Berliner S-Bahner packen aus: |
Zurück zur Startseite | ||||
|
HGÖ: Vor einem Jahr erregte eine groß angelegte Kampagne
Rettet die S-Bahn über Berlin hinaus Aufsehen. Wie ist die aktuelle Lage der
Berliner S-Bahn? AT: Die
Berliner S-Bahn ist eine GmbH und 100prozentige Tochter der DB AG. Bis zum 31.12.2006 galt
für uns ein spezieller Haustarifvertrag und damit einhergehend ein Geflecht von
Betriebsvereinbarungen. Jetzt wurde Ende 2006 der Haustarifvertrag durch die aktive
Mitwirkung der TRANSNET zerschlagen und komplett in den Tarifverträgen im Konzern
Deutsche Bahn aufgelöst. Die S-Bahn ist keine eigenständige DB-Tochter mehr, sondern ein
Teil von DB Stadtverkehr wie etwa die Münchner oder Hamburger S-Bahn. Und da
fängt für uns der Schaden an. Denn der alte Haustarifvertrag beinhaltete noch ein
betriebliches Bündnis mit der Absenkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden und ein
Sozialpaket, wonach bis 2010 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen wurden. Dies
konnten wir DB-Chef Mehdorn mit dem Droh-Szenario abringen, dass bei der Fußball-WM keine
Züge fahren. Die Tarifgemeinschaft TRANSNET-GDBA ist mit der Dampfwalze darüber gefahren
und hat die betriebliche Tarifkommission komplett überfahren. Die DB hat die S-Bahn
wieder in ihre totale Verfügungsgewalt zurückgeholt. Die bisherige relative
Eigenständigkeit des S-Bahn-Managements besteht nicht mehr. Wir standen noch 2006 vor dem
Szenario eines Abbaus von 880 Arbeitsplätzen bis 2010. Dafür haben wir ein betriebliches
Bündnis geschnürt mit Maßnahmen wie Vorruhestand, Abfindungsregelungen etc. Man nannte
die Berliner S-Bahn immer das gallische Dorf, weil wir versucht haben, uns
einzuigeln. Wir haben gesagt: Wir wollen in Berlin unseren Traditionsbetrieb als
integriertes Nahverkehrsunternehmen aufrechterhalten. Und damit ist es jetzt vorbei. Mit der
Eingliederung in der konzernweiten Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeSiTV) wurde
die Arbeitszeit von 35 auf 39 Stunden angehoben. Dies bringt den Abbau von weiteren
640 Arbeitsplätzen zusätzlich zu den 880 bereits erwähnten Arbeitsplätzen, so dass
noch in diesem Jahr 1520 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Damit, so die Begründung,
will man die S-Bahn gemäß des Verkehrsvertrages mit dem Land Berlin auf den Wettbewerb
vorbereiten, der vorsieht, dass von 2008 an 30 Prozent der Verkehrsleistungen am Markt
ausgeschrieben werden. Also soll die S-Bahn so schlank gemacht werden, dass
sie im Wettbewerb mithalten kann. So verschiebt man dann eben über den BeSiTV
diese 1500 Arbeitsplätze irgendwo in den DB-Konzern, viele Kollegen ohne Arbeit landen
dann bei dem konzernweiten DB-Job-Service und bei der Reinigung in DB Services in
Niedriglohnbereichen. Hier wird qualifizierte Arbeit zerstört. Handwerker müssen dann
unter Umständen auch Reinigungsarbeiten machen. Mit der
Aktion Berliner, schützt Eure S-Bahn haben wir in der Öffentlichkeit und
Politik um Unterstützung geworben und sammelten in kürzester Zeit 51.000 Unterschriften.
Aus dem Petitionsausschuss des Landes Berlin erhielten wir unbefriedigende Antworten.
Allerdings konnten wir eine wichtige Aussage festklopfen, denn im neuen Koalitionsvertrag
für 2006-2001 spricht sich das Land Berlin gegen einen Börsengang der Bahn und für den
Verbleib der DB im öffentlichen Besitz aus. Ein entsprechender Antrag wurde über die AfA
in den SPD-Landesparteitag eingebracht und dort beschlossen und fand somit durch den
Flankenschutz aus der Linkspartei.PDS Eingang in den Koalitionsvertrag. Uns nun
kommt die Krux: Vor der Wahl hatten wir als politisch aktive Betriebsräte ein intensives
Gespräch mit Wirtschaftssenator Harald Wolf und besprachen dabei mit ihm eine Strategie,
wie wir den Hebel ansetzen können, um den drohenden Arbeitsplatzabbau zu stoppen. Der
Senat schützt bekanntlich bis 2020 die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), einen
Eigenbetrieb Berlins, vor dem Wettbewerb. Dies war so mit ver.di ausgehandelt worden,
natürlich auch unter Zugeständnissen. Analog besteht bei der BVG bis 2020 eine
Kündigungsschutzklausel. Wir forderten, dass man die S-Bahn nicht klein machen, sondern
mindestens auch so behandeln müsse wie die BVG. Es ist unfair, so die einstimmige
Betriebsratsforderung, uns ab 2008 dem Wettbewerb auszusetzen. Das Angebot des Senats
wäre gewesen: die S-Bahn aus Wettbewerb ab 2008 herauszunehmen und im Gegenzug durch
Verkehrsvertrag für die S-Bahn eine Laufzeit bis 2017 zuzusichern und somit die
Arbeitsplätze zu halten. Das zumindest war eine Überlegung von Harald Wolf. Auch der
zuständige Organisationssekretär von TRANSNET erfuhr dies. Die
Geschäftsführung der S-Bahn jedoch winkte im Wirtschaftsausschuss ab und sagte: Das ist
so vom DB-Konzern nicht gewollt. Wir wollen in den Wettbewerb und wir wollen den
Personalabbau. Diese Chance, die sich politisch entwickelt hätte und die für das Land
Berlin kostenneutral gewesen wäre, hat der DB-Konzern bewusst nicht gewollt. Uns hat man
demgegenüber vor wenigen Jahren noch in den Betriebsversammlungen gesagt: Ihr seid ein
gesundes Unternehmen und schreibt schwarze Zahlen und euch kann nichts passieren. Die
Kolleginnen und Kollegen haben das geglaubt, viele haben sich verschuldet und Grundstücke
gekauft und stehen jetzt vor dem Aus. Wenn jetzt die Arbeitsplätze verschwinden und der
BeSiTV greift, müssen viele unter Umständen nach Saarbrücken oder München gehen. Unser
betriebliches Bündnis war so konstruiert, dass die Leute hier in Berlin Arbeit haben.
