Bericht vom Arbeitstreffen in Fulda am 19. Juni 2004:
Kein Grund zur Entwarnung -
Bahnmanager bestehen auf Börsengang!


 

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Dass sich der Verkehrsausschuss im Deutschen Bundestag und Ende letzter Woche auch der Deutsche Bundestag selbst gegen einen schnellen Börsengang der Deutschen Bahn AG ausgesprochen hat, ist für die Initiative "Bahn von unten" kein Grund zur Beruhigung und Entwarnung. Beim jüngsten Arbeitstreffen der Initiative am 19.Juni 2004 in Fulda stand die Weiterführung ihrer Kampagne gegen jede Form von Börsengang, Ausverkauf und Privatisierung im Mittelpunkt der Diskussion.

"Bahn von unten" war im Jahre 2000 aus einem Appell von Frankfurter Bahn-Betriebsräten und Aktivisten der Gewerkschaft Transnet gegen die Fortführung des Privatisierungskurses und für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik entstanden. Die Initiative hatte innergewerkschaftlich Aufsehen erregt, nachdem sich die Transnet-Bundesbetriebsrätekonferenz am 1. April 2004 in Karlsruhe gegen den Willen der Gewerkschaftsführung klar gegen einen Börsengang des Bahnkonzerns positioniert hatte.

Doch während der Deutsche Bundestag vorerst die Notbremse zog und als Voraussetzung für einen Börsengang des bisher in Bundesbesitz befindlichen Konzerns zuerst über mehrere Jahre ein positives Betriebsergebnis erwartet, scheint diese Vorgabe der Politik die Bahnmanager überhaupt nicht zu beeindrucken. Die Umstrukturierungen des Konzerns mit dem ausdrücklichen Ziel eines Börsengangs gehen im Alltag unvermindert weiter, berichteten die in Fulda versammelten Betriebsräte und Gewerkschaftsaktivisten aus ihrer praktischen Erfahrung. In Publikationen und bei allen sich bietenden Anlässen versuchen Bahnmanager seit geraumer Zeit, die Belegschaft auf den Börsengang einzustimmen. Letzte Woche hatte auch der "BahnBeirat", ein Gremium, dem so namhafte Eisenbahn"experten" und Lobbyisten wie Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Lufthansa-Aufsichtsratsvorsitzender Jürgen Weber und der frühere Verkehrsminister Jürgen Warnke (CSU) angehören, für einen Börsengang des DB-Konzerns noch vor der Bundestagswahl 2006 plädiert und diese Ansicht über eine offizielle Presseinformation des DB-Konzerns kundgetan.

In diesem Zusammenhang erinnerten beim Arbeitstreffen in Fulda Teilnehmer der Karlsruher Transnet-Bundesbetriebsrätekonferenz an die Beschlusslage ihres Gremiums, die sich als höchst aktuell erwiesen hat:
"Wir fordern die Bundesregierung auf, sämtliche Börsen- und Veräußerungspläne sofort ad acta zu legen bzw. zu entsorgen. Sollte das DB-Management demgegenüber weiterhin auf eine teilweise oder komplette Veräußerung der Deutschen Bahn bzw. einzelner Unternehmensteile pochen, so hat der Eigentümer Bund hieraus unverzüglich Konsequenzen zu ziehen und sich von diesen Herrschaften zu trennen. Es darf nicht sein, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt",
so der Karlsruher Beschluß im Wortlaut, der als ordentlicher Antrag dem Transnet-Gewerkschaftstag in Berlin im November zur Abstimmung vorliegen wird.

In diesem Antrag wird auch ein Stopp und Zurückdrehen aller im Vorgriff auf einen Börsengang vorgenommenen Umstrukturierungen des Bahnkonzerns verlangt sowie ein Schulterschluss mit anderen "Privatisierungsopfern" und die gemeinsame Ausarbeitung gewerkschaftlicher Strategien zur Rücknahme erfolgter Privatisierungen angemahnt.

