Na endlich: Jetzt konsequent bleiben! Es gibt Alternativen! Aktuelle Stellungnahme der Initiative "Bahn von unten" |
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Mitte
der Woche kam eine wichtige Klarstellung, auf die viele Eisenbahnerinnen und Eisenbahner
seit Monaten gewartet haben. TRANSNET distanziert sich vom geplanten Börsengang der
Deutschen Bahn AG und übt scharfe Kritik an Bahn-Management und Politik. Die bisherige
Linie, prinzipiell einem integrierten Börsengang zuzustimmen, wenn dabei unsere
Forderungen berücksichtigt werden, hat sich als unhaltbar erwiesen. Viele
Kolleg(inn)en werden aufatmen, weil damit die enge Anlehnung der Gewerkschaft an Hartmut
Mehdorn (manche nannten es auch Schmusekurs) fürs erste beendet zu sein
scheint. Im Vorfeld des anvisierten Börsengangs hatte der Konzernvorstand immer größere
Zumutungen aufgetischt, die kein Ende nehmen wollten. Die Basis unserer Gewerkschaft
hätte diesen Kurs der aktiven Mitgestaltung eines Börsengangs nicht mehr
mitgemacht. Wie schon in früheren Jahren hat der TRANSNET-Vorsitzende Norbert Hansen
jetzt im letzter Sekunde die Notbremse betätigt. Die
über lange Zeit vom TRANSNET-Hauptvorstand genährte Illusion, durch einen
Schulterschluss mit Hartmut Mehdorn und seine Art des Börsengangs den Bahn-Konzern auf
Dauer zusammenzuhalten und unsere Interessen durchzusetzen, ist jetzt wie eine Seifenblase
geplatzt. Für uns kommt dies keineswegs überraschend. Noch vor wenigen Tagen haben wir
es in einer Broschüre geschrieben: Die Kalkulation, durch
aktives Herbeiführen eines möglichst raschen Börsengangs der gesamten DB Holding im
Schulterschluss mit DB-Chef Hartmut Mehdorn ließe sich eine Zerschlagung des DB-Konzerns
verhindern, ist eine gefährliche Illusion. Sobald wir einmal Spielball mächtiger
Kapitalgruppen sind, werden die bisher erfolgten "Umstrukturierungen" im Konzern
rückblickend wie ein Kinderspiel wirken und werden sie uns in alle Himmelsrichtungen
auseinander reißen. Mehdorn ist kein besonderer Gewerkschaftsfreund und kein
Gralshüter einer einheitlichen Deutschen Bahn. Er strebt mit aller Macht quasi als
Vollendung seines Lebenswerks den Börsengang an und wird danach (altersbedingt)
voraussichtlich ebenso von der Bildfläche verschwinden wie sein Vor-Vorgänger Heinz
Dürr, der Anfang der 90er Jahre die entscheidende Weichenstellung Richtung Privatisierung
vorgenommen hat und dann weit weg war, als negative Folgen seiner Entscheidungen spürbar
wurden und sich viele seiner vollmundigen Versprechungen nicht bewahrheiteten. Mehdorn
hat sich mit seiner Politik in den letzten Tagen konsequent zwischen alle Stühle gesetzt
und Beschäftigte, Fahrgäste, Politiker und die Elite der deutschen Wirtschaft gegen sich
aufgebracht. Der BDI hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Mehdorns Modell eines
integrierten Börsengangs mit aller Gewalt zu stoppen und sein eigenes Modell einer
Trennung von Netz und Transportgesellschaften und einer Zerschlagung des Konzerns
durchzudrücken. Auch SPD und Grüne zeigen
sich jetzt zunehmend offen für das BDI-Modell. Zwei Wege, die ins Verderben führen Bei dem
heftig ausgetragenen Kampf zwischen den zwei Linien der Privatisierung (Mehdorn contra
BDI) geht es nicht um die prinzipiell gute oder schlechte Variante
eines Börsengangs, sondern diesen unterschiedlichen Linien liegen unterschiedliche
materielle Interessen im Lager des Kapitals zugrunde. Mehdorn will die DB AG als
europaweiten und weltweiten Global Player und Logistikriesen ausbauen (auch
Norbert Hansen hat noch vor wenigen Monaten in einem Brief an Bahn von unten
diese Idee kritiklos begrüßt) und will sich dafür die staatliche Protektion sichern und
die Kontrolle über das Eisenbahnnetz behalten. Vermutlich hat Mehdorn einige potenzielle
institutionelle Anleger an der Hand (japanische, amerikanische oder sonstiges
Kapitalgruppen?), die bei einem Börsengang auch die entsprechenden Milliarden aufbringen
würden, um sich auf dem europäischen Markt zu platzieren.