Dieses betriebliche Bündnis ist jetzt mit Hilfe von TRANSNET zerschlagen worden. JR: Wir
haben in der Vergangenheit zwei Gewerkschaftstage gebraucht, um in unserer Gewerkschaft
erst einmal die Statuten für Vertrauensleutearbeit zu installieren. Als es dann möglich
war, organisierte Vertrauensleutestrukturen in den Wahlbetrieben zu entwickeln, hat sich
über Wahlen ein Vertrauensleutekörper bei der Berliner S-Bahn aus den aktivsten Kollegen
gebildet. Dieser wurde ein lebendiges Organ und eine Schnittstelle zwischen
Kollegen, Gewerkschaft und Betriebsrat. Es bestand eine entscheidende Verzahnung mit dem
Betriebsrat. Der Vertrauensleutekörper hatte ähnlich wie unser Betriebsrat
ein gesundes Selbstbewusstsein und war schon in der Lage, Arbeitsbedingungen im Betrieb
mit zu gestalten. Darüber hinaus konnte er auch die Strategien entwickeln, die nicht
immer deckungsgleich waren mit den Interessen unserer Gewerkschaftsführung. Das Problem
in den letzten Jahren war, dass niemand in der TRANSNET-Ortsverwaltung (OV) Berlin in der
Lage war, sich mit diesem Vertrauenskörper gewerkschaftspolitisch auseinanderzusetzen und
zu diskutieren, wo wir hin wollen. Stattdessen wurde nach alter und unrühmlicher Methode
versucht, die Kritik zu unterdrücken und die Kritiker zu denunzieren. Der zuständige
Gewerkschaftssekretär, Herr Andreas Schmidt, vertrat andere Interessen als die der
Belegschaft der S-Bahn. Nach der Karlsruher Bundesbetriebsrätekonferenz 2004 hat der
Vertrauensleutekörper und der Betriebsrat den Beschluss der Konferenz gegen eine Privatisierung der DB unterstützt
und seine Ablehnung eines Börsengangs deutlich formuliert. AT: Der
Betriebsrat hat ebenfalls den Karlsruher
Beschluss zugeschnitten auf Berliner Verhältnisse bekräftigt. JR:
Spätestens damit fingen der Betriebsrat mit seiner TRANSNET-Mehrheit und der
Vertrauensleutekörper an, die Kreise bestimmter Gewerkschaftsfunktionäre zu stören.
Doch wir haben uns mit diesem Beschluss
öffentlich positioniert und waren überhaupt nicht bereit, diesen öffentlich wieder
zurückzunehmen. 2005 fanden die Aufsichtsratswahlen bei der Berliner S-Bahn statt. Es gab
dafür keine Hilfe, Orientierung oder Materialversorgung seitens der TRANSNET-OV. Der
Vertrauensleutekörper (VK) fragte nach Material und wurde immer nur vertröstet. Das
Ergebnis war: Der VK war nicht in der Lage, einen vernünftigen Wahlkampf zu führen.
Daher verlor TRANSNET diese Aufsichtsratswahlen mit Pauken und Trompeten. 18 Prozent für
TRANSNET-KandidatInnen das ist eine Schande. Eine gewerkschaftsfeindliche Liste hat
die Aufsichtsratswahlen gewonnen. Der zuständige Gewerkschaftssekretär Andreas Schmidt
hatte dann bei der nächsten Sitzung der TRANSNET-Fraktion im Betriebsrat nichts Besseres
zu tun, als alle KollegInnen, die wenigstens noch einen aktiven Wahlkampf gemacht haben,
als Versager und Nullen zu beleidigen. Er persönlich würde dafür sorgen, dass die
nächste TRANSNET-Fraktion im Betriebsrat anders aussehen würde, so Schmidt. Er würde
handelnde Personen austauschen. Diese Androhung war ein entscheidender Schnitt im Jahre
2005. AT:. Ich
war in der Tat schwer krank und dann in Kur und konnte nicht so eingreifen, wie ich gerne
gewollt hätte. JR: Denn
sonst wären einige Sachen anders gelaufen. Als dieser Gewerkschaftssekretär 2005 vor der
kompletten TRANSNET-Fraktion im Betriebsrat in stalinistischer Art und Weise androhte,
Köpfe rollen zu lassen, lagen dem klare Interessen und Strategien zu Grunde. Ende des
Jahres 2005 fing der Vertrauensleutekörper an, die Betriebsratswahlen 2006 vorzubereiten
und berief sich dazu auf die Richtlinien des Hauptvorstands zur Durchführung von
Betriebsratswahlen. Darin steht, dass die Reihung und Listung aus dem
Vertrauensleutekörper heraus geschehen könne. Der Vertrauensleutekörper sprach sich im
November 2005 gegen eine durch den Gewerkschaftsapparat strukturierte Liste aus, die eine
Zerschlagung und Zersplitterung bedeutet hätte. Unsere Position war stets: Die Reihung
und Listung muss durch den Vertrauenskörper erfolgen, denn wir leisten die tagtägliche
Arbeit im Betrieb und kennen die Kollegen und haben eine aktive Gewerkschaftsjugend, die
wir langsam an die Arbeit heranführen müssen. AT: Der
TRANSNET-Apparat hingegen hat von oben her die Mitglieder im Betrieb in vier Wahlkreise
zersplittert. Wir haben entgegengehalten: Wir kämpfen für eine einheitliche Belegschaft
und gegen eine Zerschlagung der S-Bahn. Die haben das aber trotzdem gemacht. Daran konnte
man schon erkennen, worauf das hinaus läuft. JR: Der
von der OV-Berlin von außen erstellte Wahlvorschlag spiegelte nicht die Realitäten im
Betrieb wider. Die S-Bahn Berlin ist ein relativ geschlossener Betrieb, operiert
bahnmäßig auf einer kleinen Fläche und entspricht einer Stadt mit 20 Prozent Umland.
