Ein hoher Preis:
DB-„Beschäftigungssicherung“ mit vielen Haken
Happy end für die Eisenbahner?

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Als Durchbruch und Erfolg für die Eisenbahner(innen) haben die drei Bahn-Gewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL den am Dienstagabend vereinbarten Tarifabschluss  mit der Bahn gewertet. Zentrales Element des Vertragswerks ist aus gewerkschaftlicher Sicht die Verlängerung des „Beschäftigungsbündnisses“, das Ende 2004 abgelaufen wäre. Damit sind bis zum 31.12.2010 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Auch DB-Personalchef Detlef Bensel zeigte sich mit dem Abschluss zufrieden. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten“ sei dieser Vertrag, „ein positives Signal für den Standort Deutschland“, erklärte der Ex-DaimlerChrysler-Manager nach dem Abschluss. Ob die jetzt vereinbarte „Angleichung“ der Arbeitskosten der Bahn an die der Konkurrenz auf Schienen allerdings das letzte Opfer vor dem „Happy End“ einleitet, ist fraglich.

Ein hoher Preis

Die Gewerkschaften halten sich zugute, dass sie mit der Vereinbarung über eine allgemeine Senkung der Personalkosten in Höhe von 5,5 Prozent deutlich unter der 10 Prozent-Marke liegen, die ursprünglich vom Konzernvorstand ins Gespräch gebracht worden war. Doch auch 5,5% Personalkostensenkung bedeuten für die Masse der Eisenbahner(innen), die überwiegend ein bescheidenes Einkommen haben, Lohnverzicht bzw. Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Die DB-Mitarbeiter verlieren – im Zuge der Arbeitszeitverlängerung – generell einen Urlaubstag im Jahr. Sie können nun bei ihrer individuellen Arbeitszeit im Rahmen eines jährlichen „Arbeitszeitkorridors“ zwischen 2.088 und 1.827 Stunden (das entspricht dem „Korridor“ zwischen einer 40 Stunde-Woche und einer 35 Stunden-Woche) wählen. Im Klartext bedeutet dies: Wer sein bisheriges Einkommen halten will, der muss auf jeden Fall 40 Stunden in der Woche arbeiten. Wer weiterhin auf einer 38 Stunden-Woche beharrt, der muss eine entsprechende Einkommenskürzung in Kauf nehmen. Die geforderte höhere „Flexibilität“ könnte bald vor allem auf dem Rücken der Eisenbahner im Betriebsdienst umgesetzt werden, die ohnehin durch ständigen Wechseldienst besonderen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind.

Der vereinbarte Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen kann wesentlich mehr Töchtergesellschaften im DB-Konzern erfassen als in den letzten Jahren. Bisher galt diese Regelung für gut 80.000 Arbeitnehmer, künftig können es nach Angaben der Gewerkschaft TRANSNET bis zu 130.000 sein. Ein Haken ist, dass die Beschäftigten mindestens fünf Jahre im DB-Konzern tätig sein müssen. Die Ausbildungszeit wird mit Ausnahme des ersten Jahres übrigens komplett angerechnet. Auch wenn Bahnchef Mehdorn und die Gewerkschaftsvertreter in „politischen Erklärungen“ betonten, dass die Bahn auch den Jüngeren eine Chance bieten wolle und müsse, sehen kritische Gewerkschafter in dieser 5-Jahres-Regelung die Gefahr einer Spaltung der Belegschaft zwischen Jüngeren und Älteren. So stellen sich jetzt jüngere Mitarbeiter die Frage, ob sie im »Unternehmen Zukunft« noch eine Perspektive haben.

„Bei Arbeitsplatzverlust sollte jeder Arbeitsplatz zumutbar sein“, forderte DB-Personalchef Detlef Bensel unlängst in randstadkorrespondent, einem Magazin der Randstad Deutschland GmbH & Co. KG. In der Tat wird schon seit langem die „Zumutbarkeit“ für Eisenbahner, deren Arbeitsplatz wegfällt, sehr großzügig ausgelegt. Viele Betroffene haben nur dann überhaupt noch eine Zukunft im DB-Konzern, wenn sie einen angebotenen Arbeitsplatz annehmen, der durchaus auch über 600 km vom Heimatort entfernt sein kann. Und da die DB sich stolz als weltumspannender „Global Player“ präsentiert, könnte es bald auch „zumutbar“ werden, einen Arbeitsplatz bei einer DB-Tochtergesellschaft im Ausland anzunehmen. In einem Fall sei einem DB-Mitarbeiter bereits ein Arbeitsplatz in einem britischen Reiseverkehrszentrum angeboten worden, berichtete uns ein Eisenbahner auf Anfrage. Wer einen Umzug oder ein Dasein als Wochenendpendler ablehnt, der landet dann schnell bei bahninternen Arbeitsagenturen und kann als Leiharbeiter durchaus auch außerhalb des DB-Konzerns eingesetzt werden

Arbeitsplatzabbau geht auch mit „Beschäftigungsbündnis“ weiter

Unterdessen geht der massive Arbeitsplatzabbau bei der Bahn – insbesondere beim Güterverkehr und Personenfernverkehr – weiter. Kritiker weisen darauf hin, dass auch mit den „Beschäftigungsbündnissen“ der vergangenen Jahre weit über 200.000 Arbeitsplätze im DB-Konzern verschwunden seien, seitdem mit der Verschmelzung von Bundesbahn und Reichsbahn zur Bahn AG die Weichen in Richtung Privatisierung gestellt wurden.
Alles in allem wird der jüngste vorweihnachtliche Tarifabschluss n
icht als das „happy end“ in die Geschichte eingehen, sondern als ein Wendepunkt, als qualitativer Rückschritt und  eine weitere starke Drehung an eine langen Spirale nach unten.

Hans-Gerd Öfinger
Dezember 2004

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