Wir fordern den GHV der IG Medien auf, seine kritische und gut begründete Ablehnung dieser „Reform" weiter fortzusetzen und einen entsprechenden Initiativantrag auf dem ver.di-Gründungskongreß im März 2001einzubringen. Die handfesten Interessen unserer Mitglieder müssen auch in ver.di vertreten werden, denn sie entsprechen denen aller Beschäftigten und Gewerkschaften.

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