Man kennt sich. Wir sind im Gegensatz zu anderen Konzernteilen kein Flächenbetrieb.
Unsere Liste wurde vom TRANSNET-Apparat nicht zugelassen, weil die Protagonisten unserer
Liste Tannhäuser, Raßbach und andere Kollegen waren, die sich zuvor entscheidend gegen
den Börsengang der DB ausgesprochen hatten, immer innergewerkschaftliche Kritik
geäußert und die Streitkultur gepflegt hatten. Man setzte sich wieder nicht mit uns
inhaltlich auseinander, sondern es ging wieder nur gegen Personen. Der
Konflikt eskalierte bis Februar 2006, so dass ich mich veranlasst sah, als zweiter
Sprecher des Vertrauensleutekörpers bei der Berliner S-Bahn einen zweiseitigen Brief an
das für Personenverkehr zuständige Mitglied im Geschäftsführenden
TRANSNET-Hauptvorstand (GHV), Karl-Heinz Zimmermann, zu schreiben. Ich wies darauf hin,
dass es für unsere Gewerkschaft sehr schädlich wäre, wenn sich die Beschlüsse des
Bezirksvorstands gegen die Beschlüsse des Vertrauensleutekörpers richteten. Ich
kritisierte, dass es zu keiner Klärung gekommen sei und dass der Bezirksvorstand dabei
sei, verbrannte Erde bei der Berliner S-Bahn zu hinterlassen. Bis heute hat Karl-Heinz
Zimmermann nicht geantwortet. Das sagt mir, dass wir im Gewerkschaftsapparat nicht ernst
genommen werden. AT:
Dabei kann sich unsere Bilanz durchaus sehen lassen. Schon 1998 hatte der
Gewerkschaftsapparat einen Tarifvertrag hinter dem Rücken der Tarifkommission
durchgesetzt. Dies schuf viel böses Blut. Es gab 200 Austritte. Nach diesem
Vertrauensverlust mussten wir das verlorene Vertrauen durch unsere konsequente Haltung
wieder aufbauen. Wie
schon gesagt: Wir haben durch unsere politische Arbeit durchgesetzt, dass sich das Land
Berlin gegen den Börsengang positioniert. Das haben weder der Gewerkschaftsvorsitzende
Hansen noch der TRANSNET-Apparat in den anderen Ländern geschafft. HGÖ:
Also keine Antwort von Karl-Heinz Zimmermann. Was folgte dann? JR: Im
März 2006 sollten dann endgültig die Kandidaten aufgestellt werden und die
Wahlkampflosung beschlossen werden. Der Vertrauenskörper hatte das Motto ausgewählt: TRANSNET - Für mehr S-Bahn. Kurz vor der
Veranstaltung, bei der wir die Kandidaten aufstellen wollten, wurde der erste
Vertrauensleute-Sprecher Detlef Specht zwei Tage lang nach Frankfurt zu Karl-Heinz
Zimmermann zitiert. Wir wissen nicht, was dort passiert ist. Wir wissen nur, wie der
Kollege Specht hinterher vor dem Vertrauensleutekörper erklärt hat, dass wir im
Interesse der Gewerkschaft alle unseren bisherigen Beschlüsse kippen und auf diesen
strukturierten Wahlvorschlag eingehen müssten. Er werde das hier durchziehen. Dies war
der Bruch zwischen dem ersten VP-Sprecher und seinen Vertrauensleuten. Keiner ist mit
Detlef Specht mitgezogen, so dass der Vertrauensleutekörper auf seine Beschlusslage
bestand und der Bezirksvorstand seine strukturierte Wahlliste durchziehen wollte. AT: Wir
haben als S-Bahn Berlin im TRANSNET-Bezirk Nord-Ost gewissermaßen eine Sonderbehandlung
erfahren, denn bis auf einen anderen Fall in Pasewalk wurden anderswo derartige
Wahlmanöver nicht gemacht. Auch Pasewalk liegt im Zuständigkeitsbereich von Andreas
Schmidt. JR. Der
Vertrauensleutekörper hat seine KandidatInnen aufgestellt und die Reihung abgeschlossen.
