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Nicht weglaufen, sondern (r)eintreten! - Zur aktuellen Krise in TRANSNET

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Ende 2006 feierte unsere Gewerkschaft TRANSNET ihr 110-jähriges Bestehen. Wird das Jahr 2007, das verflixte 111. Jahr, für unsere Gewerkschaft TRANSNET zum Schicksalsjahr?

Manches spricht dafür. In den nächsten Monaten droht ein Bundestagsbeschluss über die Privatisierung der Deutschen Bahn, der einen entscheidenden Dammbruch bringen und spätestens nach 2010 das massenhafte Abschlachten vieler Arbeitsplätze beschleunigen könnte. Gleichzeitig befürchten viele gestandene Mitglieder, dass es im Zuge der angestrebten Vereinigung mit der GDBA zu einem Bruch mit dem DGB kommen könnte.

Zum Jahreswechsel sind zwei wichtige politische Vorstandssekretäre, Markus Fuß und Armin Duttiné, aus den Diensten von TRANSNET ausgeschieden. Sie haben in ihren „Abschiedsbriefen“die Politik und Ausrichtung des Gewerkschaftsvorstands scharf kritisiert. Diese Briefe und ein E-Mail eines anonymen Absenders mit der Bezeichnung „Transnett von unten“ machen in diesen Tagen die Runde und bewegen die Gemüter. Für den 12. Februar wurde der Hauptvorstand jetzt überraschend zu einer außerordentlichen Sitzung nach Fulda geladen.

Während die Politiker nach wie vor über die Ausgestaltung der Privatisierung streiten, haben die Vorstände der drei Bahngewerkschaften den Börsengang und Ausverkauf der Bahn längst abgesegnet. Obwohl uns Kolleginnen und Kollegen von Post und Telekom wie auch GewerkschafterInnen in England und Frankreich dringend von einer Privatisierung abraten, begrüßt der geschäftsführende TRANSNET-Vorstand die Privatisierungsabsicht der Großen Koalition. Doch dafür hat er kein Mandat der Basis und keinen Beschluss eines Gewerkschaftstages. Die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung und die meisten Beschäftigten der Deutschen Bahn AG lehnen die drohende Privatisierung und die damit unweigerlich einhergehende Zerschlagung der Bahn ab. Der TRANSNET-Hauptvorstand muss dem endlich Rechnung tragen und – notfalls auch gegen das Votum des Vorsitzenden Norbert Hansen – am 12. Februar einen Kurswechsel einleiten und den Widerstand gegen die drohende Privatisierung anpacken. Denn eine Gewerkschaft, die sich einem Frontalangriff, wie ihn die Privatisierung darstellt, nicht entschlossen entgegenstellt, gefährdet letztlich auf Dauer ihre eigene Existenz.

Ein geplantes Zusammengehen mit der GDBA könnte durchaus Sinn machen und eine jahrzehntelange gewerkschaftliche Konkurrenzsituation überwinden – bestünde da nicht die akute Gefahr, dass bei einer solchen Fusion eine neue Organisation entsteht, die dann nicht mehr dem DGB angehört. Überzeugte AnhängerInnen der Einheitsgewerkschaft, darunter zahlreiche SeniorInnen und Jugendliche wie auch etliche Mitglieder des Hauptvorstands sind darüber höchst besorgt. Einen Bruch mit dem DGB müssen wir auf jeden Fall verhindern. Denn es besteht die Gefahr, dass eine solche, vom DGB losgelöste Gewerkschaft immer mehr zu einem Instrument der Privatisierungslobby und des Arbeitgebers verkommen könnte. Mit welcher Organisation könnten wir dann noch unsere Interessen verteidigen? Wenn sich TRANSNET vom DGB abwendet, hat dies weit reichende Folgen für den Bestand des DGB, der dann bis ins Mark erschüttert würde. Dies schwächt die gesamte Arbeiterbewegung. Der DGB-Bundesjugendausschuss hat sich übrigens bereits im letzten November gegen eine Privatisierung der Deutschen Bahn ausgesprochen. Warum erfährt die TRANSNET-Basis dies nicht aus den gewerkschaftseigenen Medien? Und warum blieb die TRANSNET-Vertretung der Sitzung des DGB-Bundesvorstands Anfang November fern, bei der eine Mehrheit des Gremiums bereit gewesen wäre, sich gegen die Bahnprivatisierung zu positionieren? Der Einwurf aus dem Büro von Norbert Hansen, er musste mal schnell zu Herrn Tiefensee, kann als Entschuldigung nicht gelten, denn Norbert hätte sich vertreten lassen müssen. Diese DGB-Sitzung war viel zu wichtig, um sie einfach zu ignorieren!

