„Mehr Züge braucht das Land“ - oder
„Was die Politik nicht mag, das rechnet sie sich schlecht“!


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„Heinrich der Säger“ – alias Rolf Becker – hatte seine helle Freude am Widerstandsgeist der Teilnehmer des ersten Verkehrskongresses der Initiative „Bürgerbahn statt Börsenbahn“, der vom 1. bis 2. März 2002 an der Universität Kassel stattfand. Wer bis dahin noch kein Bahn-Fan war, konnte es an diesem Wochenende werden. Die Referenten und Fragesteller, deren Spektrum vom Eisenbahner an der Basis über den Gewerkschaftsfunktionär, den Bahnkunden, den Verkehrsexperten bis hin zum Politiker (MdB Dr. Winfried Wolf) reichte, wiesen mit unwiderlegbaren Argumenten nach, daß die Zukunft der Bahn nicht schwarz sein muß, aber schwarz gerechnet wird. Dieser Irrsinn, der dem Kollegen seinen Arbeitsplatz kostet und dem Bürger umweltverträgliche Mobilität, hat Methode. Dafür steht die Aussage von Bahnchef Mehdorn, daß er nur einen Befehlsgeber habe: Bundesfinanzminister Eichel. Dieser behandelt – in trauter Eintracht mit Mehdorn - die Bahn als das, was sie in ihrer Geschichte wiederholt gewesen ist, als Spekulations- und Abschreibungsobjekt Nummer 1.

Es sind nicht die vielbeschworenen „Zwänge des Marktes“, die die Flächenbahn verhindern, sondern der Geiz und die Kurzsichtigkeit der Kapitaleigner – der Börsianer in spe. Das sog. „Hochgeschwindigkeitskonzept“ hat nur einen Sinn, die Bahn in die roten Zahlen zu fahren. Scheinbar kann der Vorstand nicht rechnen, aber das ist eben nur scheinbar so, denn er rechnet in seine eigene Tasche – die Tasche der Konkurrenz – und in die Tasche der Bundesregierung, die aus den mit ihrer Hilfe künstlich erzeugten Bahnschulden absichtlich ein Argument zur Zurücknahme der Verantwortung des Staates aus der gesamtnationalen Verkehrsplanung macht, in der die Bahn eine tragende Rolle spielt. Denn Eigentümer der Bahn ist der Bund! Aber den interessieren z. B. die Konzepte eines Professor Mohnheim (Flächenbahn bringt Kundennähe) und eines Professor Hesse (Anschlußoptimierung in öffentlichen Verkehrsnetzen mit Opti-Takt) nicht. Es wird gelogen, was das Zeug hält – wie u. a. durch die Ausführungen von Gewerkschaftern der Bahn (GdL, Transnet), Gangolf Stocker (Initiative „Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21“) und Klaus Gietinger (Initiative „Frankfurt 22“) nachgewiesen wurde. Damit wird deutlich, daß das Ziel der sog. „Bahnreform“ nicht zuletzt die Erschließung einer sehr einträglichen Profitquelle nach dem Beispiel des Eigentumsmonopols an Grund und Boden (Schiene/Fahrweg) ist und die Sicherung bester Bedingungen für die Bahnkonkurrenz – einschließlich der Konkurrenten auf dem Bahn- Weltmarkt (erster Schritt: Connex-Fernzug als Vorposten der in Frankreich ansässigen Connex-Gruppe). 

Keine Ende des Personalabbaus ist in Sicht. Die Abschaffung des intelligenten, kundenfreundlichen Verkehrsmittels „Interregio“ wird nicht aufgehoben, aber versteckt in Jahresscheiben bis 2004 „aufgeschoben“. Unter diesem Gesichtspunkt, der jede betriebswirtschaftliche und ökologische Vernunft vermissen läßt, bedarf es verstärkter Solidarität unter den Kollegen. Denn die Orientierung z. B. von „Transnet“, den „Wettbewerb nicht über Sozialdumping führen“, reicht als Kampfansage zur Erhaltung und Erweiterung der Arbeitsplätze in allen Bereichen der Bahn, die für eine sichere und bequeme Zugfahrt unerläßlich sind, nicht aus. Sie reicht noch nicht einmal zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der zur Zeit bei der DB-AG und Tochterfirmen beschäftigten Eisenbahner. Wir sollten niemals vergessen, daß das Kapital Motive für den Abbau von Arbeitsplätzen und Lohndumping in jeder Lage findet. Der Abschied von der Staatsbahn ist kein fortschrittliches Element, wie das Beispiel Großbritanien beweist. Es ist auch kein Weg zu höherer Rentabilität im volkswirtschaftlichen Sinne, wie das Beispiel Schweiz belegt. Aber es ist der Weg des Angriffs auf die Familien der Eisenbahner in „Ost“ und „West“ sowie auf die Mobilität der großen Masse der Bevölkerung, die nicht zu den Besserverdienenden zählt. Es ist auch der Weg zur Zuspitzung des Widerspruches zwischen Stadt und Land.

Herbert Münchow
Leipzig

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