Von Seiten der TRANSNET-OV wurden plötzlich Parallelstrukturen entwickelt und 1800
Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb angeschrieben und mit einem strukturierten
Wahlvorschlag konfrontiert, der den Betrieb wieder in vier Teile zerschlägt. Die
Mitglieder wurden aufgerufen, entsprechend in ihrem Betriebsbereich und zwar nur in
ihrem Betriebsbereich Vorwahlen durchzuführen. Dies alles lief hinter dem Rücken
des Vertrauensleutekörpers. Detlef Specht ließ sich dazu missbrauchen, gegen seine
Kollegen zu agieren
HGÖ:
und wurde dann Listenführer auf der offiziellen Liste des TRANSNET-Apparats. JR:
Genau. Gleichzeitig wurde die von den VP beschlossene Losung TRANSNET für mehr S-Bahn auf diese andere
TRANSNET-Liste übertragen. Wir haben gewarnt: Das ist die Zerreißprobe und drohende
Spaltung immerhin haben wir über 50 aktive VPs, die in ihren Bereichen gut
verankert sind. Wir bestanden darauf: wir geben unsere Losung nicht her. Doch die hörten
uns nicht mal zu. Beim Wahlvorstand reichten sie ihre Liste ein mit der Losung TRANSNET für mehr S-Bahn. Wir hatten zwei Tage
früher unsere Liste mit unserer Losung eingereicht. Wir drohten damit, die Frage durch
Anwalt oder Gericht klären zu lassen. Letzten Endes musste TRANSNET nachgeben. Nach der
Verlosung der Listenplätze bekam die offizielle Liste TRANSNET den Listeplatz 7 und
unsere Liste, die Liste der Vertrauensleute den Listenplatz 9. Liste 9 hat die
Betriebsratswahl gewonnen und errang sieben Mandate. Die Liste 7 (offizielle
TRANSNET-Liste) erreichte hingegen nur drei Plätze und verlor die Wahl. Die OV
entblödete sich aber nicht, nach Abschluss der Betriebsratswahlen zehn Sitze für die
TRANSNET nach Frankfurt zu melden. AT: Darauf
hin haben Andreas Schmidt und der 1. Bevollmächtigte der OV die so genannte
TRANSNET-Liste von Detlef Specht angewiesen, sich in der konstituierenden Sitzung mit
einer gewerkschaftsfeindlichen Liste zusammen zu tun, die aufgrund des Vertrauensverlustes
von TRANSNET in der Belegschaft auch sieben Plätze erreichte. Man gab der offiziellen
Liste die Anweisung, unseren Spitzenkandidaten nicht mehr zum Vorsitzenden zu wählen,
dafür hatte man ja einen gewerkschaftsfeindlichen, handzahmen und arbeitgeberfreundlichen
Kandidaten in Reserve. JR:
Unsere Liste, sagen wir mal TRANSNET (Mehrheit), schlug Andreas Tannhäuser zur Wiederwahl
als Betriebsratsvorsitzender vor. Doch dafür fehlten die Stimmen der offiziellen
TRANSNET-Liste. So wurde Andreas nicht wieder gewählt und der Vertreter einer
gewerkschaftsfeindlichen, so genannten Freien Liste neuer Betriebsratsvorsitzender.
Die GDL-Mitglieder haben sich enthalten. Die
bereits erwähnte Ankündigung von Andreas Schmidt im Jahre 2005, dass er dafür sorgen
werde, dass die TRANSNET-Fraktion im neuen Betriebsrat anders aussehen wird, hat sich
erfüllt: Aus bisher 15 TRANSNET-Sitzen hat er drei gemacht. Seine Fraktion sieht wirklich
ganz anders aus. HGÖ:
Auf die Betriebsratswahlen im Mai 2006 folgte die Fußball-WM, und viele warteten auf
öffentlich wirksame Aktionen der S-Bahner. AT: Mit
der Androhung von Arbeitsniederlegungen hatten wir zuvor den Ausschluss betrieblicher
Kündigungen erkämpft. Also hat man die WM abgewartet. Nach dem Abpfiff ging das
Schlachtfest los und es wurde systematisch das betriebliche Bündnis zerschlagen und der
Haustarifvertrag platt gemacht und in den Konzerntarifvertrag eingegliedert. So wurde die
Arbeitszeit von zuvor 35 Stunden auf 39 Stunden verlängert und einem zusätzlichen Abbau
von 640 Arbeitsplätzen noch in 2007 Tür und Tor geöffnet. HGÖ:
Gibt es jetzt zwei TRANSNET-Vertrauensleutekörper? JR:
Unser Vertrauensleutekörper ist in sich geschlossen und hat weiter alle vier Wochen
getagt und große Konflikte mit der OV ausgestanden, die uns zweimal hintereinander unsere
Räume verweigert und verschlossen hat. Das ist einmalig. Wir waren loyal und wollten das
nicht bekannt machen, um den Vertrauensverlust nicht zu steigern. Über Berlin hinaus
richteten wir Protestschreiben an den TRANSNET-Vorsitzenden Norbert Hansen und den
gewerkschaftlichen Beschwerdeausschuss. Im August wurde uns gesagt, dass der Kollege
Wolfgang Zell, Mitglied des GHV, vom HV beauftragt wurde, die Konflikte bei der S-Bahn zu
bereinigen. Er setzte eine Reihe Einzelgespräche an. Alle Kollegen, die mit ihm sprachen,
brachten ihm gegenüber ihre Empörung über das undemokratische Verhalten zum Ausdruck.