"Bahn von unten" setzt sich jetzt dafür ein, dass der Gewerkschaftsvorstand und die Transnet-Medien die Mitgliedschaft ausführlich und ausgewogen über die unterschiedlichen innergewerkschaftlichen Standpunkte zum Thema Börsengang und Privatisierung informieren. Denn nur so kann vor einer Beschlussfassung des Gewerkschaftstages im November eine breite Diskussion in der Mitgliedschaft über eine solche "existentielle Frage" stattfinden. Bis heute wurde der umstrittene, aber mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefasste Karlsruher Beschluss in den offiziellen Transnet-Medien mit keinem Wort erwähnt. Dies muss sich ab sofort ändern, so die Überzeugung der Teilnehmer des Arbeitstreffens. In diesem Zusammenhang erinnert Bahn von unten an die Zusage des Bereichs Informationspolitik, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Transnet-Hauptvorstand,
„dass sich das Thema Börsengang und die Meinung der TRANSNET dazu in unseren Publikationen kontinuierlich widerspiegeln wird
.“
Dazu müssen dann aber auch die entschiedenen Gegner eines Börsengangs in den Transnet-Medien ungehindert zu Wort kommen, so das Arbeitstreffen.

Ebenso wurde in Fulda daran erinnert, dass der Karlsruher Beschluss vom 1. April 2004 auch einen Punkt enthält, der direkt an den Hauptvorstand gerichtet ist und ab sofort in Angriff genommen werden sollte:
"Der TRANSNET-Hauptvorstand wird aufgefordert, zur Bilanzierung der bisher erfolgten Privatisierungen und ihrer Auswirkungen auf allen Ebenen Konferenzen betroffener Gewerkschaften aus Bahn, Post, privatisierten kommunalen Eigenbetrieben (wie etwa Stadtwerke, Nahverkehrsbetriebe. Entsorgungsbetriebe) etc. einzuberufen. Dabei sollen u.a. die zu Lasten von Arbeitnehmern und Allgemeinheit entstandenen Folgen und gewerkschaftliche Strategien zur Rücknahme erfolgter Privatisierungen beraten werden."

In einer Antwort auf einen offenen Brief des Kollegen Norbert Hansen, der auf der Webseite www.bahnvonunten.de veröffentlicht wurde, hatte die Initiative vor den nachteiligen Folgen eines zunehmenden Wettbewerbs im Schienenverkehr gewarnt und auch in der Tatsache, daß die Deutsche Bahn immer mehr zum "Global Player" wird, keinen Grund zur Beruhigung gesehen. Denn alle diesbezüglichen Erfahrungen - etwa bei der Deutschen Post oder der Übernahmeschlacht um Aventis - zeigten, dass das Streben nach einem Rang als "Global Player" in aller Regel einhergeht mit einem Abhängen der Fläche, Verschlechterungen für die breite Masse der Kunden  und Angriffen auf soziale Errungenschaften und Einkommen der Beschäftigten.

Bahn von unten warnt vor Illusionen, dass es möglich sei, in einer Art Kuhhandel zwischen Gewerkschaft, Bahnmanagern und Kaufinteressenten vor einem Börsengang weitreichende und dauerhaft gesicherte Zugeständnisse für die Beschäftigten herauszuholen und dann den Börsengang aktiv mitzugestalten. Dass das Bahnmanagement und mögliche künftige Anteilseigner der DB oder einzelner veräußerter Unternehmensteile kaum geneigt sein werden, Einkommen und Arbeitsbedingungen der heutigen Beschäftigten wirklich zu erhalten, zeigt auch ihr jüngster tarifpolitischer Vorstoß: Kürzlich hatte Bahn-Personalchef Bensel die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich verlangt.

Bahn von unten-Redaktion
21.6.04

 

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  Im Wortlaut:
Der Beschluss von Karlsruhe