Abschiedsbriefe |
Zurück zur Startseite | ||
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich bin am 31.12.2006 bei der TRANSNET ausgeschieden. Meine Motivation zu diesem schweren Schritt ist rein politischer Natur:
Euer Markus Fuß Liebe
Kolleginnen und Kollegen, wie Ihr
sicherlich bereits erfahren habt, habe ich meine Tätigkeit bei TRANSNET zum Ende des
Jahres 2006 beendet. Ich sehe mich
nicht mehr in der Lage, den gegenwärtigen politischen Kurs der Gewerkschaft TRANSNET
persönlich mitzutragen. Deshalb musste ich die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Meine
Haltung möchte ich an vier zentralen Themen erläutern:
Zu 1. Für eine
starke öffentliche Bahn
Die Frage, ob
es sinnvoll ist, die DB AG zu privatisieren oder nicht, muss diskutiert und fundiert
entschieden werden. Eine Debatte um die Integration oder Trennung von Netz und Transport
reicht nicht aus. Zentral ist die Beschäftigungssicherung. Dabei muss den Beschäftigten
auch eine Perspektive nach 2010 gegeben werden. Der Einstieg
privaten Kapitals bzw. die Vorbereitung hierzu bedeutet, dass die Unternehmensausrichtung
immer stärker auf die Realisierung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen ausgerichtet wird.
Die DB AG kann wie andere Bahnen im Schienenbereich in Deutschland nicht einfach ihren
Umsatz ausdehnen, da sie stark von Rahmenbedingungen wie der Infrastrukturausstattung, von
der Höhe der Steuern und Abgaben sowie von der (Nicht-)Wirksamwerdung ihres
Umweltvorteils am Markt abhängig ist. Deshalb ist eine forcierte Kostensenkung die
logische Folge, um die anvisierten Zahlen zu erreichen, deshalb bedeutet dies eine noch
stärkere Konzentration auf Strecken und Verkehrsrelationen mit hohen Margen und damit die
Gefährdung der heute noch auf die Fläche bezogenen Systemleistung der DB AG. Dies
bedeutet aber in der Konsequenz genau das Gegenteil von Beschäftigungssicherung und
humanen Arbeitsbedingungen. Eines der
Versprechen, das mit der Privatisierung verknüpft ist, ist die Erhöhung der
Investitionsmittel. Dabei weisen die Investitionsmittel für den Schienenbereich bei der
DB AG nicht zufällig mit dem Anstreben der Privatisierung nach unten. Dies ist besonders
bei der DB Netz AG der Fall. Hier hat die Bahn die Investitionsmittel gegenüber den
staatlichen Mitteln überproportional gekürzt. Auch für die Zukunft sind steigende
Investitionsmittel der DB AG trotz angestrebter Privatisierung Fehlanzeige! Ob die DB AG
tatsächlich kapitalmarktfähig ist, sollte kritisch überprüft werden. Nicht unerheblich
tragen der Lohnverzicht der Beschäftigten und die kurzfristigen Effekte der
Investitionsrückgänge hierzu bei. Auch kritisch
muss überprüft werden, ob die Privatisierung die Einheit des DB-Konzerns nicht erst
Recht gefährdet. Die Frage, ob die Infrastruktur in privater oder öffentlicher Hand
verbleibt, muss ernsthaft diskutiert werden. Die TRANSNET lebt hier nicht auf einer
politischen Insel. Auch sollte
nicht nur formal mit einer Mehrheitseignerschaft des Bundes für die Infrastruktur
argumentiert werden. Ein privater Investor wird vermutlich erheblich die
unternehmenspolitischen Entscheidungen beeinflussen, auch wenn er formal
Minderheitsaktionär ist. Hinzu kommt, dass der Bund sich immer mehr aus der konkreten
Gestaltung der Unternehmenspolitik zurückzieht. Deshalb kann
eine 100-ige staatliche Eigentümerschaft die
Probleme allein nicht lösen. Notwendig ist eine konsequente Politik für die Schiene.