Im November 2006 kam der Kollege Zell in unsere Sitzung und hörte sich noch einmal die
Darstellung der übrigen KollegInnen an. Als die KollegInnen den Antrag stellten, die
Zusammenarbeit mit Andreas Schmidt einzustellen, bat uns Zell darum, diesen Beschluss
nicht zu fassen, damit er in den Gremien seine Handlungsfreiheit behält. Wir taten ihm
den Gefallen, doch der Dank dafür war, dass TRANSNET drei Wochen später Schmidt als
Handlungsbeauftragten zu unserer Betriebsversammlung geschickt hat. Als ich das erfuhr,
schrieb ich wieder einen Brief an Zell und warnte, dass ein Auftreten von Schmidt vor der
Belegschaft zu weiterem Vertrauensverlust der TRANSNET führen würde. Wolfgang Zell hat
bis heute nicht darauf geantwortet. So wird mit gewählten Vertretern innerhalb der
Gewerkschaftsstrukturen umgegangen. Alle
Kollegen leisten ihre gewerkschaftliche Arbeit Ehrenamtlich. Viele von uns sind rund um
die Uhr im Schichtdienst tätig. Wir machen das nicht hier aus Spaß, sondern um die
Arbeitsbedingungen unserer Kollegen wenigstens einigermaßen mitzugestalten. Wenn man aber
dann von den eigenen Gewerkschaftssekretären so in den Hintern getreten wird, dann
fällt mir dazu nichts mehr ein. HGÖ.
Nun wird die S-Bahn offenbar schrittweise zerschlagen. Wie sieht das Szenario für die
nächsten fünf oder zehn Jahre aus? JR: Für
die Fahrgäste wird sich äußerlich nicht viel ändern, weil die S-Bahn weiter im Takt
fahren wird. Wir befördern 1,3 Millionen Menschen täglich. Das wird sich eher noch
steigern. Aber für die Kollegen wird sich Entscheidendes verändern. Andreas hat das
dargestellt mit dem durch den Senat aufgedrückten Verkehrsvertrag und dem Zwang, einen
Teil der Verkehrsleistungen auszuschreiben. Die Erlangung der
Wettbewerbsfähigkeit wurde in den letzten Jahren als Knüppel gegen die Belegschaft
eingesetzt. Der Preis hierfür bedeutet 1500 vernichtete Arbeitsplätze bei der Berliner
S-Bahn bis 2008. Die Ausschreibung solle ab 2008 starten, der Senat kann darauf
verzichten, aber selbst dann sind 1500 Arbeitsplätze bei der Berliner S-Bahn für alle
Zeiten vernichtet. HGÖ:
Und wenn man beim Personalabbau übers Ziel hinausschießt und nachher wieder mehr
Beschäftigte braucht, holt man Zeitarbeitsfirmen und 1-Euro-Jobber rein? AT:
Natürlich. Diese Diskussion hatten wir schon, nämlich personalfreie U-Bahn-Höfe durch 1
Euro-Jobber zu besetzen. Das wurde zum Glück auch durch die AfA abgewürgt. Innerhalb des
Zulieferergeflechts sind übrigens auch viele Arbeitsplätze gefährdet. HGÖ:
Wie hat sich der innergewerkschaftliche Umgangston entwickelt? AT: Ich
bin in TRANSNET mittlerweile mit acht Ausschlussverfahren überzogen worden. Die
läppische Begründung lautet: gewerkschaftsschädliches Verhalten und unsere angebliche
gewerkschaftsfeindliche Spalterliste. Die sind bis heute nicht in der Lage, mir zu sagen,
wer diese Verfahren angestrengt hat. Andreas Schmidt hat es von 15 auf drei geschafft und
sucht nun einen Sündenbock. Ich bin seit längerem schwer krank und werde vermutlich aus
gesundheitlichen Gründen nicht ins Berufsleben zurückkehren können. Die wollten sogar,
dass ich der Gewerkschaft ein ärztliches Attest einreiche. JR:
Genau das widerspiegelt das Niveau dieser OV, nämlich dass man versucht, den ehemaligen
Betriebsratsvorsitzenden auszuschließen. Jetzt muss ich es deutlich sagen: Andreas hat
seine Gesundheit für die Gewerkschaft geopfert und ist wohl der einzige
Betriebsratsvorsitzende, der in einer Legislaturperiode einen Schlaganfall und
Enddarmkrebs erlitten und überstanden hat. So wird mit einem engagierten Mitglied
umgegangen. Anonyme Anzeigen werden in ein Ausschlussverfahren umgewandelt. Der Kollege
Tannhäuser weiß nicht einmal, wer die Anzeige aufgegeben hat. Das ist ein Skandal und
widerspricht jeder innergewerkschaftlichen Demokratie. HGÖ: In
den letzten Tagen hat ein Abschiedsbrief
der bisherigen TRANSNET-Vorstandssekretäre Markus Fuß und Armin Duttiné Aufsehen
erregt. Ein zentraler Vorwurf in beiden Briefen: TRANSNET setzt die Mitgliedschaft im DGB
auf Spiel. AT: Die
ganze angestrebte Fusion TRANSNET-GDBA macht vielleicht noch einen Sinn, wenn man die GDBA
aus dem Beamtenbund raus zieht und in den DGB überführt. Aber im TRANSNET-HV findet ein
heftiger Flügelkampf statt, der sich nur noch um die Frage der DGB-Zugehörigkeit rankt.