Markus Fuß und Armin Duttiné haben in ihren Abschiedsbriefen Kritikpunkte aufgeführt, die sich weitgehend mit den Ansichten decken, wie sie unsere Initiative „Bahn von unten“ seit 2000 vertritt. Dass die beiden Kollegen jetzt zur Gewerkschaft ver.di übergewechselt sind, wird ihnen vom TRANSNET-Vorstand und vielen Funktionären schwer angekreidet. Nun kommt ein neues Totschlagsargument auf: Wer auch nur einzelne Kritikpunkte von Markus Fuß und Armin Duttiné teilt, der schadet unserer TRANSNET und will Mitglieder für ver.di abwerben, heißt es. In diesem Sinne wirkt auch das kursierende anonyme „Transnett von unten“-E-Mail, das zum Übertritt zu ver.di aufruft.

„Steckt etwa ihr dahinter?“, fragen uns besorgte KollegInnen. Unsere Antwort ist klar: Nein, nein und nochmals nein. Wer auch immer die Urheber von „Transnett von unten“ sein mögen und was auch immer sie damit bezwecken mögen – wir verstecken uns nicht hinter anonymen E-Mails, sondern bekennen uns zu unseren Ansichten. Auf unsere Anfrage nach ihren programmatischen Zielen haben wir von „Transnett von unten“ keine Antwort erhalten. Wer sich aber nicht aus der Deckung wagt und offen zu seinen Zielen steht, der disqualifiziert sich selbst.

Ohne offene und sachliche Diskussion über gegensätzliche Standpunkte wird unsere Gewerkschaft nicht aus ihrer derzeitigen Krise herauskommen. Notwendige Kritik darf aber nicht dadurch unterbunden werden, dass man den KritikerInnen vorwirft, sie dienten der gewerkschaftlichen Konkurrenz. Bahn von unten hat sich immer gegen scheinbar einfache Lösungen gewandt und eindringlich davon abgeraten, die akuten (politischen) Probleme in und mit TRANSNET durch einen Austritt oder Übertritt zu einer anderen Gewerkschaft zu lösen. Es rettet uns kein höheres Wesen, auch keine ver.di oder IG Metall oder GDL, sondern nur unser eigenes Engagement für die Verteidigung unserer Einheitsgewerkschaft im DGB, unserer Arbeitsplätze, unserer sozialen und tariflichen Errungenschaften und gegen jede Form von Privatisierung der Bahn. Dies nimmt uns keiner ab.

2007 finden in TRANSNET Organisationswahlen statt. Konzernweit werden neue Vertrauensleute und neue Delegierte zu den Ortsdelegiertenkonferenzen gewählt. Kritische, engagierte Kolleginnen und Kollegen sollten selbst kandidieren und alle KandidatInnen fragen: Bist du für oder gegen den Börsengang? Bist du für oder gegen den Verbleib im DGB? Jede Kandidatin und jeder Kandidat muss sich eindeutig erklären, damit eine basisbestimmte Politik bis in die Spitze unserer Gewerkschaft wieder eine Chance hat.. Konzentrieren wir uns darauf, die Gewerkschaft und unsere Zukunft wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Statt gegenseitigem Abwerben von Mitgliedern brauchen wir jetzt dringend den Schulterschluss aller DGB-Gewerkschaften und aller Bahngewerkschaften gegen die Privatisierung. Im Mai 2006 haben die Gewerkschaftsvorsitzenden Norbert Hansen (TRANSNET) und Frank Bsirske (ver.di) in einer gemeinsamen Erklärung festgestellt: „Die DB AG soll als integriertes Unternehmen im Staatseigentum erhalten bleiben und darf nicht zerschlagen werden.“ Dass Norbert Hansen und andere nun offen den Parlamentariern die Privatisierung empfehlen, ist untragbar. Aber auch Frank Bsirske und der ver.di-Fachbereich Verkehr haben sich – wie ein Blick auf dessen Internetseite zeigt – in dieser Frage seither bedeckt gehalten und nichts organisiert, um die Abgeordneten unter Druck zu setzen bzw. zu überzeugen und die Öffentlichkeit aufzuklären.

Hoffen wir nicht auf ein Wunder. Wir haben es selbst in der Hand, unsere Lage zum Besseren zu verändern.

Alfred Lange
Betriebsratsvorsitzender RAILION Frankfurt
Mitbegründer der Initiative Bahn von unten

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Lest hierzu auch:

"Abschiedsbriefe"
von Markus Fuß und Armin Duttiné

Brief an Kurt Beck
und die SPD

Interview
mit Norbert Hansen (pdf)

Gemeinsame Erklärung
von Hansen und Bsirske (pdf)

 

www.bahnvonunten.de