Andere Länder wie die Schweiz beweisen, dass dies möglich ist. Die EinwohnerInnen der
Schweiz fahren trotz der viel kleineren Fläche pro Einwohner mindestens mehr als 50% mehr
Bahnkilometer als die EinwohnerInnen in Deutschland, im Güterverkehr hat die Schiene in
der Schweiz einen doppelt so hohen Marktanteil wie in Deutschland. Das System in der
Schweiz ist weit effizienter als in Deutschland: Wie das PRIMON-Gutachten zur
Bahnprivatisierung zeigt, liegen in der Schweiz die staatlichen Leistungen pro Personen-
und Tonnenkilometer niedriger als in Deutschland (siehe dort S. 77). In der Schweiz gibt
es keine Debatte um die Privatisierung der SBB. Und das ist auch gut so! Es kommt also
stark auf die entsprechende Verkehrspolitik an. In den meisten Politikfeldern herrscht in
Deutschland Stillstand, seien es die Themen Mineralöl-, Mehrwert- und Ökosteuer, sei es
eine verkehrsverlagernde Lkw-Maut, sei es die Kostenanlastung der nicht erhobenen Umwelt-,
Unfall- und Gesundheitskosten oder seien es die Trassenpreise auf der Schiene. Natürlich
müssen diese Themen umkämpft werden. Stattdessen wurde sich bei TRANSNET jedoch in
letzter Zeit fast ausschließlich auf die Frage Netz und Transport konzentriert und
dies auch noch verkürzt, wie oben aufgezeigt. Nur eine 100%
öffentliche Bahn bietet die Gewähr einer integrierten Bahn. Nur mit dieser Forderung
lassen sich breite politische Bündnisse aufbauen. Stattdessen steht die TRANSNET
organisationspolitisch mit ihren Forderungen so ziemlich alleine dar. Ich habe die
obigen Argumente bei verschiedenen Gelegenheiten offen bei TRANSNET dargestellt und aus
meiner Ablehnung jeglicher Kapitalprivatisierung nie einen Hehl gemacht. Ich bleibe auch
weiterhin bei dieser Auffassung. Zu 2. Für den
Verbleib der TRANSNET im DGB und für eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung Wenn die
Ausrichtung der gewerkschaftlichen Organisationspolitik auf die Unternehmenspolitik eines
Unternehmens in Deutschland Schule macht, droht das bewährte System von
Branchengewerkschaften zerstört zu werden. Dies führt zu weiterer Entsolidarisierung und
insbesondere zur Verschlechterung der Situation der Beschäftigten in der Branche. Eine starke
gewerkschaftliche Interessenvertretung muss möglichst unabhängig von der
Unternehmensseite sein. Sonst kann sie keine konsequente Politik für die Interessen der
Beschäftigten machen. Doch dem nicht genug: Zudem wurde von TRANSNET der Kontakt zu
gelben Gewerkschaften außerhalb des DGB und des Beamtenbundes gesucht und das in einer
Zeit, in der andere DGB-Gewerkschaften mit diesen gelben Gewerkschaften in harten
Auseinandersetzungen zur Vermeidung eines Tarifdumpings stehen. Eine solche Strategie kann
nicht im Sinne der Beschäftigten sein, denn sie führt letztendlich zur
Entsolidarisierung. Da helfen auch keine schönen Namensgebungen etwas. Wie soll aus
einer Zusammenarbeit mit bekannten gelben Gewerkschaften aber Kraft entwickelt werden? Meiner festen
Überzeugung nach bedeutet Einheit Stärkung und Spaltung Schwächung der
Arbeiterbewegung. Die Einheit des DGB ist ein wesentliches Element für die demokratische
und wirtschaftliche Entwicklung im Sinne der Beschäftigten in Deutschland und muss
deshalb verteidigt werden! Zu 3. Für
europäische Solidarität
Die
Liberalisierung des Schienenverkehrs hat keine neuen Arbeitsplätze und nicht mehr Verkehr
auf die Schiene gebracht und wird dies auch in Zukunft nicht tun, wenn sich an den
ungünstigen Rahmenbedingungen für die Schiene nichts ändert. Der aktuelle
Wettbewerbsbericht der DB AG führt auf S. 25 die Gründe hierzu auf (Margenverfall durch
Wettbewerb, dadurch sinkende Wirtschaftlichkeit insbesondere des
Einzelwagenladungsverkehrs, dadurch Verlust von Frachtverkehren, dadurch Auslösung einer
Abwärtsspirale, im Ergebnis Verlust von Marktanteilen für die Schiene). Die Sicherung
sozialer Standards Entlohnung, Arbeitszeiten, Lenk- und (auswärtige) Ruhezeiten -
ist ein weiteres wichtiges Thema. Es droht ein Dumpingwettbewerb auf der Schiene, wenn
hier keine ausreichenden Schutzvorrichtungen existieren. Deshalb ist die Gefahr groß,
dass die Liberalisierung vor allem zu Lasten der Beschäftigten geht! Auch ist zu
bedenken, dass inländische Unternehmen bei existierender Liberalisierung Arbeitskräfte
zu schlechteren ausländischen Bedingungen in Deutschland einsetzen können. Deshalb ist
europäische Solidarität gefordert! Deshalb muss die Europäische
Transportarbeiter-Föderation (ETF) gestärkt werden! Auch in diesem Zusammenhang ist von
organisationspolitischen Strategien, die auf ein Unternehmen ausgerichtet sind, zu warnen.
Das wäre eine Kampfansage an die europäische Solidarität! Zu 4. Für eine
offene und transparente Gewerkschaft
Die
Gewerkschaft mit ihren Gliederungen muss der Kern der politischen Entscheidungsfindung,
-strategie und Praxis sein. Hier müssen die Entscheidungen nach demokratischen, offenen
und transparenten Prozessen getroffen werden. Eine Zusammenarbeit in Bündnissen darf
nicht im Widerspruch zum Zweck einer Organisation stehen. Deshalb ist es sehr bedenklich,
dass trotz der absehbaren Nachteile für die Beschäftigten über eine
Bündnisorganisation, an der TRANSNET formal maßgeblich beteiligt ist, die Öffnung der
Schienenmärkte in Europa gefordert wird. Dies steht im deutlichen Widerspruch zur
Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF), in der TRANSNET Schlüsselfunktionen
wahrnimmt. Die ETF weist zu Recht ständig auf die abzusehenden Nachteile einer
Liberalisierung des Schienenverkehrs für die Beschäftigten hin. Schlusswort
Ich habe bei
TRANSNET viele engagierte und nette Kolleginnen und Kollegen kennen gelernt und gerne mit
ihnen zusammen gearbeitet. Vielen Dank dafür! Ich wünsche Euch, lieben Kolleginnen und
Kollegen der TRANSNET, persönlich alles Gute! Gez. Armin
Duttiné |
Lest hierzu auch: "Wir bleiben
hier!" Brief an Kurt Beck Interview Gemeinsame Erklärung
|