Wenn sich beide Gewerkschaften vereinigen sollten, dann kommt es formell zu einer
Neugründung. Beide fallen dann in jener juristischen Sekunde aus ihrem jeweiligen
Dachverband heraus und müssen sich dann positionieren. So bilden sich in der neuen
Organisationen unter Umständen neue Mehrheiten. Es steht derzeit vielleicht 50:50.
GDBA-Funktionäre agieren zudem oftmals arbeitgeberfreundlich. Es könnte also eine
Situation entstehen, in der sich die GDBA-Funktionäre und die gegen die
DGB-Mitgliedschaft gerichteten Teile der TRANSNET-Führung zusammen durchsetzen. Dann
könnte aus TRANSNET eine gelbe Gewerkschaft ohne Anbindung an den DGB werden. HGÖ:
Wäre dies im Sinn des Arbeitgebers? Woran macht sich dies fest? AT: Die
Tarifgemeinschaft TRANSNET-GDBA ist in der Schnittmenge vom Arbeitgeber und Eigentümer
finanziert. Eine Tarifgemeinschaft, die im Interesse der Mitglieder zu arbeiten hat, darf
aber nicht vom Arbeitgeber finanziert werden. Das aber passt genau in die vom
Gewerkschaftsvorsitzenden Hansen vertretene Politik der Unterstützung für den
Börsengang. Mehdorn und der DB-Vorstand schnitzen sich daraus eine eigene Gewerkschaft,
die den Kurs in Richtung Privatisierung und Börsengang mit verfolgt. Die GDBA ist
wahrscheinlich in einer prekären Finanzlage ist und würde vielleicht ihre ganzen
Schulden in die Vereinigung mit einbringen. JR: Die
geplante Fusion der beiden Gewerkschaften wird aus finanziellen Gründen und nicht aus
politischen oder von der Belegschaft her geprägten oder formulierten Motiven heraus
betrieben. Es geht den Apparaten nur um die nackten Finanzen. Ich appelliere an andere
Vertrauensleutekörper und Kollegen im Bahnkonzern: Nehmen wir jetzt den Kampf auf um den
Verbleib unserer TRANSNET im DGB. Der Vertrauensleutekörper der Berliner S-Bahn hat im
Dezember eine Resolution verfasst, die auf
www.bahnvonunten.de eingestellt ist. Ich schlage den anderen Vertrauensleutekörper im
Konzern vor, diese Resolution zu diskutieren, sie evtl. zu verändern , und
entsprechende Beschlüsse zu fassen. TRANSNET
zu verlassen wäre der falsche Schritt. Wir würden unsere Gewerkschaft, in der wie seit
Jahrzehnten organisiert sind, den Gewerkschaftsgegnern überlassen. Aus diesem Grund
sollten jetzt alle Kollegen davon Abstand nehmen, über Austritt oder Gewerkschaftswechsel
nachzudenken. HGÖ: Markus Fuß kritisiert den geplanten
Börsengang und stellt fest, dass es dazu Alternativen gibt. AT: In
TRANSNET wird versucht, alle Mitglieder, die für den Verbleib der Bahn im öffentlichen
Besitz sind, in eine bestimmte politische Ecke zu rücken. Wir sind für eine effiziente
und erfolgreiche Bahn. Gerade angesichts zunehmender Verkehrsströme in Europa
Nord-Süd und Ost-West und der Begrenztheit der Ölreserven aus ökologischer Sicht
muss dieses wertvolle Wirtschaftsgut Verkehr effizient und erfolgreich organisiert werden
aber bitte in öffentlicher Hand, im Gemeineigentum. Die Erfahrung hat doch
gelehrt, dass die Privatisierung der öffentlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge
Gas, Strom, Wasser sehr kritisch beobachtet werden muss. Wir brauchen ein
funktionierendes Gemeinwesen. Der Berliner Senat erwägt z.B. die privatisierten
Wasserbetriebe wieder in kommunales Eigentum zu überführen, weil die Privateigentümer
die Preise diktieren und uns in die Knie zwingen. Tafelsilber kann man nur einmal
verscherbeln und man legt dabei unheimlich viel drauf. Bei der Privatisierung geht es nur
um privaten Profit und somit verliert das Gemeinwesen die Möglichkeit des Steuerns. JR: Mein
sozialdemokratischer Großvater war im 1. Weltkrieg und hat mir immer gesagt, dass
an jeder Aktie der Rüstungskonzerne das Blut der Soldaten in den Schützengräben geklebt
hat. Erst später habe ich begriffen, wie weise diese Aussage war. Auf heute übertragen
bedeutet dies, dass an jeder Aktie unsere Arbeitsplätze hängen. Wenn die Bahn an die
Börse geht, gefährdet dies massiver als bisher und akut unsere Arbeitsplätze. Der Staat
entledigt sich seiner sozialen Verantwortung, indem er sich seines sozialen Eigentums
entledigt. Er verletzt dadurch auch die Verpflichtung aus dem Grundgesetz zur Erbringung
wichtiger Dienstleistungen für die Bevölkerung. Dazu gehört auch ein flächendeckender
Bahnverkehr. Ein privatisierter Bahnkonzern wird dies nicht mehr können und wollen. HGÖ:
Bei der Bundesbetriebsrätekonferenz in Karlsruhe hat Norbert Hansen vehement die Ansicht
vertreten: Wer gegen die Privatisierung der Bahn ist, der gefährdet die Einheit des
Bahnkonzerns. AT: Das
ist absoluter Unfug. Er verknüpft damit sein eigenes Schicksal, aber er vergisst dabei
das Schicksal der anderen. Jetzt gibt es ein böses Gerücht. Aus einer noch nicht
genannten Quelle haben wir erfahren, dass Hansen mit Schröder schon im Jahre 2001
vereinbart haben soll, dass russische Großinvestoren Zugriff auf die DB-Aktien bekommen
sollen. HGÖ: Da
ist vielleicht was dran, denn die Pläne für Mehdorns China-Bahn sind ja offensichtlich
