Na endlich: |
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Einen
Monat nach der Veröffentlichung eines Gutachtens über mögliche Wege der Privatisierung
der Deutschen Bahn AG hat Transnet am Freitag, 17 Februar 2006, offiziell
privatisierungskritische Töne angeschlagen und einen Börsengang des bisher zu 100
Prozent bundeseigenen Konzerns in Frage gestellt. Der Gewerkschaftsvorsitzende Norbert
Hansen kritisierte bei einer Pressekonferenz in Berlin eine Privatisierung der
Gewinne und Sozialisierung der Verluste und kündigte an, dass Transnet nach dem
Stand der Dinge nun dazu neigen könnte, das Thema Börsengang ad acta zu
legen.
Anstatt
nur über verschiedene Varianten der Privatisierung zu reden, müsse nun auch über einen Plan B, also einen Plan
Bund diskutiert und somit untersucht werden, ob der Bahnkonzern nicht im
vollständigen Eigentum des Bundes bleiben
sollte, denn niemand schreibt einen Börsengang vor, so der Kollege Hansen.
"Eigentlich haben wir zur Zeit einen Plan-B, also ein Unternehmen in Bundeshand, und
es funktioniert", stellte Norbert Hansen fest. Transnet will in den kommenden Wochen
einen offenen Dialog führen und Anfang März eine Kampagne mit dem Titel "Bestes
Bahnsystem" starten.
Norbert
Hansen kritisierte in der Pressekonferenz die von dem 560 Seiten starken Gutachten der
Beratungsfirma Booz Allen Hamilton ausgehende verstärkte Diskussionen über eine
mögliche Trennung von Netz und Transportgesellschaften und damit über eine Zerschlagung
des Konzerns, wie sie insbesondere von CDU/CSU, FDP und Grünen gefordert wird. Diese
setzen sich für eine vollständige Trennung der Eisenbahninfrastruktur und Immobilien von
den Transportgesellschaften ein, um das (tendenziell defizitäre) Netz beim Bund zu
belassen und die Transportgesellschaften für den Personen- und Güterverkehr zu 100
Prozent zu privatisieren. Demgegenüber, so
Hansen, habe Transnet die Begleitung eines möglichen Börsengangs immer
an klare Forderungen geknüpft". Dazu gehöre der integrierte Konzern,
bei dem der Bund immer Mehrheitsgesellschafter bliebe. Nun müsse geprüft werden,
inwieweit die DB AG vollständig im Eigentum des Bundes verbleiben könne.
Mit
dieser Forderung griff Norbert Hansen die in den letzten Tagen bereits von unserer
Initiative Bahn von unten und von der Expertengruppe Bürgerbahn statt
Börsenbahn geäußerte Kritik an der Tatsache auf, dass in dem neuen Gutachten
jegliche Option einer
Bahn in öffentlichem Eigentum ausgeblendet wurde. Wir brauchen ein neues Gutachten,
das verschiedene Varianten einer demokratisierten Staatsbahn aufzeigt. Dafür sind
Beschäftigte, Gewerkschafter, Fachleute und ausgewiesene Privatisierungskritiker
hinzuzuziehen, fordert ein Bahn von unten-Flugblatt, das in den letzten
Tagen bei gewerkschaftlichen Demonstrationen gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie in
Berlin und Strasbourg verteilt wurde.
Für
den Fall einer Auflösung des Bahnkonzerns, wie von einer Mehrheit der Verkehrspolitiker
gefordert, befürchtet Transnet den Verlust von mindestens 50.000 Arbeitsplätzen im
Bahnkonzern. Denn damit wäre dem bestehenden Beschäftigungssicherungstarifvertrag, der
durch einen konzerninternen Job-Service die Rutsche vieler Eisenbahner in die
Arbeitslosigkeit abbremst, die Grundlage entzogen. Dieses Szenario setzt nun die
Gewerkschaftsspitzen unter Zugzwang. So wiederholte Norbert Hansen, dass er für den Fall
einer Zerschlagung des Konzerns auch Streiks nicht ausschließen könne.
Daß
allerdings auch ein integrierter Börsengang und somit ein von Bahnchef
Hartmut Mehdorn angestrebter Verkauf von maximal 49,9% der Aktien an US-amerikanische
Investoren kein Garant für einen integrierten Bahnkonzern und eine heile Welt
ist, zeigt die Erfahrung der letzten Monate. Denn entgegen bisheriger Lippenbekenntnisse
beschloss der DB-Konzernvorstand 2005 trotz gewerkschaftlicher Proteste den Verkauf
mehrerer profitabler Tochterunternehmen, nämlich der Deutschen Touring GmbH, der
Deutschen Eisenbahnreklame und der Ostsee-Fährgesellschaft Scandlines. Das neue
Privatisierungsgutachten geht davon aus, dass
auch bei einer Teilprivatisierung des integrierten Konzerns der Bund stets im
Interesse aller Aktionäre handeln würde: Der Kapitalmarkt erwartet diese
Zurückhaltung auch im Hinblick auf externe politische Einflussnahme auf unternehmerische
Entscheidungen. Somit würden die Privataktionäre auf weitere
Kostensenkung drängen und verlangen, dass sich der Konzern von dem
kostspieligen Job Service und von den mehreren zehntausend Eisenbahnern
trennt, die noch als Bundesbahner bis Anfang der 90er Jahre den Beamtenstatus erworben
haben.
Privatisierungskritische
Töne aus dem Munde des Transnet-Vorsitzenden wie auf der gestrigen Pressekonferenz waren
in den letzten Jahren sehr selten zu vernehmen. Noch Anfang dieser Woche hatte Norbert
Hansen bei einer Sitzung des Transnet-Hauptvorstands in Fulda laut Transnet-Erklärung
lediglich vor einer Verzögerung von Entscheidungen über DB-Zukunft gewarnt
und eine rasche Beschlußfassung durch die politischen Erntscheidungsträger angemahnt.
Von der Forderung nach einem Verbleib des Bahnkonzerns in Bundesbesitz war Anfang dieser
Woche bei der HV-Sitzung noch keine Rede, wenn man den Verlautbarungen folgt.
Ein
von Unterstützern unserer Initiative Bahn von unten eingebrachter
privatisierungskritischer Antrag war beim letzten Transnet-Gewerkschaftstag Ende 2004 in
Berlin noch mit erdrückender Mehrheit abgeschmettert worden. In der Debatte wurden wir
als Dogmatiker und Nostalgiker kritisiert, die nicht mit der
Zeit gehen und durch eine Ablehnung eines Börsengangs die Einheit des
Bahnkonzerns gefährdeten. Eine ausdrückliche Beschlussfassung pro Börsengang gab
es indes beim Berliner Gewerkschaftstag 2004 auch nicht. Allerdings hatte sich schon der
vorletzte Transnet-Gewerkschaftstag Ende 2000 in Magdeburg für die Erhaltung einer
einheitlichen, flächendeckenden und bundeseigenen Bahn im Interesse der Beschäftigten,
der Umwelt und der Kunden und gegen einen Börsengang und Ausverkauf an
ausländische oder inländische Kapitalgruppen ausgesprochen. Insofern ist Norbert
Hansens gestrige Infragestellung eines Börsengangs eine begrüßenswerte
Wiederannäherung an die bestehende Transnet-Beschlusslage.
Jetzt
müssen den Worten Taten folgen.
Bahn
von unten, 18. Februar 2006
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