Gedanken eines Kollegen zum Übergang in den Ruhestand

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Drei Jahrzehnte arbeitete ich bereits bei dem großen bundesweit vorhandenen Unternehmen.

Meine Arbeit machte ich gerne; mit ihr war ich innerlich verbunden. Nicht nur war ich hier als Ingenieur gefordert; die durchzuführenden Projekte waren interessant und eigentlich auch sinnvoll, da sie Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sind. Gleichwohl war die Tätigkeit auch manchmal belastend, wenn der Zeitdruck allzu groß war.

Am Beginn des vierten Jahrzehntes meiner  Betriebszugehörigkeit wurde das Unternehmen aus finanzpolitischen Gründen tiefgreifend umgewandelt und in mehrere Aktiengesellschaften überführt. Mit den neuen Strukturen begann aber das stabile Fundament, auf dem bisher die Arbeitsbedingungen und –abläufe gründeten, zu zerbrechen. Auch bewährte Verfahren und Strukturen wurden von der neuen Unternehmensführung verändert oder gänzlich abgeschafft und die Zahl der Mitarbeiter laufend reduziert. Neue Organisationstrukturen sollten vieles effizienter machen. Es musste jedoch immerzu nachgebessert und reformiert werden, weil sich die Erwartungen nicht erfüllten. Kritik wünschte die neue Führung nicht; diesbezügliche sinnvolle Vorschläge aus der Belegschaft wurden kaum realisiert.

Nachlassende Identifikation mit dem Unternehmen

Dies alles verunsicherte viele Mitarbeiter; die Unzufriedenheit nahm zu. Meine Aufgaben bearbeitete ich nach wie vor ernsthaft und verantwortungsbewusst. Jedoch wurden  die Umstände, unter denen wir zu arbeiten hatten, schwieriger. Die Unternehmensplanung erschien immer öfters unverständlich, nicht durchdacht und voller  Widersprüche. Die Identifikation mit dem Unternehmen begann  zu schwinden. Viele Kollegen wählten den vorzeitigen  Ruhestand.

Mit dem sechzigsten Lebensjahr ging ich in Altersteilzeit, und zwar zweieinhalb Tage wöchentlich. Ich erhoffte mir so einen langsamen Übergang in die Zeit nach der Arbeit. Das erwies sich aber insofern als ein Irrtum, da nun vieles in einer kürzeren Zeit erledigt werden musste. Deshalb blieb ich oft länger im Büro oder nahm Arbeit mit nach Hause. Andererseits tat mir  aber längeres Ausschlafen an den arbeitsfreien Tagen gut.

Loslassen 

Nun kam es zum Bruch: Ohne Not mussten wir aus dem konzerneigenen Geschäftsgebäude in angemietete Bürogebäude an verschiedenen Stellen der Stadt umziehen. Die Arbeitswege sind jetzt für viele eine halbe Stunde täglich länger; die Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen ist beschwerlicher. Während einer mehrwöchigen Krankheit gewann ich Abstand von  alledem. Ich legte den Hebel um!  Das Loslassen war schmerzhaft: Gefühle von Wut und Trauer begleiteten den Ablösungsprozess. Nun war ich so weit, meine Projekte auch unerledigt zurücklassen zu können. Zwar bin ich nochmals rückfällig geworden, indem ich noch einige Aufgaben abschließen möchte (denn wir haben seit der Unternehmensreform zu wenig Ingenieure im Unternehmen).

Das Ablösen von fast 40 Jahren Berufsarbeit wird mir  erleichtert, weil ich nicht in ein Loch falle. Zu Hause gibt es vieles zu tun. Außerdem arbeite ich schon lange in verschiedenen Initiativen mit. Sehr wichtig ist, dass man sich mit der eigenen Frau bzw. den Angehörigen frühzeitig über die Zeit nach der Berufsarbeit abspricht. Verschweigen möchte ich nicht, dass ich mir den Abschied aus dem Arbeitsleben etwas angenehmer vorgestellt habe. Ich weiß aber: so wie mir geht es vielen anderen auch, in einer Zeit, in welcher der Mensch sich zunehmend mehr dem Diktat der Wirtschaft zu fügen hat ( man nennt es Sachzwänge, was aber letztendlich ein Mythos ist ), wobei die Mitarbeiter zunehmend als Kostenfaktor bilanziert werden.

Das sind sicher auch die Folgen der globalen Veränderung von der Arbeitsgesellschaft in in  eine Konsumgesellschaft, wo dem Materiellen und dem wirtschaftlichen Erfolg immer ein noch höherer Stellenwert zugewiesen wird.. Was aber nicht heißen soll, sich als Ruheständler nur noch in das Private zurück zu ziehen. Es werden  manche Aufgaben von uns erwartet, die wir so gut oder noch besser lösen können als die Jungen.

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