Die Streikwelle hat begonnen |
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Nach dem Platzen der
Tarifverhandlungen und dem Ablauf der Friedenspflicht in der letzten Nacht tritt die
Tarifauseinandersetzung zwischen den Bahngewerkschaften und der Deutschen Bahn AG nun in
eine entscheidende Phase. Reallohnverluste und erhöhte Arbeitshetze haben bei vielen
Kolleginnen und Kollegen die Unzufriedenheit gesteigert. In den letzten Jahren ist der
Reallohn gesunken und hat die Arbeitshetze zugenommen. Die Gewerkschaften stehen jetzt
unter einem gewaltigen Erwartungsdruck ihrer Basis. In der Nacht zum Montag beginnen nun
die ersten Warnstreiks. Die Tarifgemeinschaft
(TG) der DGB-Gewerkschaft TRANSNET und des Beamtenbund-Ablegers Gewerkschaft Deutscher
Bundesbahnbeamten und Anwärter (GDBA) fordert bei zwölf Monaten Laufzeit eine
Einkommensanhebung um sieben Prozent , mindestens aber 150 Euro monatlich als soziale
Komponente für untere Einkommensgruppen. Diese
Forderung ist mehr als gerechtfertigt und muss ohne Wenn und Aber durchgesetzt werden.
Schon am Dienstag wurden die Gespräche zwischen TG und DB-Management ergebnislos vertagt,
nachdem die Arbeitgeberseite lediglich 2 Prozent Einkommenserhöhung plus 300 Euro
einmalige konjunkturbedingte Sonderzahlung für das 2. Halbjahr 2007 angeboten
hatte. Im Gegenzug hatte DB-Personalchefin Margret Suckale sicher auch beflügelt
durch den jüngsten Telekom-Abschluss dafür noch erhebliche Kompensationen
verlangt: eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich sowie eine Vermengung mit der bereits in der letzten Lohnrunde
für Ende Juni 2007 vereinbarten Anhebung der Entgelte um 1,9 Prozent. Ihr schwebt eine
Laufzeit von 30 Monaten bis Ende 2009 vor. TG-Verhandlungsführer Alex Kirchner und Heinz
Fuhrmann kritisierten dieses Angebot angesichts der Rekordbilanz der Deutschen Bahn AG als
Almosen und Verhöhnung der Beschäftigten. Suckale wiederum bekam
dieser Tage vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Schützenhilfe, das vor
einem hohen Lohnabschluss warnte und den Verlust von Arbeitsplätzen und Marktanteilen an
die Wand malte. Dabei hat sich nach aktuellen Meldungen der Gewinn der DB AG in den ersten
Monaten 2007 gegenüber dem Rekordergebnis von 2006 weiter gesteigert. Einen separaten
Tarif-Weg beschreitet in dieser Tarifrunde die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer
(GDL) im Deutschen Beamtenbund (DBB). Als klassische Berufsgewerkschaft sieht sie sich in
ihrem Kampf um einen separaten Spartentarifvertrag für das Fahrpersonal
(Fahrpersonaltarifvertrag -FPTV) durch den Ärzteverband Marburger Bund oder die
Pilotenvereinigung Cockpit ermutigt. Die GDL fordert u.a. eine kräftige Erhöhung der
Einstiegsgehälter. Während das DB-Management eine Spaltung der Belegschaft durch
einen separaten Tarifvertrag für eine Berufsgruppe nicht hinnehmen möchte und die
GDL bisher abblitzen ließ, hat die GDL-Führung bei ihrer Basis hohe Erwartungen geweckt
und sich somit selbst unter Zugzwang gesetzt, jetzt auch tatsächlich spürbar alle Räder
zum Stillstand zu bringen. An den Verhandlungsrunden mit der TG hatte die GDL nicht
teilgenommen. Während Lokführer
nach GDL-Angaben derzeit rund 1.500 Euro netto im Monat verdienen und dies in keinem
Verhältnis zur verantwortungsvollen Arbeit im Schicht- und Wechseldienst stehe, liegen
die Einkommen anderer Berufsgruppen bei der Bahn noch deutlich darunter. Für viele
Reinigungskräfte, Sicherungsposten an Baustellen und andere, die für aufreibende
Tätigkeiten kaum über 1000 Euro netto verdienen, wäre schon die volle Durchsetzung
eines Sockelbetrags von 150 Euro monatlich ein Fortschritt. Mit ihrem
tarifpolitischen Wortradikalismus und ihren Streikdrohungen kaschieren die Vorstände
aller drei Bahngewerkschaften indes, dass sie bislang eine Privatisierung der Deutschen
Bahn AG in der einen oder anderen Form unterstützen. TRANSNET, GDBA und GDL lobten
letzten November in öffentlichen
Erklärungen die politische Weichenstellung des Koalitionsausschusses zur
Teilprivatisierung der Bahn. Negative Folgen einer Privatisierung werden in ihren Medien
weitgehend ausgeblendet. Die Vorstellung, dass
sich die Bahngewerkschaften in der Tarifrunde gegenseitig bekämpfen und gleichzeitig
nichts gegen die von der Bundesregierung angestrebte Privatisierung der DB unternehmen,
löst an der Basis aller drei Organisationen hingegen zunehmend Unbehagen aus. Eisenbahner
verfolgen aufmerksam, wie die Manager von Post und Telekom seit dem Börsengang mit ihrem
Personal umgehen und unter dem Einfluss privater Investoren den Konzern zersetzen. So
positionierte sich der Betriebsrat der DB-Güterverkehrssparte Railion im Wahlbetrieb
Frankfurt, der Hessen und weite Teile von Rheinland-Pfalz abdeckt, am Dienstag dieser
Woche gegen gegen einen Börsengang der
Deutschen Bahn AG und für den vollständigen Erhalt des Konzerns in öffentlichem
Eigentum unter demokratischer Kontrolle aus. Die in der Sitzung anwesenden Betriebsräte
und Mitglieder von TRANSNET, GDL und GDBA fordern die verantwortlichen Gremien aller
Eisenbahnergewerkschaften auf, im Interesse ihrer Beschäftigten gegen die Privatisierung
zu handeln und an einem Strang zu ziehen, weil diese nur einigen wenigen Großaktionären
Vorteile, den Beschäftigten, der Allgemeinheit und der Umwelt jedoch große Nachteile
bringen würde. Die Gewerkschafter erwarten von ihren Vorständen, dass sie die Basis
über die nachteiligen Folgen der Privatisierung aufklären und alle Möglichkeiten
ausschöpfen, um auf die politischen Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit
entsprechend Einfluss zu nehmen. Hans-Gerd Öfinger |
www.bahnvonunten.de
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