All
dies (und nicht die anderen, bei der Fachtagung Bahnreform des BDI am 23.
September 2004 geheuchelten Sorgen um die Arbeitsplätze der Eisenbahner oder
die einfachen Bahnkunden) scheint dem deutschen Kapital und den bereits in Deutschland
operierenden Privatbahnen wie Connex überhaupt nicht zu passen. Diese scheuen ein allzu
großes finanzielles Risiko und wollen auf der Grundlage gesicherter günstiger
Trassenpreise (die Verluste bleiben sozialisiert!!!) sich nicht nur sichere staatliche
Gelder für Personennahverkehrsleistungen an Land ziehen, sondern darüber hinaus die
Rosinen im Personen- und Güterfernverkehr herauspicken. Das
Netz eignet sich nicht als Renditeobjekt, brachte es Dirk Fischer (CDU) bei der
BDI-Tagung auf den Punkt. Andere Anbieter als die DB AG müssen die Chance haben,
planbar mit Schienenverkehr Investitionen zu tätigen und Geschäfte zu machen,
forderte sein Kollege Horst Friedrich von der FDP. Der Sprecher der Rhenania Intermodal
Transport GmbH, Schuhmacher, brachte die Interessen privater Güterbahnen auf den Punkt:
Das Netz kostet Geld. Privatisierung ja aber bitte nehmt den hoheitlichen
Bereich heraus. Die
Linie ist klar: zerschlagen und filetieren. Daher ihr Schrei nach Wettbewerb und
Zerschlagung des Monopols. Wer so gegen staatliche Monopole wettert, der
möchte eines Tages selbst zum neuen Monopolisten werden. Auf
welcher Seite stehen wir?
Aus der
Sicht der Eisenbahner verläuft der Konflikt zwischen zwei Fraktionen des Kapitals und
zwei Wegen des Börsengangs, die uns beide ins Verderben führen. Wollen wir Pest oder
Cholera? Zwar bringen beide Seiten (demagogisch) nachvollziehbare und (isoliert
betrachtet) richtige Einzelargumente. Das System Bahn erfordert die Einheit bzw. den
Verbund von Fahrweg und Betrieb unter einem Dach, sagen die Mehdorns. Das
Eisenbahnnetz wird immer defizitär bleiben und muss daher unter staatliche
Verwaltung, erklären die BDI-Lobbyisten. Als
Eisenbahner und Gewerkschafter sind wir gut beraten, wenn wir eine unabhängige Position
einnehmen, die nur unseren ureigenen Interessen entspricht. Machen wir doch eine Synthese,
die den wahren Kern der Argumente der verschiedenen Kapitalfraktionen zusammenfasst:
Fahrweg und Betrieb gehören zusammen. Das Netz muss beim Bund bleiben und der
ganze Betrieb gleich mit! Darum:
Alternativen
diskutieren und Widerstand mobilisieren
Mit der
Absage des Termins für einen Börsengang im Jahre 2006 haben wir ein klein wenig extra
Zeit gewonnen, mehr nicht. Doch Zeit gewonnen hat auch die andere Seite. Die starke
BDI-Lobby favorisiert das Modell einer Zerschlagung und Filetierung der Bahn und hat
Mehdorn fürs Erste ausgebremst. Die Absage des Börsengangs 2006 bietet die
Gelegenheit, jetzt in Ruhe und nicht in der Hektik eines künstlich entfachten
Börsenfiebers über die Zukunft der Bahn nachzudenken; heißt es im aktuellen
TRANSNET THEMEN TELEGRAMM (13/2004): Denn die Lobby derer, die für eine
Zerschlagung des Bahnkonzerns sind, formiert sich. Wir
müssen ab sofort unserer Mitgliedschaft, allen übrigen Kolleginnen und Kollegen und
schließlich auch der Allgemeinheit reinen Wein einschenken und sie auf die großen und
unvermeidlichen Auseinandersetzungen vorbereiten. Dazu gehört zuallererst, dass wir uns
endgültig von der Illusion verabschieden, es werde doch noch mal ein Wunder geschehen und
wir könnten in Zukunft doch noch durch einen integrierten Börsengang mit wem auch immer
irgendwie das Schlimmste verhindern. Diese Illusion hat leider die Öffentlichkeitsarbeit
der TRANSNET in den letzten Monaten bestimmt. Es wurde der Eindruck vermittelt: Irgendwie
kriegen wir das mit dem Mehdorn schon hin. Die Kritiker eines Börsengangs wie Bahn
von unten sind in den Medien unserer Gewerkschaft bisher nicht zu Wort gekommen.
