Die Zerschlagung der Bahn droht
Sind wir auf Abwehrkämpfe vorbereitet?

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Die Möglichkeit eines Regierungswechsels nach vorgezogenen Neuwahlen im Herbst wirft viele Planungen, Strategien und Perspektiven über den Haufen. Dies gilt auch für die Zukunft der Deutschen Bahn AG, ihrer Beschäftigten und Gewerkschaften.

Bahnchef Mehdorn ist bis zum heutigen Tag nicht von seinem erklärten Ziel abgerückt, den Börsengang der Deutschen Bahn im Jahre 2006 - also vor dem regulären Ende der Wahlperiode des Bundestages - zu vollziehen. Dabei konnte Mehdorn bislang fest mit der Rückendeckung durch Kanzler Schröder und Finanzminister Eichel rechnen. Es wurde auch von keiner maßgeblichen Seite bestritten, dass ein milliardenschweres Aktienpaket der bisher zu 100 Prozent bundeseigenen Bahn AG nicht an viele "Volksaktionäre" gehen würde, sondern an "institutionelle Anleger" bzw. US-amerikanische Pensionsfonds - neudeutsch auch "Heuschrecken" genannt.

Die Bahngewerkschaften verkaufen diese Perspektive ihrer Mitgliedschaft bisher als eine Art "kleines Übel", weil durch einen Börsengang unter der Regie Mehdorns die Einheit eines integrierten Bahnkonzerns - also die Integration von Schieneninfrastruktur und Transportunternehmen - erhalten bleiben könnte. Die Nachteile eines Börsengangs würden dabei von den Vorteilen eines integrierten Bahnkonzerns bei weitem aufgewogen, so die Argumentation. In diesem Sinne wurde beim letzten Gewerkschaftstag der großen Bahngewerkschaft TRANSNET im November 2004 auch ein privatisierungskritischer Antrag abgeschmettert, der im Sinne der Basisinitiative "Bahn von unten" jede Form von Privatisierung, Börsengang und Zerschlagung ablehnte und wie die britischen Bahngewerkschaften die Widerverstaatlichung der Bahn forderte. Den Privatisierungskritikern wurde vorgeworfen, sie gefährdeten die Einheit des Bahnkonzerns und Eisenbahner-Arbeitsplätze. Hartmut Mehdorn und Gerhard Schröder wurden vom Gewerkschaftstag als diese letzten maßgeblichen verlässlichen Verbündeten gefeiert. Insbesondere Mehdorn sei einer der letzten aufgeklärten deutschen Manager, die viel für das "deutsche "Mitbestimmungsmodell" übrig hätten, so der Tenor.

Doch die Tage Mehdorns und Schröders könnten bald gezählt sein. Unter einer Regierung Merkel/Westerwelle dürfte auch Mehdorns Stuhl wackeln. In diesem Sinne haben sich immer wieder konservative Verkehrspolitiker und kürzlich insbesondere der FDP-Bundestagsabgeordnete Horst Friedrich geäußert. Hinter dieser Personalpolitik stecken handfeste materielle Interessen und Konflikte über unterschiedliche Strategien der Bahnprivatisierung. Mehdorn will die Deutsche Bahn AG als "Global Player" zusammenhalten und kompakt an die Börse bringen. Hingegen schwebt den Liberalen und CDU/CSU eher das aktuelle britische Modell vor. Sie wollen die DB-Holding auflösen, das Eisenbahnnetz vom Betrieb trennen und die einzelnen Schienen-Transportgesellschaften vollständig privatisieren. Das ist klassische Rosinenpickerei im Sinne einer kapitalkräftigen (inländischen) Klientel, die gierig darauf wartet, sich einzelne lukrative Filetstücke aus dem Organismus Bahn herausschneiden zu können und von der ersten Stunde an ohne unternehmerisches Risiko Rendite zu erzielen. Bei einer BDI-Veranstaltung im Herbst 2004 hatte Friedrich sein unbedingtes "Ja" zur Trennung von Netz und Betrieb begründet: "Andere Anbieter als die DB AG müssen die Chance haben, planbar mit Schienenverkehr Investitionen zu tätigen und Geschäfte zu machen." "Schienenverkehr ist eigentlich zu teuer. Dies schreckt privates Kapital ab", erklärte Dirk Fischer (CDU) vor dem BDI-Publikum.

Wenn nun Mehdorns Strategie eines integrierten Börsengangs scheitert, könnten die Eisenbahner schon bald mit einer Zerschlagung des Konzerns und einer Vollprivatisierung der Transportgesellschaften, also britischen Zuständen konfrontiert sein. Für diesen Fall hatte der TRANSNET-Vorsitzende Norbert Hansen auf dem Transnet-Gewerkschaftstag schon Widerstand angekündigt und eine Arbeitskampf angedroht: "Wenn es notwendig wird, werden die Politiker, die die Zerschlagung des Eisenbahnsystems wollen, eben die Verantwortung dafür übernehmen müssen, wenn alle Züge in Deutschland stillstehen, bis solche Absichten beerdigt sind", so Hansen in einer Grundsatzrede.
Für die bislang streikunfreudige TRANSNET könnte also so schon früher als erwartet die   Stunde der Wahrheit kommen. Es wird sich rasch zeigen, ob die Gewerkschaft zu "französischen Verhältnissen" bereit ist, um "britische Zustände" zu stoppen.

Hans-Gerd Öfinger


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