Der Kampf um weitere Arbeitszeitverkürzung
Zum Beitrag von “Ferdinand” auf der Homepage von “Bahn von unten”


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Ich war am 18. Oktober nicht in Hannover. Darum kann ich auch nicht beurteilen ob von den dort anwesenden Mitgliedern der TRANSNET / GdED  über die Entwicklung bei der Bahn nur ”gejammert” wurde.

Auf jeden Fall finde ich es positiv, wie aus dem Beitrag von "Ferdinand" heraus zu lesen ist, daß die  ”Arbeitszeitverkürzung für alle” als eine Forderung, vor allem gegen die massive Arbeitsplatzvernichtung und steigende Massenarbeitslosigkeit, diskutiert  wurde.

Für die Verkürzung der Arbeitszeit muß eine konkrete Forderung aufgestellt werden. Dazu sind viele Träger unter den Beschäftigten notwendig. Fester Bestandteil dieser Forderung muß der volle Lohnausgleich sein, ansonsten würde es um eine verkappte Kurzarbeit gehen. Die Forderung muß sich auch gegen den aktuellen Trend immer flexiblerer Arbeitszeiten richten.

Die richtige Forderung muß meiner Ansicht nach heißen: 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich.

Rechnerisch würde die Einführung der 30-Stundenwoche bei vollem Lohn im Deutschen Bahn Konzern ca. 40 000 Arbeitsplätze erhalten/schaffen.

"Ferdinand" qualifiziert die Frage der “Arbeitszeitverkürzung für alle” jedoch etwas ab. Er kennzeichnet die Forderung einseitig als eine “kapitalistische Reform”.

Die Forderung nach einer deutlichen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist natürlich im Kern eine Reformforderung. Hier geht es um eine Reform im Interesse der abhängig Beschäftigten. Sie richtet sich besonders gegen die wachsende Massenarbeitslosigkeit, die durch das Profitstreben des Kapitals verursacht wird. Die Forderung richtet sich gegen die Unternehmer, weil es mit ihrer Umsetzung an die Profite geht. Natürlich kann diese Reformforderung die Probleme, die der Kapitalismus verursacht, nicht lösen. Die eigentliche Ursache der Massenarbeitslosigkeit liegt in dem System der Ausbeutung der Lohnarbeiter (Arbeiter, Angestellte ”kleine” Beamte) durch das Kapital begründet. Wie wir aktuell erleben, steuert der Kapitalismus auf eine neue Weltwirtschaftskrise zu, diese wird auch drastische Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlage haben. Diese und andere krisenhafte Entwicklungen sind im Kapitalismus unvermeidbar. Erkennbar ist aber, daß sich gleichzeitig alle wesentlichen materiellen Voraussetzungen für eine neue höhere Gesellschaftsordnung herausgebildet haben.

Deshalb ist es auch zu begrüßen, daß ”Ferdinand” hier die Systemfrage aufwirft: ”Das Lohnsystem ist der Grund allen Übels. Es muß weg.”

Dem kann ich nur zustimmen!

Die Frage ist natürlich, wie bekommen wir es weg und wie soll eine neue Gesellschaft aussehen?

”Ferdinand” sagt, es sei alles eine Frage des Bewußtseins.

Richtig! Das ist tatsächlich eine Kernfrage. Allerdings ist die Frage des Bewußtseins durch die bloße Anklage eines vermeintlich ”rückständigen Bewußtseins” oder der Überwindung einer angeblichen  ”Angst vor dem Tag danach” nicht zu lösen.

Ich frage "Ferdinand": Wer hat eigentlich Angst vor einer neuer Gesellschaftsordnung (”dem Tag danach”) in der / an dem dann diejenigen die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel bzw. Produktion haben die auch die gesamten Werte schaffen? Angst davor können doch nur die herrschenden Konzerne und Banken und ihre politischen Repräsentanten in Regierung und bürgerlichen Parteien haben, oder? Warum gibt es Notstandsgesetze und die aktuell neuen ”Sicherheitsgesetze”?

 ”Ferdinand” stellt die Welt auf den Kopf wenn er in den Mittelpunkt rückt, die Angst sei auf Seiten derer, die sich Gedanken machen wie die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden kann.

Ich denke, in Wirklichkeit jammert  "Ferdinand" über die angebliche Rückständigkeit der Kollegen. Das ist negativ und hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun!

