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Wenn
der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages am Donnerstag, 1.6.06,
bei der
öffentlichen Anhörung zum Thema "Kapitalprivatisierung
der Deutschen Bahn AG" über 25 Vertreter von
Gewerkschaften, Unternehmen und Verbänden zu Wort kommen
lässt,
dann werden vor allem verschiedene Wege der Privatisierung kontrovers
debattiert werden.
In den letzten Tagen ließen Meldungen aufhorchen, wonach die Bundesregierung die Deutsche Bahn nicht als Ganzes an die Börse bringen, sondern Teile des Unternehmens an Finanzinvestoren verkaufen wolle und potenzielle Käufer in Berlin bereits vorgesprochen hätten. Für ein solches Modell dürften sich bei der morgigen Anhörung vor allem die Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI), des Deutschen Industrie - und Handelskammertages (DIHK) und des Deutscher Speditions- und Logistikverband e.V. (DSLV) stark machen. Auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten haben die Möchtegern-Investoren Bahn-Betriebsteile entdeckt, von denen sie sich ab sofort hohe Renditen und minimales Risiko versprechen. Dazu gehören die Wartung der Fahrzeuge und die Reinigung und Bewachung der Züge und Bahnhöfe ebenso wie die DB-eigene Spedition Schenker. Somit würden schleichend „britische Zustände“ eingeführt werden. Da eine Mehrheit der Verkehrspolitiker in CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen dieser Variante der Privatisierung zuneigt (und nur Die Linke jegliche Privatisierung ablehnt), schlägt die größte Bahngewerkschaft TRANSNET Krach. Sie befürchtet nicht ohne Grund bei einer Zerschlagung der Bahn den Verlust von bis zu 80 000 bestehenden Arbeitsplätzen und massives Sozialdumping und wird sich in einer Demonstration am Donnerstag vor Beginn der Anhörung für den Erhalt des Bahnkonzerns stark machen. Innovation im Eisenbahnverkehr sei nur mit einem passenden integrierten Rad-Schiene-System möglich, gibt der TRANSNET-Vorsitzende Norbert Hansen zu bedenken: Es gäbe heute keinen ICE, wenn das Schienennetz von einem anderen Unternehmen betrieben würde, so der Gewerkschafter. Anfang des Jahres hatte Hansen für den Fall einer drohenden Zerschlagung der Bahn gar mit Streiks während der Fußball-WM gedroht und eine öffentliche Kampagne für einen „Plan B“ („Bahn bleibt beim Bund“) angekündigt. Doch jetzt scheint Schulterschluss mit DB-Chef Hartmut Mehdorn angesagt zu sein. Mehdorn möchte die Deutsche Bahn AG zum weltweit führenden Logistikkonzern ausbauen und durch Börsengang milliardenschwere Aktienpakete des „integrierten“ Konzerns an (überseeische) Investoren verkaufen. TRANSNET-Funktionäre wurden darauf eingeschworen, dies als „kleineres Übel“ zu schlucken. Eine von TRANSNET angekündigte Mahnwache vor der letzten öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am 10. Mai wurde in letzter Minute wieder abgeblasen, weil auch Privatisierungskritiker wie unsere gewerkschaftliche Basisinitiative „Bahn von unten“ und das Bündnis „Bahn für alle“ zur Teilnahme und zum Protest gegen jegliche Privatisierung und Zerschlagung aufgerufen hatten. Wir warnen davor, dass auch bei einem „integrierten“ Börsengang unter dem Renditedruck privater „Heuschrecken“-Investoren der Konzern unweigerlich auseinander gerissen würde. Die Lokführer-Gewerkschaft GDL hat sich unterdessen mit einer Privatisierung und Filetierung der DB abgefunden und tröstet sich damit, dass ihre Mitgliedschaft hauptsächlich aus Lokführern und Zugbegleitern bestehe, die auch in Zukunft gebraucht würden. Ob Hartmut Mehdorn und Norbert Hansen bei der Anhörung die Abgeordneten von den Segnungen einer Börsenbahn überzeugen können, ist fraglich. Insbesondere die SPD-Mitglieder im Verkehrsausschuss wirkten am 10. Mai stark verunsichert. „Eine Entscheidung für Kapitalprivatisierung ist nicht zwingend“, stellte der Leipziger SPD-Parlamentarier Rainer Fornahl fest. „Sehr nachdenklich“ zeigte sich auch SPD-Verkehrs-Sprecher Uwe Beckmeyer, nachdem der ehemalige Bahnmanager Karl-Dieter Bodack Argumente auch gegen einen „integrierten Börsengang“ vorgebracht hatte. „Mit der Jagd nach Rendite bekommen wir weniger Verkehr auf die Schiene“, so Bodack, der eindringlich davor warnte, dass bei einem Verkauf von DB-Aktien Anlagewerte in zweistelliger Milliardenhöhe an Investoren „verschenkt“ würden. Um den Bund finanziell zu entlasten, „brauchen wir die DB nicht zu verkaufen“, so Bodack. Ein Verzicht auf umstrittene bauliche Großprojekte könne bis zu 10 Milliarden Euro Einsparung und somit den gleichen Haushaltseffekt bringen. Ob die SPD-Parlamentarier nun die Kraft aufbringen; um den von Kanzlerin angestoßenen Privatisierungszug zu stoppen und „Plan B“ im Verkehrsausschuss auf die Tagesordnung zu setzen, wird sich bald zeigen. Wir wollen nicht wählen zwischen Pest oder Cholera – zwischen verschiedenen Formen der Privatisierung. Wir brauchen ein neues Gutachten für „Plan B“. Keinerlei Zerschlagung und Privatisierung der Bahn! Für eine moderne und demokratisierte öffentliche Bahn im Interesse der Beschäftigten, der Kunden und der Umwelt! Hans-Gerd Öfinger, 31.5.06 |
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