weit gediehen. Je mehr der DB-Konzern solche Güterzüge nach China organisiert, desto
mehr wird er sich dann vom flächendeckenden Inlandsverkehr verabschieden. AT:
Solche Überlegungen sind vielleicht wirtschaftlich interessant, aber sie schaden im
Endeffekt den kleinen Mitarbeitern. HGÖ:
Markus Fuß bekennt sich zum Prinzip der Gegnerfreiheit und Unabhängigkeit der
Gewerkschaften vom Arbeitgeber. JR: Es
ist doch ein offenes Geheimnis, dass die Tarifgemeinschaft TRANSNET/GDBA vom Unternehmen
DB mit finanziert wird. Dadurch ist die Unabhängigkeit nicht mehr gewährt. Die kleinen
Möchtegern-Warnstreiks vom Oktober waren im Grunde auch politische Warenstreiks und
sollten Druck für einen integrierten Börsengang machen. Die KollegInnen waren Statisten
für die Kameras. Wenn ich
die Interessen der Gewerkschaft mit den Interessen des Konzerns verknüpfe, dann
durchbreche ich damit sämtliche Bestrebungen von abhängig Beschäftigten, sich im Kampf
mit ihren Arbeitgebern bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. HG: Wie
steht es um die Kontrolle der DB durch die Aufsichtsräte und insbesondere die
Arbeitnehmervertreter? AT: Nach
meiner Erfahrung kann ich nur sagen: Die Arbeitnehmerbank stellt ihre Aufsichtsfunktion
völlig zur Disposition. Letztendlich wird über diese Kontrollgremien auch der
Börsengang umgesetzt. JR: Was
die TRANSNET-Mandatsträger betrifft, so müssen wir dies selbstkritisch betrachten. Ich
möchte nicht allen Kolleginnen und Kollegen, die als Arbeitnehmervertreter in
Aufsichtsräten sitzen, zu nahe treten und Unrecht tun. Aber wenn man das Mandat im
Aufsichtsrat primär als Einnahmequelle betrachtet, dann geht auch die Kontrolle verloren,
weil man dann die Fleischtöpfe, aus denen man isst, nicht gefährden will. HGÖ:
Aber die Forderung nach voller Abführung aller Aufsichtsratstantiemen an die
Gewerkschaften ist sehr umstritten. JR: Wenn
die Gewerkschaft diese Mandate als Einnahmequelle betrachtet, dürfen wir nicht die
menschliche Unzulänglichkeit unserer Kolleginnen und Kollegen vergessen, die sich an
solche Nebeneinkünfte gewöhnt haben. Man will ihnen ja auch eine gewisse
Besitzstandswahrung zusprechen. Das ist kein Sozialneid, sondern der Versuch einer
objektiven Betrachtung. Wenn das gewerkschaftliche Kontrollmoment und das
gesellschaftspolitische Mandat unserer Kollegen in den Aufsichtsräten nicht wieder
deutlicher werden, dann verwässert das ganze demokratische Mitbestimmungsmodell. So weit
sind wir leider heute. AT:
Neben den Sitzungsgeldern und Tantiemen in Aufsichtsräten gibt es ja auch noch viele
Posten bei der Sparda-Bank, DEVK und anderen Einrichtungen. HGÖ:
Manche Kolleginnen und Kollegen, die früher gegen die Privatisierung eintraten, haben mit
der Annahme eines Aufsichtsratsmandats plötzlich ihre Meinung gewechselt und sind jetzt
für den Börsengang. AT:
Genau so ist es. JR: Die
innergewerkschaftliche Demokratie hat spätestens seit der Wende gelitten. Man
hat uns Anfang der 90er Jahre viel von Pragmatismus, Notwendigkeiten und
Handlungszwängen erzählt. Die GdED-Funktionäre kamen wie die drei Könige aus dem
Morgenland und sagten uns: Wir haben 40 Jahre Bundesrepublik und Bundesbahn hinter uns und
wir machen das schon für euch. Viele waren gewöhnt, dass man was für sie macht. Nur
wenige waren gewöhnt, ihren eigenständigen Kopf in die Diskussion ein zubringen. Meine
entscheidende Kritik: Diese Gewerkschaft hat ihre Mitglieder in der Vergangenheit nicht
zur Kampfbereitschaft erzogen, sondern zum Gehorchen und sich zu Fügen. Das
Stellvertreterprinzip wurde eingeführt lasst uns Funktionäre und Sekretäre nur
machen. So ein Kurs landet irgendwann mal im Loch. So sind die KollegInnen dann auch nicht
mehr in der Lage, eine gewisse Kampfbereitschaft zu entfalten. Soll ich so einer
Gewerkschaftsführung in einer Streiksituation vertrauen? Um Kollegen in den Streik zu
führen, bedarf es einer Menge Vertrauen. Wir haben die Kolleginnen und Kollegen
2004 zum Warnstreik mobilisiert. 80 Prozent derer, die uns anriefen haben, haben uns
gefragt: Dürfen wir das und schützt uns die Gewerkschaft? Vor zwei Jahren war das
Vertrauen in die Gewerkschaft noch vorhanden. Heute leider nicht mehr. AT:
TRANSNET hat die Berliner S-Bahn verloren. Das ist das größte Nahverkehrsunternehmen im
Konzern, nicht irgendeine Harz-Quer-Bimmelbahn, sondern der größte Nahverkehrsträger in
der Hauptstadt unseres Landes. JR:
Viele KollegInnen bei der Berliner S-Bahn haben die innere Kündigung mit der Gewerkschaft
vollzogen. Die Vertrauenspersonen sind mit Kopf, Herz und Leidenschaft dabei und meinen es
ernst in ihrer gewerkschaftlichen Arbeit. Leider müssen wir Trümmer beiseite räumen,
die andere uns vor die Füße geworfen haben. Was wir aufgebaut haben, haben andere
zerstört. Uns reicht´s. HGÖ:
Welche Schlussfolgerung sollen engagierte TRANSNET-Mitglieder aus solchen Erfahrungen
ziehen? Wird 2007 ein Schicksalsjahr für TRANSNET? Was ist Eure Botschaft? AT:
Unser Kampf geht weiter. Wir arbeiten mit unserer Resolution und dem Brief an Kurt Beck.