Tatsächlich ist es doch so, daß die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen die Nase, von der herrschenden Politik , mehr oder weniger voll hat. Statt zu jammern, muß man die berechtigten Kritiken und Unzufriedenheit ernst nehmen und daran ansetzen. Mit den Kollegen ein gemeinsames Vorgehen beraten und entwickeln.

Nun, wie kann ein Bewußtsein für eine grundlegende gesellschaftliche Alternative entwickelt werden? Dazu ist sicher die Auseinandersetzung über das Ziel und den Weg dorthin sehr wichtig. Gleichzeitig müssen dazu die praktisch anstehenden Fragen angepackt werden. Was nützt uns ein “Bewußtsein” wenn sich praktisch nichts verändert. Schließlich fällt eine “Gesellschaft ohne Lohnarbeit und Kapital” nicht vom Himmel.

Forderungen welche die Interessen von uns Arbeitern und Angestellten usw. beinhalten, sind notwendig. Solche Forderungen richten sich zwangsläufig gegen die Profitinteressen der Konzerne und ihren hilfreichen Regierungen. Sie können in der Regel nur mit einen Arbeitskampf durchgesetzt werden.

Die Forderung nach der 30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich und der Kampf dafür spielt  in der heutigen Situation, meiner Meinung nach, eine wichtige Rolle:

Es gilt zu klären und praktisch durchzusetzen: die Massenarbeitslosigkeit  kann nur auf Kosten des Profitstrebens der Konzerne wirksam bekämpft werden. Praktisch ist  längst bewiesen das alle Rezepte von Unternehmerverbänden und Regierung, die Arbeitslosigkeit könne nur durch die Stärkung der sogenannten Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bekämpft werden, genau das Gegenteil bewirken. Das haltlose Versprechen der aktuellen Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken, zeigen das. Leider lassen sich die meisten Gewerkschaftsvorstände auch durch bittere praktische Erfahrungen nicht beeindrucken. Sie ordnen sich - trotz wachsender Proteste aus der Mitgliedschaft - mit dem ”Bündnisse für Arbeit” oder im ”Beschäftigungsbündnis Bahn” dem Profitprinzip unter. Vereinbart wird dann immer wieder die angeblich ”sozialverträgliche”  Verschlechterung der Lage der Beschäftigten. Ein Ergebnis ist die weiteren Steigerung der Arbeitslosigkeit. Dazu kommt die weiterer Flexibilisierung der Arbeitszeit, Spaltung und Entrechtung der Beschäftigten durch Beseitigung von Flächentarifverträgen usw.

Es geht um die Richtung! Der technische Fortschritt muß den Beschäftigten bzw. der Gesellschaft zu Gute kommen. Die materiellen Voraussetzungen für eine drastische Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ist seit geraumer Zeit  durch die gewaltigen Steigerung der Arbeitsproduktivität gesellschaftlich gegeben.

Ich denke, im Kampf  um eine weitere Arbeitszeitverkürzung geht es um die Klärung sich entgegenstehender Prinzipien der politischen Ökonomie:

Einerseits das ökonomische Prinzip der Arbeiterklasse. Dieses bezieht sich darauf, daß die Produktion dem Menschen dienen muß, und damit also soziale Produktion ist. Andererseits das ökonomische Prinzip des Kapitals, nämlich der Produktion als alleiniger Selbstzweck für die Profitmacherei.

Die politische Ökonomie der Arbeiterklasse tatsächlich durchzusetzen ist im Kapitalismus höchstens in einigen Fragen, aber nicht generell möglich. Deshalb muß der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung darauf orientieren, daß eine Gesellschaftsordnung erkämpft werden muß, in dem die wachsenden materiellen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen.

Das ist meiner Meinung nach eine neue sozialistische Gesellschaftsordnung. Diese muß durch die Menschen selbst  aufgebaut werden. Sie müssen die Fähigkeit entwickeln eine negative Entwicklung, wie z.B. in der DDR, wo bereits unter Ulbricht, Honecker & Co der Sozialismus beseitigt wurde, zu verhindern.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit ein Buch empfehlen:
"Über die Frage der Arbeitszeitverkürzung in Geschichte und Gegenwart der Arbeiterbewegung"
FOUQUE` Literaturverlag (ISBN 3-8267-4461-6). 107 Seiten, 15,80 DM.
Autor ist Achim Czylwick. Er ist gelernter Drucker und war u.a. Betriebsratsvorsitzender. Er ist  heute als Publizist  tätig.

Mit solidarischen Grüßen

Ein Eisenbahner-Kollege aus Hamburg

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