Ihnen wurden sogar (absurderweise) vorgeworfen, mit ihrer Kritik am Börsengang betrieben
sie das Geschäft derer, die eine Zerschlagung der Bahn wollen. Die
Eliten der Wirtschaft (und die unter ihrer Knute stehende Mehrheit der Politiker) wissen
was sie wollen. Sie tendieren klar zu einer Zerschlagung der Bahn. Wir wissen, was der von
ihnen mit aller Gewalt angestrebte Wettbewerb für uns bedeutet: weitere
massive Arbeitsplatzverluste, Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen. Wir wissen, dass es auch anders
geht. Wir brauchen eine flächendeckende
bundeseigene Bahn ohne Bevormundung durch inkompetente und nur auf Dividenden
ausgerichtete Manager, teure Manager und praxisferne und teure Berater. Die
Interessen und Vertretung der Beschäftigten, Gewerkschaften, sozial Schwachen und
Allgemeinheit müssen in den Leitungsgremien der Bahn den Ton angeben. Ab sofort muss in der TRANSNET eine
offene und freie Diskussion über Alternativen ohne Privatisierung und Börsengang laufen.
Mit der geballten Kompetenz und Erfahrung unserer Mitglieder muss und wird es möglich
sein, den Rahmen für eine moderne Bahn unter staatlicher Regie im Interesse der
Eisenbahner, der Kunden und der Umwelt zu stecken und ein wirkliches Unternehmen
Zukunft aufzubauen. Wir brauchen eine moderne leistungsfähige Bahn unter
staatlicher Regie und demokratischer Kontrolle Darum: Ja zu einer demokratisierten und reformierten Staatsbahn im
Interesse der Eisenbahner, der Allgemeinheit und der Umwelt und ohne Bevormundung durch
inkompetente und nur auf Dividenden ausgerichtete Manager und praxisferne und teure
Berater. Für
diese Alternative, für diese Vision lohnt es sich zu kämpfen. Der
kommende TRANSNET-Gewerkschaftstag im November muss jeder Art von Börsengang eine klare
Absage erteilen und einen Wettbewerb der Ideen um die Gestaltung einer modernen und
demokratisierten Staatsbahn eröffnen. Über Presseerklärungen und Vorstandspapier hinaus
muss die ganze Mitgliedschaft in diese Diskussion einbezogen. Für diese Ideen müssen und
können wir die Unterstützung aller anderen Privatisierungsopfer und Gewerkschaften und
die öffentliche Meinung gewinnen Der
Gewerkschaftstag muss aller Welt klarmachen, dass uns von den Mehdorns ebenso wie von BDI,
CDU/CSU und FDP große Angriffe drohen. Daher muss die Mobilisierung der Mitglieder und
der Öffentlichkeit für die unvermeidlichen Auseinandersetzungen beginnen. Dazu liegt den
Delegierten ein klarer Antrag vor, den die TRANSNET-Bundesbetriebsrätekonferenz in
Karlsruhe mit großer Mehrheit verabschiedet hat. Die TRANSNET-Antrags-Beratungskommission
wäre gut beraten, wenn sie angesichts der Ereignisse der letzten Tage ihre Empfehlung,
diesen Antrag beim Gewerkschaftstag abzulehnen, schleunigst korrigieren würde. Hier der Antrag im
Wortlaut: Beschluss der
TRANSNET-Bundesbetriebsrätekonferenz Nein zum Ausverkauf der Deutschen
Bahn!
Annahme mit großer Mehrheit und
Weiterleitung an den Gewerkschaftstag
24.September
2004 |
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