Innerhalb der Landes-AfA känpfe ich auf jeden Fall weiter. Wir wollen die Mitglieder der
anderen DGB-Gewerkschaften sensibilisieren, solche Entwicklungen nie zuzulassen. Egal
welche Querelen zwischen TRANSNET, ver.di und IG Metall um Organisationszuständigkeiten
bestehen es geht um den Bestand unseres Deutschen Gewerkschaftsbundes. Denn wenn
sich TRANSNET vom DGB abwendet, hat dies weit reichende Folgen für den Bestand des DGB,
der dann bis ins Mark erschüttert wird. Das ist eine Schwächung der Arbeitnehmer in
diesem Lande. Wir versuchen mit den uns verbleibenden Instrumenten und Möglichkeiten zu
kämpfen, nachdem man uns andere Möglichkeiten aus der Hand genommen hat. JR: Im
Frühjahr 2007 werden Organisationswahlen stattfinden. Konzernweit werden neue
Vertrauensleute gewählt und neue Delegierte zu den Ortsdelegiertenkonferenzen. Einer der
wichtigsten Prüfsteine, bevor man einem Kollegen seine Stimme gibt, sollte die Frage
sein: bist du für oder gegen den Börsengang? Bist du für oder gegen den Verbleib im
DGB? Bist du für oder gegen den Kurs des Vorsitzenden Norbert Hansen? Jeder Kandidat und
jede Kandidatin sollte sich dazu erklären, welche Positionen er oder sie hat. Die Zeiten,
in denen man stillhält und die Funktionäre einfach machen lässt, sollten vorbei sein.
Wir müssen in den bevorstehenden konzernweiten Vertrauensleutewahlen wie man
so schön sagt unser Ding selbst in die Hand nehmen. Dann können wir uns im Herbst
auf den Ortsdelegiertenkonferenzen auch neue Vorstände wählen. AT: Das
geht aber nicht mit diesem gleichgeschalteten geschäftsführenden Hauptvorstand, um das
in aller Deutlichkeit zu sagen. Norbert Hansen war ein Hoffnungsträger, nachdem die alten
Männer abgetreten sind. Viele erwarteten von ihm eine kämpferischen Kurs und Widerstand
gegen die Privatisierung. Doch es war eine große politische Enttäuschung, als er dann
genau den diametral entgegen gesetzten Kurs eingeschlagen hat. Die ganze Politik läuft
gegen die Interessen der Mitglieder. Die kleinen Leute werden die Arbeit verlieren. Ich
habe jetzt im Betrieb erlebt, dass Menschen, die noch vor einem Jahr dem Arbeitgeber an
den Lippen hingen und alles fraßen, was ihnen vorgeworfen wurde, plötzlich feststellen:
Das bin ja ich, der gemeint ist. Mein Arbeitsplatz ist weg. Uns jetzt haben sie keine
Gewerkschaft und keinen Betriebsrat mehr, der ihre Interessen vertritt. HGÖ:
Wie gestaltet sich jetzt die Arbeit im Betriebsrat? AT: Es
gibt wechselnde Mehrheiten. Unsere Vertreter der Liste 9 leisten eine hervorragende
Betriebsratsarbeit und bemühen sich um Mehrheiten. Dies gelingt teilweise auch. Wenn der
Betrieb weiter so Arbeitsplätze abbaut, werden in einem Jahr vorzeitig wieder
Betriebswahlen ausgeschrieben. Wenn die S-Bahn im Konzern aufgelöst wird, dann landen die
bisherigen Vertrauensleute und Betriebsräte in ganz anderen Strukturen. Die ganze aktive
politische Arbeit von fünf Jahren ist dann hinweggefegt worden. JR: Aber
natürlich ist diese Arbeit nicht umsonst gewesen, denn die Spuren, die wir den Jüngeren
hinterlassen, sind nicht wegzuwischen. Diese gemachten Erfahrung waren nicht umsonst. Es
ist die Tragik der handelnden Personen, dass sie den eigentlichen Erfolg ihrer
Arbeit nicht so richtig sehen und erkennen können. Die Kollegen haben
in der Vergangenheit viel gelernt. Das kann man ihnen nicht nehmen kann und das
werden sie in ihrer künftigen Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit einbringen und
anwenden. Die letzten 10 Jahre in der Berliner S-Bahn waren für nicht wenige Kollegen
eine gute gewerkschaftspolitische Schule im positiven wie im negativen. ©
Hans-Gerd Öfinger, www.bahnvonunten.de |
© Hans-Gerd Öfinger, www.bahnvonunten.de
|