|
Lieber Werner,
recht herzlichen Dank für dein o.g. Mail. Ich teile zwar deine Einschätzung der Folgen
eines Regierungswechsels in Berlin, bin aber überrascht, dass du dir erklären
kannst, warum ich hinter der Agende 2010 stehe. Ich habe mich nämlich nicht
undifferenziert für dieses Reformpaket ausgesprochen, sondern nur für eine rationale und
seriöse Diskussion dieser Vorschläge plädiert. Dabei ist von uns als Gewerkschaften
anzuerkennen, dass allein angesichts der anhaltend hohen Massenarbeitslosigkeit, der
absehbaren demographischen Entwicklung und der dramatischen Lage der Staatsfinanzen
Reformen auch unseres Sozialstaates unverzichtbar sind. Wir sind und das ist meine
feste Überzeugung deshalb gefordert, uns auf diese Reformnotwendigkeiten
einzulassen, gerade wenn und weil wir die Interessen derer mit den schmaleren
Schultern und kleineren Geldbörsen vertreten wollen, die auch zukünftig auf ein
möglichst engmaschiges soziales Netz angewiesen sind!
Nur im Gespräch mit den Parteien, Regierungen und auch! - den Arbeitgebern können
wir Sorge dafür tragen, dass die Interessen der kleinen Leute nicht unter die
Räder kommen und den Erfordernissen der sozialen Gerechtigkeit Rechnung getragen wird.
Deshalb müssen wir den Dialog fordern und dürfen uns ihm nicht entziehen! Ich denke,
dass darüber innerhalb des DGB weitgehend Einigkeit hergestellt ist und ich bin auch
überzeugt davon, dass die von der TRANSNET gemeinsam mit der IG BCE und der NGG
veröffentlichte Erklärung Zukunft des Sozialstaates heißt: Ja zu Reformen!
dazu beigetragen hat.
Dieses konkrete Einmischen und Einbringen in die Diskussionsprozesse hat sich auch bei der
Agenda 2010 als erfolgreich herausgestellt. Zwar kann auch die jetzt vom
SPD-Parteitag verabschiedete Beschlussvorlage keine wirkliche Begeisterung auslösen, aber
der jetzt mit 90 Prozent Zustimmung verabschiedete Entwurf unterscheidet sich doch in
gerade für Gewerkschaften wichtigen Punkten von ursprünglichen Überlegungen:
Die Tarifautonomie ist in vollem Umfang bewahrt, von gesetzlichen Öffnungsklauseln ist in
der Agenda nichts zu finden!
Die aktive Arbeitsmarktpolitik ist mehrfach gestärkt worden: u.a. durch besondere
Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit älterer Menschen, auch dadurch, dass alle
Arbeitslose die gleichen Vermittlungs- und Qualifizierungschancen haben!
Und die Forderung, große Einkommen und Vermögen zur Sicherung unserer Gesellschaft
heranzuziehen, hat zumindest in den Perspektivantrag Eingang gefunden.
Wir sind jedenfalls gut beraten, auch die jetzt zu erwartenden Gesetzentwürfe kritisch
aber konstruktiv zu begleiten. Nur wenn wir uns in diese Auseinandersetzungen um die
Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme einmischen, wird die soziale Marktwirtschaft
eine Zukunft haben. Und wer, wenn nicht wir - um dich abschließend zu
zitieren hat daran ein Interesse und kann es auch durchsetzen?
Mit kollegialen Grüßen
Norbert Hansen
P.S.:
Ich wäre dir dankbar, wenn du diesen Antwortbrief den gleichen Empfängern deines
Schreibens an mich zukommen lässt.
Zurück zur Startseite |
|
Antwort von
Norbert Hansen auf den
Brief von Werner Balschun. |